Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd
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Название: Sechs utopische Thriller

Автор: Conrad Shepherd

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Научная фантастика

Серия:

isbn: 9783745202267

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СКАЧАТЬ konnte Minuten bedeuten oder Stunden. Unter Umständen eine Ewigkeit.

      Plötzlich trotteten die Jaks schneller – und kurz darauf tauchte die Hütte aus dem Schneetreiben auf.

      Sie war niedrig. Aus groben Steinblöcken errichtet. Mehr eine Höhle, halb unter einen überhängenden Felsen gebaut. Aber sie bot Schutz vor dem Wetter, wenn auch das Platzangebot sehr beschränkt war – die Tiere nahmen mehr als die Hälfte des vorhandenen Raums ein.

      Conroy hockte sich eine Ecke und sah zu, wie die beiden Jaktreiber ein Feuer aus den vorhandenen Vorräten machten. Bald dampften ihre Pelzmäntel in der Wärme.

      Draußen heulte der Sturm und häufte Schneewehen an den Mauern auf. Es war erst Nachmittag, aber bereits so dunkel, dass man ohne Licht nichts sah. Tinlé entzündete eine Butterlampe und stellte sie in die Nische gegenüber dem Eingang. In ihrem trüben Lichtschein kochten sie heißen Tee.

      Der Wind heulte zeitweise so ohrenbetäubend um die Hütte, als käme er geradewegs aus der tiefsten Hölle. Ein gespenstisches Requiem für all jene, die hier oben auf dem Dach der Welt ihr Leben gelassen hatten. Conroy schüttelte sich unwillkürlich. Dann hockte er sich zu den anderen ans Feuer und trank kochendheißen Tee.

      »Sie vermuten, dass sich eine Katastrophe in Basis Alpha zugetragen haben könnte«, sagte Tsamcho plötzlich auf englisch, »nicht wahr?«

      Conroy verschluckte sich fast, so unerwartet kam die Frage.

      »Es hat den Anschein«, erwiderte er zurückhaltend. »Allerdings – in einem Labor geschehen immer wieder mal Unfälle. Wahrscheinlich ist bei den Experimenten etwas schiefgelaufen.« Er verschwieg dem tibetanischen Adeligen seine tatsächlichen Vermutungen.

      Tsamcho lächelte nachsichtig. »Kommen Sie, Morton. Sie vergessen, dass ich kein Hirte bin. Und selbst den könntet Ihr Männer aus dem Westen nicht mehr so ohne weiteres hinters Licht führen. Auch wir Nomaden sind inzwischen in der Lage, einen Computer zu bedienen und uns in der virtuellen Welt zu bewegen, lassen Sie sich das gesagt sein. Es muss einfach mehr dahinterstecken.« Tsamcho nahm einen Becher Tee von Tinlé entgegen. Dann wandte er sich wieder Conroy zu. »Weiß Gott, der westliche Verstand ist so etwas Kompliziertes, dass ich ihn manchmal beim besten Willen nicht begreifen kann.«

      Morton grinste und sagte: »So ergeht es mir mit dem östlichen.«

      Tsamcho seufzte. »Habe ich Ihnen übrigens schon gesagt, dass ich in Oxford auch Russisch studiert habe? Ich habe also verstanden, was dieser Agent des Eurasischen Commonwealth gesagt hat. Und Begriffe wie Schwarzschild-Radius, Entropie, Einstein-Rosen-Brücke oder Kerr-Tunnel sagen mir zumindest, dass es sich offensichtlich um Schwerkraftforschungen handelt, die man in der Basis Alpha betreibt.«

      »Ausgeschlossen ist nichts«, versetzte Conroy, »doch das werde ich erst wissen, wenn ich in der Basis bin.« Er legte sich auf den Rücken, den Kopf auf seinem Reisesack, und zog die Pelzschuba bis ans Kinn. »Wann sagen Sie, wird der Schneesturm aufhören?«

      »Noch vor Mitternacht.«

      »Ich denke, ich werde jetzt ein bisschen schlafen.«

      Als er erwachte, starrte er eine Weile zu der niedrigen Decke auf und versuchte sich zu erinnern, wo er eigentlich war. So viele Plätze hatte er in so kurzer Zeit gesehen. Nur – wo war er jetzt?

      Die Erinnerung kam ganz plötzlich. Er setzte sich auf. Die beiden Führer schienen zu schlafen; die Jaks standen in ihrer Ecke und bewegten sich hin und wieder. Tsamcho war nicht zu sehen. Conroy beugte sich vor, um das Feuer ein wenig zu schüren. Als die Flammen hochzüngelten, trat der Dolpo-Pa in die Hütte. Er lächelte.

