Nation, Europa, Christenheit. Группа авторов
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СКАЧАТЬ Schatz, der in der vorangegangenen Epoche angespart wurde, verleiht er doch dem Menschlich-Allzumenschlichen höhere Weihen. Besonders beliebt ist die Beschwörung der christlichen Begriffe – und hier sind sie nun endlich – „Nächstenliebe“ und „Barmherzigkeit“.

      Ausgerüstet mit dem Erntestock klopft man die Krone des alten Baumes ab, ob vielleicht doch noch ein paar brauchbare Oliven herabfallen mögen.

      Man entfremdet die Begriffe von ihrem christlichen Ursprung. Man verändert sie damit. Sind sie erst einmal im Sprachsalat des modernen Humanitarismus gelandet, gehen sie ihres Sinns und ihrer Würde verlustig. Ein letzter Schimmer ist schon noch vorhanden, ein Nachgeschmack des Eigentlichen (sonst wären sie ja nicht zu gebrauchen), doch wie wenig hat das, was man nun vollmundig verbreitet, mit dem zu tun, was eigentlich nur nachgebetet werden kann! – Aber so funktioniert es. Das ist Framing.

      Framing ist nicht generell verwerflich. Es bedeutet einfach: etwas in einen Bezugsrahmen einordnen. Das tun wir alle. Es ist auch nicht unbedingt als politisches Instrument verwerflich. Die nachständische bürgerliche Gesellschaft ist Massengesellschaft, und die Masse muss irgendwie in irgendeiner Form gehalten werden. Natürlich geht man vom Idealbild des mündigen Bürgers und der demokratischen Verfassung aus, aber wie jedes Ideal ist auch dieses nur bedingt praktikabel oder alltagstauglich. Die bürgerlichen Institutionen, die bisher dem Einzelnen und damit der Gesellschaft insgesamt Form gaben, die Orientierung und Ordnung vermittelten – Schule, Kirche und Heer –, verlieren unter dem Diktat der Liberalisierung und der politischen Gleichschaltung zunehmend ihre Prägekraft. Auf die Liberalisierung folgt Banalisierung. Man kann die Masse auch durch Gewalt und Gulag lenken, wenn man das aber nicht will, ist man auf die Mittel der Psychologie angewiesen. Edward Bernays eröffnet sein 1928 erschienenes Buch „Propaganda“ mit den Worten:

      Entsprechend dem „Laplaceschen Dämon“ der Physik ließe sich ein „Bernaysscher Dämon“ vorstellen, der jede moralische Regung eines menschlichen Gewissens sowie die moralischen Regungen aller Gewissen kennt und ein perfektes psychologisches Instrumentarium zur Hand hat, mit dem er diese Regungen steuern kann. Die Steuerung einer Gesellschaft und jedes einzelnen ihrer Individuen wäre dann ohne jeglichen Zwang, sogar ohne jegliche Androhung von Zwang oder Gewalt möglich – die Menschen würden aus moralischen Gründen und damit aus (vermeintlich) eigenem Antrieb heraus tun, was sie im Sinne der „unsichtbaren Regierung“ tun sollen.

      Der „Bernayssche Dämon“ ist keine Realität, und es ist fraglich, ob er es je werden kann. Aber genauso fraglich ist es, ob er nicht dennoch Wunsch- und Zielvorstellung in politischen Stiftungen und Instituten, Denkfabriken und NGOs ist. Die Instrumente sind da, sie werden eingesetzt, und das moralische Framing ist eines davon.

      In kaum einem anderen Zusammenhang wird dies aktuell so deutlich wie in der Migrationsdebatte, und in kaum einem anderen wird – gerade von Protagonisten, die sich sonst aggressiv oder zumindest bewusst säkular geben – die christliche Begrifflichkeit derart inflationär verwendet, derart ausgeschüttelt und ausgewrungen, als gälte es, das letzte bisschen höhere Bestimmung herauszupressen, mit der man die eigenen Absichten gerade angesichts zunehmender Kritik bemäntelt und beschützt sehen will. Den Kritikern der Migrationspolitik werden hingegen unisono „Nächstenliebe und Barmherzigkeit“ abgesprochen bzw. wird von ihnen ein Bekenntnis zu „christlichen Werten“ gefordert, die wahlweise auch „europäische Werte“ seien und die man nicht aufgeben könne, ohne dass „Europa seine Seele verliere“.

      Auch das ist Framing. Migrationspolitische Entscheidungen werden – lehrbuchmäßig, wie es u. a. das ARD-Manual empfiehlt – in einen moralischen Bezugsrahmen eingeordnet. Er dient einerseits dazu, den Kritiker unter moralischen Rechtfertigungsdruck zu bringen (DDR-Bürger kennen das: „Du bist wohl gegen Frieden?“), andererseits dazu, die politischen Entscheidungen in eine Sphäre höherer Weihen zu heben, wo sie nicht mehr kontrovers diskutiert werden können und nicht mehr rational begründet werden müssen, sondern nur noch hinzunehmen und zu tragen sind.

      Es geht im Folgenden nicht um die Migrationspolitik, sondern um die moralische Haltung, die im Zusammenhang damit deutlich wird, und kontrastierend dazu um die eigentlich christliche Haltung. Ich werde mich auch mit der Dekonstruktion dieses Framings nicht lange aufhalten. Nur ein paar Punkte: