Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke. Walter Benjamin
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Название: Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

Автор: Walter Benjamin

Издательство: Ingram

Жанр: Контркультура

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isbn: 9789176377444

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СКАЧАТЬ als setzend … keineswegs aber etwa ein bloßes Setzen«,18 formuliert Fichte. Beide Termini besagen etwas verschiedenes, beide sind von großer Wichtigkeit für die Geschichte der Philosophie. Während der Reflexionsbegriff zur Grundlage der frühromantischen Philosophie wird, erscheint – nicht ohne Beziehung auf den letzteren – der Begriff des Setzens in seiner vollen Ausgestaltung in der Hegelschen Dialektik. Es ist vielleicht nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß der dialektische Charakter des Setzens gerade wegen seiner Kombination mit dem Reflexionsbegriff bei Fichte noch nicht zum gleich vollen und charakteristischen Ausdruck gelangt wie bei Hegel.

      Das Ich sieht nach Fichte als sein Wesen eine unendliche Tätigkeit, welche im Setzen liegt. Dieses geht folgendermaßen vor sich: das Ich setzt sich (A), setzt sich in der Einbildungskraft ein Nicht-Ich (B) entgegen. Die »Vernunft tritt ins Mittel … und bestimmt dieselbe, B in das bestimmte A (das Subjekt) aufzunehmen: aber nun muß das als bestimmt gesetzte A abermals durch ein unendliches B begrenzt werden, mit welchem die Einbildungskraft gerade so verfährt wie oben; und so geht es fort, bis zur vollständigen Bestimmung der (hier theoretischen) Vernunft durch sich selbst, wo es weiter keines begrenzenden B außer der Vernunft in der Einbildungskraft bedarf, d. i. bis zur Vorstellung des Vorstellenden. Im praktischen Felde geht die Einbildungskraft fort ins Unendliche, bis zu der schlechthin unbestimmbaren Idee der höchsten Einheit, die nur nach einer vollendeten Unendlichkeit möglich wäre, welche selbst unmöglich ist«.19 Mithin: das Setzen geht in der theoretischen Sphäre nicht ins Unendliche; deren Eigenart wird gerade durch die Eindämmung des unendlichen Setzens konstituiert; sie liegt in der Vorstellung. Durch die Vorstellungen, und letzten Endes durch deren höchste, die des Vorstellenden, wird das Ich theoretisch vollendet und ausgefüllt. Die Vorstellungen sind solche vom Nicht-Ich. Das Nicht-Ich hat, wie schon aus den zitierten Sätzen hervorgeht, eine doppelte Funktion: in der Erkenntnis in die Einheit des Ich zurück-, im Handeln in das Unendliche hineinzuführen. – Für das Verhältnis der Fichteschen zur frühromantischen Erkenntnistheorie wird es sich von Wichtigkeit erweisen, daß die Bildung des Nicht-Ich im Ich auf einer unbewußten Funktion desselben beruht. »Der einzelne Inhalt des Bewußtseins … in der ganzen Notwendigkeit, womit er darin sich geltend macht, kann nicht aus einer Abhängigkeit des Bewußtseins von irgendwelchen Dingen an sich, sondern nur aus dem Ich selbst erklärt werden. Nun ist aber alles bewußte Produzieren durch Gründe bestimmt und setzt deshalb immer wieder besonderen Vorstellungsinhalt voraus. Das ursprüngliche Produzieren, wodurch zu allererst das Nichtich im Ich gewonnen wird, kann nicht bewußt, sondern nur bewußtlos sein.«20 Fichte sieht »den einzigen Ausweg für die Erklärung des gegebenen Bewußtseinsinhaltes darin, daß dieser aus einem Vorstellen höherer Art, einem freien unbewußten Vorstellen herstamme«.21

      Es dürfte nach dem Vorstehenden klar sein, daß Reflexion und Setzen zwei verschiedene Akte sind. Und zwar ist die Reflexion im Grunde die autochthone Form der unendlichen Setzung: Reflexion ist die Setzung in der absoluten Thesis, wo sie nicht auf die materielle, sondern auf die rein formale Seite des Erkennens bezogen scheint. Wenn das Ich sich selbst in der absoluten Thesis setzt, entsteht Reflexion. Ganz in Fichtes Sinn spricht Schlegel in den Windischmannschen Vorlesungen einmal von einer »innere(n) Verdoppelung«22 im Ich.

