Kornblumenjahre. Eva-Maria Bast
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Название: Kornblumenjahre

Автор: Eva-Maria Bast

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839246641

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СКАЧАТЬ worden und schließlich aus Russland geflohen zu sein? Und an der Front warst du auch noch, im Lazarett. Kein Wunder, dass dir das Leben hier furchtbar eintönig erscheint. Es ist ja auch trostlos.«

      Sie umfasste den Raum mit einer Handbewegung. »Was haben wir denn? Jahrelanger Krieg, jahrelanges Sterben – und was hat es uns gebracht? Nichts als Verzicht und Entbehrungen. Es ist kalt, wir haben nichts zu essen, wir haben keine Hoffnung und alle hassen die Franzosen.«

      Sophie hatte sich regelrecht in Rage geredet und schluchzte nun trocken auf.

      »Sophie!« Erschrocken zog Johanna die Freundin an sich. »Der Franzosenhass macht dir zu schaffen, nicht wahr? Es geht dir gar nicht um all die Entbehrungen, die wir hinnehmen müssen.«

      Sophie nickte, während ihr die Tränen über die Wangen liefen, verbarg sie ihr Gesicht schutzsuchend an Johannas Schulter.

      »Du hoffst immer noch, ihn wiederzufinden?«

      Wieder nickte Sophie. Sie hatte wenige Wochen vor Ausbruch des Krieges einen französischen Journalisten kennengelernt, der über den aufstrebenden Grafen Zeppelin berichten sollte und deshalb in Friedrichshafen weilte. Die beiden hatten sich Hals über Kopf ineinander verliebt und schnell beschlossen zu heiraten. Doch dann wurde der österreichische Thronfolger in Sarajewo ermordet, und die ganze Welt veränderte sich. In der Verzweiflung des Abschieds hatten Sophie und Pierre miteinander geschlafen, Raphael, Sophies heute siebenjähriger Sohn, war gezeugt worden, dann musste Pierre abreisen, und Sophie hatte nie wieder etwas von ihm gehört. Sie hatte sich als Lazarettschwester an die Westfront gemeldet, um ihm nahe zu sein, wenn er auch auf der anderen Seite kämpfte und nun plötzlich Feind war. Nach dem Krieg wartete sie Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr um Jahr darauf, dass er käme, um sie und seinen Sohn, von dem er freilich nichts wusste, zu holen. Doch Pierre kam nicht. Und als Sophie nach Frankreich fuhr um ihn zu suchen, fand sie ihn nicht. Sie wurde immer trauriger, dann wütend, dann verbittert, schließlich siegte die Angst. Die Angst um den Menschen, den sie mehr liebte als ihr Leben. Dass er eine andere Frau geheiratet und sie vergessen haben könnte, konnte, wollte sie sich nicht vorstellen. Die Alternative aber war noch schlimmer: Sophie glaubte inzwischen fest, dass Pierre gefallen war und Raphael keinen Vater mehr hatte, Halbwaise war. Dennoch: Jetzt, wo die Franzosen im Ruhrgebiet einmarschierten, wuchs die Hoffnung, dass er vielleicht doch noch am Leben sein könnte. Sie wagte den Gedanken eigentlich gar nicht zu denken, verbot ihn sich, doch er ließ sich nicht beiseiteschieben. Und noch etwas quälte sie: der Franzosenhass. Auch Raphael hatte das eine oder andere Mal schon einen franzosenfeindlichen Satz fallen lassen, und Sophie hatte an sich halten müssen, um ihren ahnungslosen Sohn nicht anzuschreien. So hatte sie die Kommentare ignoriert, denn auch wenn sie ihn nur sanft zurechtgewiesen hätte und Raphael hätte in der Schule erwähnt, dass seine Mutter franzosenfeindliche Kommentare nicht dulde, wäre das gefährlich gewesen. Franzosenhass gehörte zum guten Ton in diesen Tagen, vor allem, seit die Feinde aus dem Westen das Ruhrgebiet besetzt hatten, um die Deutschen zur Einhaltung der Reparationszahlungen zu zwingen.

      »Irgendwann wirst du es Raphael sagen müssen«, unterbrach Johanna ihre Gedanken.

