Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
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Название: Ein Buch für Keinen

Автор: Stefan Gruber

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783347043282

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СКАЧАТЬ und Demokratie und das Ende von beidem

       Es ist selten, dass eine Freiheit irgendwelcher Art mit einem Schlage verloren geht.

      David Hume

      In jeder Kultur kommt es in der Spätphase zu demokratischen Erscheinungsformen, wobei diese beispielsweise in der babylonischen, ägyptischen oder arabischen Kultur bei Weitem nicht so stark ausgeprägt waren, wie das in der abendländischen Kultur der Fall ist oder in der griechischen Antike der Fall war.1 Hand in Hand geht diese Liberalisierung und finale Machtzession mit dem Zurückdrängen feudaler Strukturen bzw. dem Aufkommen von Eigentum. Wenngleich sie meist durch Proteste, Revolutionen und Bürgerkriege erkämpft wird, ist sie die einzige Staatsform, die ein in Klassen (in Athen Großgrundbesitzer, Handwerker, Händler, Bauern sowie Tagelöhner), Kasten oder Stände ausdifferenziertes Massenkollektiv stabil halten kann, indem sie ein Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen suggeriert. In keiner anderen Wirtschaftsform sind die Widersprüche zwischen den einzelnen Interessengemeinschaften so groß wie im Kapitalismus, sodass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass dieser über die Zeit hinweg demokratische oder proto-demokratische Strukturen hervorbringt, die zumindest den Anschein von Einfluss auf den politischen Prozess wahren. Die Demokratie ist also ein Kind des Kapitalismus und dient der Entladung sozialer Spannungen.

      Der Epoche der Aufklärung, die in jeder Kultur zu finden ist und den verlorenen Kampf der Priesterkaste gegen den Adel widerspiegelt, folgt eine Zurückdrängung religiöser und irrationaler Strömungen zugunsten der Vernunft und der Wissenschaft. Sie breitet, zusammen mit dem Kapitalismus, den fruchtbaren Boden für die Demokratie, was zu religiösen Ersatzhandlungen führt: Das ist die Geburtsstunde der großen Ideologien! Je mehr Einfluss dem Bürger zugestanden wird, desto stärker verlagert sich sein Interesse weg von der gemeinschaftlichen Dorf- und Familienphilosophie, hin zu Fragen der gesellschaftlichen und ökonomischen Organisation: Der kleine Mann wird zum Politiker. Wirtschaftliche Katastrophen, die in totalitären Katastrophen münden, wie das etwa beim Nationalsozialismus und dem darauffolgenden Weltkrieg der Fall war, erinnern das Volk dann wieder an den Wert der Demokratie, wenn dieser durch massive soziale Spannungen zeitweise gelitten hat. Doch die Demokratie hat, wie alle Systeme, natürlich ihre duale Schattenseite. Schon in der Antike bei Platon abgelehnt, bei Aristoteles als »Herrschaft der Armen«

       verunglimpft, ist sie heute bei libertären Ökonomen als sozialistische Umverteilungsmaschinerie verhasst und bei Oswald Spengler als reine Erfindung der Oberschicht abgetan – hat doch eine Partei oder ein Privatpolitiker ohne Verbindungen zu Geldadel und Konzernen keine Chance, am demokratischen Prozess mitzuwirken, was dazu führt, dass in der Endphase des kapitalistischen Systems, wenn die Politik notgedrungen zum Sklaven des Marktes wurde, um den Kollaps hinauszuzögern, Gesetze fast ausnahmslos für Unternehmen infolge massiven Lobbyismus durchgesetzt werden. Doch die Tücken der Demokratie greifen viel tiefer. Dabei sind die folgenden Erscheinungen kein Demokratie-Spezifikum, sondern ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Staatsverschuldung und Kapitalismus, treten daher ebenso in nichtdemokratischen bzw. noch-nicht-demokratischen, kapitalistischen Systemen in Erscheinung, werden aber durch die Demokratie in ihrer Wirkung potenziert.