      Zusammenfassend ist über die Setzung zu sagen: Sie beschränkt und determiniert sich durch die Vorstellung, durch das Nicht-Ich, durch die Gegensetzung. Auf Grund der bestimmten Gegensetzungen wird endlich die an sich ins Unendliche gehende Tätigkeit des Setzens23 wieder ins absolute Ich zurückgeführt und dort, wo sie mit der Reflexion zusammenfällt, in der Vorstellung des Vorstellenden eingefangen. Jene Beschränkung der unendlichen Setzungstätigkeit ist also die Bedingung der Möglichkeit der Reflexion. Die »Bestimmung des Ich, seine Reflexion über sich selbst … ist nur unter der Bedingung möglich, daß es sich selbst durch ein Entgegengesetztes begrenze …«.24 Die so bedingte Reflexion ist wiederum selbst, wie die Setzung, ein unendlicher Prozeß, und ihr gegenüber ist von neuem Fichtes Bestreben sichtbar, sie durch Zerstörung ihrer Unendlichkeit zum philosophischen Organon zu machen. Dieses Problem ist in dem fragmentarischen »Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre« von 1797 gestellt. Fichte argumentiert dort folgendermaßen: »Du bist Deiner Dir bewußt, sagst Du; Du unterscheidest sonach notwendig Dein denkendes Ich von dem im Denken desselben gedachten Ich. Aber damit Du dies könnest, muß abermals das Denkende in jenem Denken Objekt eines höheren Denkens sein, um Objekt des Bewußtseins sein zu können; und Du erhältst zugleich ein neues Subjekt, welches dessen, das vorhin das Selbstbewußt sein war, sich wieder bewußt sei. Hier argumentiere ich nun abermals wie vorher; und nachdem wir einmal nach diesem Gesetze fortzuschließen angefangen haben, kannst Du mir nirgends eine Stelle nachweisen, wo wir aufhören sollten; wir werden sonach ins Unendliche fort für jedes Bewußtsein ein neues Bewußtsein bedürfen, dessen Objekt das erstere sei und sonach nie dazu kommen, ein wirkliches Bewußtsein annehmen zu können«.25 Diese Argumentation gibt Fichte dort nicht weniger als dreimal, um immer wieder auf Grund jener Endlosigkeit der Reflexion zu dem Schluß zu kommen, daß auf diese Weise »uns das Bewußtsein unbegreiflich«26 bleibe. Fichte sucht also und findet eine Geisteshaltung, in der Selbstwußtsein schon unmittelbar liege und nicht erst durch eine prinzipiell endlose Reflexion hervorgerufen zu werden brauche. Diese Geisteshaltung ist das Denken. »Das Bewußtsein meines Denkens ist meinem Denken nicht etwa ein zufälliges, erst hinterher dazugesetztes und damit verknüpftes, sondern es ist von ihm unabtrennlich.«27 Das unmittelbare Bewußtsein des Denkens ist identisch mit dem Selbstbewußtsein. Wegen seiner Unmittelbarkeit wird es eine Anschauung genannt. In diesem Selbstbewußtsein, in dem Anschauung und Denken, Subjekt und Objekt zusammenfallen, ist die Reflexion gebannt, eingefangen und ihrer Endlosigkeit entkleidet, ohne vernichtet zu sein.

      Im absoluten Ich ist die Unendlichkeit der Reflexion, im Nicht-Ich die des Setzens überwunden. Mag auch Fichte vielleicht sich über das Verhältnis dieser beiden Tätigkeiten nicht durchaus klar gewesen sein, so ist doch deutlich, daß er ihren Unterschied gefühlt hat und jede auf besondere Weise in sein System einzubeziehen suchte. Dieses System kann in seinem theoretischen Teil keinerlei Unendlichkeit dulden. In der Reflexion aber liegen, wie sich ergab, zwei Momente: die Unmittelbarkeit und die Unendlichkeit. Die erste gibt für Fichtes Philosophie den Hinweis, in eben jener Unmittelbarkeit den Ursprung und die Erklärung der Welt zu suchen, die zweite aber trübt jene Unmittelbarkeit und ist durch einen philosophischen Prozeß aus der Reflexion zu eliminieren. Das Interesse an der Unmittelbarkeit der obersten Erkenntnis teilte Fichte mit den Frühromantikern. Ihr Kultus des Unendlichen, wie sie ihn auch in der Erkenntnistheorie ausprägen, trennte sie von ihm und gab ihrem Denken seine höchst eigentümliche Richtung.

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      Man tut gut, die von Fichte dargelegte Bewußtseinsparadoxie, welche auf der Reflexion beruht,28 der Darstellung der romantischen Erkenntnistheorie zugrunde zu legen. Die Romantiker haben in der Tat an jener von Fichte verworfenen Unendlichkeit keinen Anstoß genommen, und es entsteht damit die Frage, in welchem Sinne sie die Unendlichkeit der Reflexion denn aufgefaßt und sogar betont haben. Offenbar mußte, damit dies letzte geschehen konnte, die Reflexion mit ihrem Denken des Denkens des Denkens und so fort ihnen mehr sein als ein endloser und leerer Verlauf, und so befremdend dies auf den ersten Blick erscheint, kommt doch für das Verständnis ihrer Gedanken alles darauf an, ihnen hierin zunächst zu folgen, ihre Behauptung hypothetisch zuzugestehen, um zu erfahren, in welcher Meinung sie sie aussprechen. Diese Meinung wird sich ihres Orts als eine durchaus nicht abstruse, vielmehr – im Gebiete der Kunsttheorie – folgenreiche und fruchtbare ausweisen. – Die Unendlichkeit der Reflexion ist für Schlegel und Novalis in erster Linie nicht eine Unendlichkeit des Fortgangs, sondern eine Unendlichkeit des Zusammenhanges. Dies ist neben und vor ihrer zeitlichen Unabschließbarkeit des Fortgangs, die man anders als eine leere verstehen müßte, entscheidend. Hölderlin, welcher ohne Fühlung mit den Frühromantikern in einigen ihrer Ideenzusammenhänge, die hier noch begegnen werden, das letzte und unvergleichlich tiefste Wort sprach, schreibt an einer Stelle, an der er einen innigen, höchst triftigen Zusammenhang СКАЧАТЬ