Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke. Walter Benjamin
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Название: Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

Автор: Walter Benjamin

Издательство: Ingram

Жанр: Контркультура

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isbn: 9789176377444

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СКАЧАТЬ hat es sich aber allein im Sinn der gegründeten Beurteilung durchgesetzt. Vielleicht nicht ohne den Einfluß der Romantik, denn die Begründung der Kritik der Kunstwerke, nicht eines philosophischen Kritizismus, ist eine ihrer bleibenden Leistungen gewesen. Wie der Begriff der Kritik im genaueren nicht weiter erörtert wird, als sein Zusammenhang mit der Kunsttheorie es mit sich führt, so soll ihrerseits die romantische Kunsttheorie nur verfolgt werden, soweit sie für die Darstellung jenes Kritikbegriffs4 wichtig ist. Das bedeutet eine sehr wesentliche Einschränkung des Stoffkreises: die Theorien vom künstlerischen Bewußtsein und vom künstlerischen Schaffen, die kunstpsychologischen Fragestellungen fallen fort und es bleiben von der Kunsttheorie allein die Begriffe der Idee der Kunst und des Kunstwerks im Gesichtskreis der Betrachtung. Die objektive Begründung des Begriffs der Kunstkritik, die Friedrich Schlegel gibt, hat es nur mit der objektiven Struktur der Kunst – als Idee, und ihrer Gebilde – als Werke, zu tun. Übrigens denkt er, wenn er von Kunst spricht, vor allem an die Poesie, andere Künste haben ihn in der hier in Frage kommenden Zeit fast nur mit Rücksicht auf diese beschäftigt. Ihre Grundgesetzlichkeit galt ihm höchstwahrscheinlich für diejenige aller Kunst, sofern ihn das Problem überhaupt beschäftigt hat. In diesem Sinn wird im folgenden unter dem Ausdruck »Kunst« stets die Poesie, und zwar in ihrer zentralen Stellung unter den Künsten, unter dem Ausdruck »Kunstwerk« die einzelne Dichtung verstanden werden. Es würde ein falsches Bild geben, wollte diese Arbeit in ihrem Rahmen dieser Äquivokation abhelfen, denn sie bezeichnet einen grundsätzlichen Mangel in der romantischen Theorie der Poesie, bzw. der Kunst überhaupt. Beide Begriffe sind nur undeutlich voneinander unterschieden, geschweige denn aneinander orientiert, so daß keine Erkenntnis von der Eigenart und den Grenzen des poetischen Ausdrucks gegenüber demjenigen anderer Künste sich bilden konnte.

      Die Kunsturteile der Romantiker als literargeschichtliche Fakten interessieren in diesem Zusammenhang nicht. Denn die romantische Theorie der Kunstkritik soll nicht der Praxis, etwa dem Verfahren A. W. Schlegels, entnommen, sondern nach den romantischen Theoretikern der Kunst systematisch dargestellt werden. A. W. Schlegels kritische Tätigkeit hat in ihrer Methode wenig Beziehungen zu dem Begriff der Kritik, den sein Bruder gefaßt hatte, und mit dem er eben in die Methode, nicht wie A. W. Schlegel in die Maßstäbe, ihren Schwerpunkt verlegte. Aber Friedrich Schlegel selbst hat seinem Ideal der Kritik nur in jener Rezension des »Wilhelm Meister« völlig entsprochen, die ebensosehr Theorie der Kritik wie Kritik des Goetheschen Romans ist.

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      Als die romantische Theorie der Kunstkritik wird im folgenden diejenige Friedrich Schlegels dargestellt. Das Recht, diese Theorie als die romantische zu bezeichnen, beruht auf ihrem repräsentativen Charakter. Nicht daß alle Frühromantiker sich mit ihr einverstanden erklärt oder auch nur von ihr Notiz genommen hätten: Friedrich Schlegel ist auch seinen Freunden oft unverständlich geblieben. Aber seine Anschauung vom Wesen der Kunstkritik ist das Wort der Schule darüber. Er hat diesen Gegenstand als problematischen und philosophischen zu seinem eigensten gemacht – wenn auch gewiß nicht zu seinem einzigen. Für A. W. Schlegel war Kunstkritik kein philosophisches Problem. Neben Friedrich Schlegels Schriften kommen als Quellenschriften im engeren Sinne für diese Darstellung allein diejenigen des Novalis in Betracht, während die früheren Schriften Fichtes nicht für den romantischen Begriff der Kunstkritik selbst, sondern nur für sein Verständnis unentbehrliche Quellen darstellen. Die Heranziehung der Schriften des Novalis zu denen Schlegels5 rechtfertigt sich durch die völlige Einhelligkeit beider hinsichtlich der Prämissen und der Folgerungen aus der Theorie der Kunstkritik. Das Problem selbst hat Novalis weniger interessiert, aber die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen, auf Grund deren Schlegel es behandelte, teilte er mit ihm, und mit ihm vertrat er die Konsequenzen dieser Theorie für die Kunst. In Form einer eigentümlichen Erkenntnismystik und einer bedeutenden Theorie der Prosa hat er beide manchmal schärfer und aufschlußreicher formuliert als sein Freund. Zwanzigjährig, im Jahre 1792, haben die beiden gleichaltrigen Freunde einander kennen gelernt und seit dem Jahre 1797 im regsten brieflichen Verkehr gestanden, in dem sie sich auch ihre Arbeiten mitteilten.6 Diese enge Gemeinschaft macht die Untersuchung der wechselseitigen Einflüsse großenteils unmöglich; für die vorliegende Fragestellung ist sie vollends entbehrlich.