      In keinem anderen System ist die Parteienkonkurrenz gezwungen, dem Volk mehr soziale und finanzielle Zugeständnisse zu machen, als in der Demokratie. Alle paar Jahre kommt es zur Wahl eines Volksvertreters und weil jede Partei gewählt oder wiedergewählt werden will, beginnt im Laufe des demokratischen Zyklus ein gnadenloser Wettkampf zur Bestechung des Volkes mit seinem eigenen Geld bzw. dem noch in Zukunft zu erwirtschaftenden Geld (Staatsverschuldung). Nirgendwo ufert die Staatsverschuldung derart exzessiv aus wie in der Demokratie. Je mehr Wohlstand das Volk genießt, desto größer werden die Erwartungen an die jeweiligen Regierungen und diese kennen keine Scham beim Ausgeben des noch gar nicht erwirtschafteten Geldes – es ist schließlich nicht ihr eigenes, und die Macht muss für die nächsten Jährchen bis zur nächsten Wiederwahl gesichert werden. Große staatliche Projekte, visionäre Ziele und die Weitsicht über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinaus sind in der Demokratie ganz und gar unmöglich und weichen der kurzfristigen Befriedigung des Volkes und der Industrie für den Preis einer langfristigen Katastrophe. Wirtschaftliche Bereinigungen in Form von Crashs weichen der kurzfristigen Staatsverschuldung, Zinsmanipulation und Verwässerung des Notenbankgeldes durch minderwertige Pfänder und das Zerstörungspotential schraubt sich gnadenlos nach oben. Es ist die Ironie der menschlichen Geschichte, wie auch der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler bei der Analyse untergehender Kulturen aufzeigte, dass der Zeitpunkt, an dem die Menschen den dauerhaften Frieden, die dauerhafte Freiheit und den dauerhaften Wohlstand zu besitzen glauben, dem Abgrund näher liegt als jeder andere Zeitpunkt zuvor. Ein schöneres Beispiel für die Macht des Dualismus gibt es kaum.1 Je länger der Kapitalismus waltet, desto eher bilden sich demokratische Strukturen heraus. Demokratie ohne Kapitalismus ist in einem Massenkollektiv ganz und gar unmöglich, wie wir bei der Analyse des Sozialismus noch sehen werden. In der Demokratie (basierend auf dem Rechtsstaat) als Ausdruck höchster Freiheit des Volkes und geringstem Einfluss des Staates liegt ein Vakuum, das geradezu danach drängt, mit Staatsmacht gefüllt zu werden. »Freiheit«, was auch immer man darunter verstehen mag, kann in einem staatlichen System im historischen Maßstab nur ein »unnatürlicher«1 Zustand sein, der nach Korrektur schreit, denn: »Alle Herrschaft beruht zuletzt auf Willkür und Todesangst. Absolute und totalitäre Regime sind keine Verfallsformen. Sie treiben nur ins Extrem, was im Prinzip der Herrschaft ohnehin angelegt ist.«2

      Die Demokratie entsteht zuerst durch eine Revolution und wird später durch den Wohlstand erhalten. Sie hört auf zu existieren, sobald sie nicht mehr leistbar ist. Bricht erst die finale kapitalistische Krise aus, kommt es zum Endkampf zwischen den Geldmächten als Träger der Demokratie und den Cäsaren als Träger reiner Machtpolitik, woraus Letztere – demokratisch gewählt – siegreich hervorgehen.

      Nichts ist von Bestand. Im Sozialismus, wo der Staat alle Kompetenzen an sich gerissen hat, wird die Demokratie zur Farce, ja sie kann dort unmöglich gedeihen. Demokratie benötigt das Vakuum »Freiheit«, das Kampfareal zwischen Staat und Volk. Doch nicht nur das Volk fordert unentwegt soziale Reformen. So wie der Debitismus immer neue Bedürfnisse wecken muss, um zu überleben, so müssen auch die demokratischen Parteien immer neue Bedürfnisse im Volk wecken, zu deren Durchsetzung sie selbst gewählt werden sollen. Eine Partei, die alle ihre Vorhaben durchgesetzt hat, ohne neue Bedürfnisse zu wecken, d.h. neue Wege zu gehen, hat im demokratischen Spektrum keine Chance auf Wiederwahl. Diese Dynamik ist es, durch die das Volk dem Staat schließlich immer mehr Freiheiten abtritt – zugunsten von Sicherheit, kurzfristiger Bedürfnisbefriedigung und staatlicher Regulierung. Am Ende tauscht es die Demokratie selbst ein, wieder zugunsten eines Gefühls von Sicherheit.

      Darüber hinaus gibt es keine Staatsform, die in derart kurzer Zeit derartige Komplexitätszuwächse im Inneren zu verzeichnen hat. Um das zu verstehen, müssen wir etwas vorgreifen. In der menschlichen Frühgeschichte waren Menschen Nomaden. Probleme wie Ressourcenknappheit konnten durch Wanderung umgangen werden. Es gab keinen Bedarf an Problemlösungsstrategien, was auch einer der Gründe war, weshalb sich Jäger- und Sammler-Stämme für Jahrzehntausende, teilweise bis zum heutigen Tag, nicht weiterentwickelten. Erst mit der Sesshaftigkeit war man an die Scholle gebunden und musste Lösungen für auftretende Probleme finden. Mit der gewaltsamen Implementierung des Staates potenzierte sich das Problem der permanenten Problemlösung, weil zur Bedienung der Urschuld die Bedienung der Steuerschuld hinzukam, d.h. zusätzlich zum ständigen Ungleichgewicht der Natur kam das ökonomische, montäre und soziale Ungleichgewicht der staatlichen Organisation hinzu. Es entsteht das, was der Anthropologe und Historiker Joseph Tainter in seinem Buch »The Collapse of Complex Societies« als »problemsolving society« bezeichnet. Das Problem an gesellschaftlichen Problemlösungen ist, dass sie in den allermeisten Fällen den Komplexitätsgrad erhöhen – sie lösen zwar das Problem in der Gegenwart, was aber auf ein System, das ständig im Fluss und niemals statisch ist, rekursiv zurückwirkt und es zu weiteren Problemlösungen zwingt. Auch hier gibt es, wie in allen Bereichen des materiellen Seins, eine »Positiv-Negativ-Bilanz« oder wie Einstein es formulierte: СКАЧАТЬ