      »Es ist kurz vor vierundzwanzig Uhr. Der Wind ist schwächer geworden und es hat zu schneien aufgehört. Jetzt müsste es möglich sein, mit dem Drachen zu starten.«

      Er weckte die beiden Tibetaner und befahl ihnen, die Jaks nach draußen zu führen.

      Conroy zog seine Schuba aus, zerrte seinen nachtschwarzen, gefütterten Flugoverall aus dem Reisesack und zog ihn über. Er überprüfte die Ooni MDK rasch und präzise und steckte sie in das Schulterholster. Dann schloss er den Overall, in dessen aufgesetzten Arm- und Schenkeltaschen Ersatzmagazine und eine ganze Reihe weiterer nützlicher Dinge steckten. Er setzte den Helm auf, ließ das Visier aber offen und ging hinaus.

      Der Himmel war wolkenlos, die Sterne schimmerten in unglaublicher Schönheit. Der Mond spendete genügend Licht, so dass sie ohne Lampen auskamen. Der Wind blies sanft, aber stetig. Ideale Voraussetzungen für sein Vorhaben.

      Die Jaks schnaubten und stießen weiße Wolken aus ihren Nüstern. Conroy ging zu Tinlé hinüber und half ihm, die Verschnürung zu lösen. Dann schulterte er das Paket mit dem Drachen und trug es ein paar Schritte zur Seite. Er riss den Reißverschluss der Ummantelung auf und zog die Einzelteile aus dem Sack. Sein Atem dampfte, und seine Gesichtshaut war von der Kälte bereits wieder gefühllos geworden. Doch seine Finger in den dünnen Handschuhen bewegten sich bereits wie selbständige Lebewesen. Mit schlafwandlerischer Sicherheit breiteten sie das knapp fünf Kilo schwere graphitschwarze High-Tech-Gewebe des pfeilförmigen Gleitsegels aus, stießen die federleichten CfK-Stäbe in die Taschen und klemmten sie unter Spannung fest; schon jetzt bekam das Segel eine leicht gewölbte Tragflächenform. Dann verschwanden die dünnen, unzerbrechlichen Nasenleisten in den gepfeilten Vorderkanten des Segels. Als Conroy die Leinen spannte, entfaltete sich das Segel zu einem Tragflügel. Unter den neugierigen Blicken der Tibetaner steckte er das Steuertrapez zusammen und befestigte es am hohlen, durchgehenden Hauptholm. Dann kippte er den Drachen nach vorn und drückte ihn mit der Spitze in den Schnee, um zu verhindern, dass sich der Wind unter ihm fangen konnte. Als letztes schlüpfte er in das Oberteil des schotenförmigen Flugsacks mit dem Haltegeschirr – und bot plötzlich den Eindruck einer ins Riesenhafte mutierten Fangheuschrecke.

      Dann drehte er sich um.

      Für einen langen Moment fingen sich Conroys Augen in denen von Tsamchos.

      Der SY.N.D.I.C.-Agent hob die Hand. »Hier trennen sich vermutlich unsere Wege«, sagte er. »Ich danke Ihnen für alles.«

      Tsamcho nickte.

      »Buddhas Wege sind unerforschlich, mein Freund«, sagte er auf englisch. »Das Schicksal hat uns anscheinend bestimmt, einen kleinen Teil unserer Reise gemeinsam zurückzulegen. Legen wir die Zukunft in seine Hand.«

      Conroy nickt. »So machen wir es.« Er gab sich keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Er trat unter den Drachen, klinkte den Flugsack in die Halterung und hob die Querstange des Steuertrapezes an. Dann balancierte er den Drachen aus, neigte ihn leicht gegen den Wind – und lief los.

      Der Startplatz vor der Schutzhütte war relativ schmal. Conroy benötigte nur wenige wuchtige Schritte, dann stieß er sich kraftvoll über die Kante hinaus in den unermesslichen Abgrund.

      Das Gefühl des Sturzes ins Bodenlose ließ seinen Magen revoltieren. Doch dann schob er das Steuertrapez leicht nach vorn – der Drachen richtete sich auf. Conroy schlüpfte mit den Beinen in das Unterteil des Tragsackes und zog den breiten Verschluss nach oben. Er schloss den Helm und aktivierte die Flugkontrollen.

      Wind fing sich unter dem Deltaflügel. Er stieg. Dann war es wie ein Sog, der den Drachen nach oben riss. Und er flog. Die Spannleinen sirrten.

      Das integrierte Vario spiegelte Steigen und Fallen auf die linke Innenseite des Visiers, den Hauptteil aber nahm die virtuelle IR-Darstellung des Gebietes ein, über das Conroy СКАЧАТЬ