      Höchst schätzbar ist die Zeugenschaft des Novalis auch darum, weil die Darstellung Friedrich Schlegel gegenüber sich in einer schwierigen Lage befindet. Seine Theorie der Kunst, geschweige ihrer Kritik, ist auf das entschiedenste auf erkenntnistheoretischen Voraussetzungen fundiert, ohne deren Kenntnis sie unverständlich bleibt. Dem steht gegenüber, daß Friedrich Schlegel vor und um 1800, als er seine Arbeiten im »Athenäum«, welche die Hauptquelle dieser Abhandlung bilden, veröffentlichte, kein philosophisches System niedergelegt hat, in dem allein man eine bündige erkenntnistheoretische Auseinandersetzung erwarten könnte. Vielmehr sind die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen in den Fragmenten und Abhandlungen des Athenäums aufs engste in den außerlogischen, ästhetischen Bestimmungen gebunden und nur schwer von ihnen loszulösen und gesondert darzustellen. Schlegel kann, wenigstens in dieser Zeit, keinen Gedanken fassen, ohne das Ganze seines Denkens und seiner Ideen in schwerfällige Bewegung zu versetzen. Diese Kompression und Gebundenheit der erkenntnistheoretischen Ansichten im Ganzen von Schlegels Gedankenmasse und ihre Paradoxie und Kühnheit mögen sich gegenseitig gesteigert haben. Für das Verständnis des Kritikbegriffs ist die Explikation und Isolierung, die reine Darstellung jener Erkenntnistheorie unerläßlich. Ihr ist der erste Teil dieser Arbeit gewidmet. So schwierig sie auch sein mag, fehlt es dennoch nicht an Instanzen, an denen das gewonnene Resultat sich bestätigen muß. Will man von dem immanenten Kriterium absehen, daß die Ausführungen zur Theorie der Kunst und ihrer Kritik ohne jene erkenntnistheoretischen Voraussetzungen den Anschein ihrer Dunkelheit und Willkür schlechterdings nicht verlieren, so bleiben als zweites die Fragmente des Novalis, auf dessen erkenntnistheoretischen Grundbegriff der Reflexion die Schlegelsche Erkenntnistheorie gemäß der allgemeinen höchst ausgesprochenen Ideenverwandtschaft beider Denker zwanglos sich muß beziehen lassen, wie denn in der Tat die genauere Betrachtung lehrt, daß sie sich mit ihm deckt. Glücklicherweise aber ist die Erforschung von Schlegels Erkenntnistheorie nicht allein und in erster Linie auf seine Fragmente angewiesen; sie verfügt über eine breitere Grundlage. Dies sind die nach ihrem Herausgeber so genannten Windischmannschen Vorlesungen Friedrich Schlegels. Diese Vorlesungen, gehalten zu Paris und Köln in den Jahren 1804 bis 1806, nehmen, zwar völlig beherrscht von den Ideen der katholischen Restaurationsphilosophie, diejenigen Gedankenmotive auf, welche ihr Verfasser aus dem Verfall der Schule in seine spätere Lebensarbeit hinüberrettete. Die Hauptmasse der Gedanken in diesen Vorlesungen ist bei Schlegel neu, wenn auch nichts weniger als originell. Überwunden scheinen ihm seine ehemaligen Aussprüche über Humanität, Ethik und Kunst. Aber die erkenntnistheoretische Einstellung der vergangenen Jahre tritt hier zum ersten Male deutlich, wenn auch modifiziert, in Erscheinung. Bis in die zweite Hälfte der neunziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts ist der Reflexionsbegriff, der auch Schlegels erkenntnistheoretische Grundkonzeption ist, in seinen Schriften zurückzuverfolgen, aber in der Fülle seiner Bestimmungen erscheint er zum ersten Male in den Vorlesungen explizit entwickelt. In ihnen wollte Schlegel ausdrücklich ein System geben, in dem die Erkenntnistheorie nicht fehlt. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß gerade diese erkenntnistheoretischen Grundpositionen die statische, positive Komponente der Beziehung zwischen dem mittleren und späteren Schlegel darstellen – wobei man sich die innere Dialektik seiner Entwicklung als die dynamische, negative Komponente zu denken hätte. Sie sind, wie für Schlegels eigene Entwicklung, so überhaupt für den Übergang der früheren zur späteren Romantik wichtig.7 Übrigens können und wollen die folgenden Ausführungen von den Windischmannschen Vorlesungen als Ganzem kein Bild geben, sondern nur einen ihrer Gedankenkreise berücksichtigen, der für den ersten Teil dieser Arbeit wichtig ist. Diese Vorlesungen stehen damit zum Ganzen der Darstellung im gleichen Verhältnis wie die Fichteschen Schriften, im Zusammenhang, mit welchen sie behandelt werden. Beides sind Quellenschriften zweiten Ranges, sie dienen dem Verständnis der Hauptquellen, derjenigen Schlegelschen Arbeiten im »Lyceum«, »Athenäum«, in den »Charakteristiken und Kritiken«, sowie derjenigen Fragmente des Novalis, welche unmittelbar den Begriff der Kunstkritik СКАЧАТЬ