      »Das kann ich nicht«, wehrte Sophie erschrocken ab. »Wie sollte er damit klarkommen? Jetzt, wo alle Welt die Franzosen hasst?«

      »Das wird sich auch wieder ändern«, versuchte Johanna zu beruhigen.

      Sophie schloss ihre Hand fest um das winzige silberne Notizbüchlein, in dem ein Foto Pierres steckte, dem sie ihre intimsten Gedanken anvertraute und das sie an einem hellblauen Seidenband stets um den Hals trug. »Glaubst du wirklich?«

      »Aber natürlich. Denk doch nur daran, wie oft die Welt sich allein in den letzten zehn Jahren verändert hat.«

      »Da hast du natürlich recht.« Ein Hauch von Hoffnung glomm in Sophies Augen. Doch sie ahnte nicht, wie ex­trem ihr Leben und auch das von Raphael, wie extrem ihrer aller Leben sich noch verändern würde. Sie hatten schon so viel hinter sich. Und noch so viel vor sich.

      4. Kapitel

      Essen, Ruhrgebiet, 12. Januar 1923

      »Ich werde dort nicht hingehen.« Siegfried ließ wieder etwas von seiner alten Kraft und seinem alten Feuer erkennen, als er in der kleinen, düsteren Wohnung, die er mit Luise bewohnte, auf den Tisch hieb und ihr seine Entscheidung mitteilte. »Ich werde dort genauso wenig erscheinen wie unsere Direktoren!« Leicht hob er das Kinn, und Luise sah plötzlich wieder den Mann vor sich, in den sie sich einst verliebt hatte. Sie fühlte, dass ihr Herz unwillkürlich schneller schlug, als sie die Woge seiner Entrüstung einatmete. Als sie wieder sein Feuer spürte und sein Leuchten. Schüchtern und doch kraftvoll wie ein Schneeglöckchen durch hartgefrorenen Boden bohrte sich die Hoffnung durch den Winter ihres Gemüts. Es war der 12. Januar 1923, ein ausnehmend kalter Tag. Die französischen Behörden hatten die Direktoren der Krupp-, Stinnes- und Thyssenwerke zu einer gemeinsamen Konferenz eingeladen, an der von deutscher Seite allerdings niemand teilnahm. Auch die Arbeiter dachten nicht daran, den Franzosen ihre Mitarbeit zuzusagen oder ihnen gar die Informationen zu geben, auf die sie hofften.

      »Sie wollen, dass wir ihnen Auskunft geben.« Siegfried spie auf den Boden, und Luise, so sehr sie sich über seinen wiedererwachten Kampfgeist freute, zuckte angesichts dieser groben Geste zusammen. Früher war er beides gewesen: mutiger Kämpfer und Kavalier. Jetzt war er ein Kämpfer mit verrohten Gesten, aber wenigstens, dachte Luise, kämpft er wieder und badet nicht mehr nur in Selbstmitleid.

      Siegfried hielt Wort. Und er hielt Stand und wich keinen Deut von seinem Vorhaben, seiner Haltung und seiner Überzeugung ab. Auch nicht, als er nach der Mittagspause auf dem Weg zur Arbeit die Krupp-Statue auf dem Marktplatz passierte und drei Männer aus dem französischen Panzer sprangen, der dort stationiert war. Groß, drohend und breit kamen sie dem humpelnden Mann entgegen. Einer zog eine Peitsche hervor und hieb damit genau auf den Stumpf. Siegfried erblasste vor Schmerz und Wut, aber er verzog keine Miene.

      »Einem Mitglied der Besatzungsmacht haben Sie Platz zu machen und zu grüßen!«, bellte der französische Offizier. »Haben Sie mich verstanden?«

      Siegfried hob den Blick, starrte dem Mann trotzig in die Augen und spuckte aus, wie er das schon in seiner Küche getan hatte.

      Plötzlich wurde er von hinten gepackt und zu Boden geworfen. Der Offizier trat mit dem Stiefel nach ihm und schlug ihm mit der Peitsche ins Gesicht. Die Stelle brannte, aber noch heißer brannte die Scham, die in Siegfried emporstieg.

      »Der Besatzungsmacht haben Sie sich zu beugen und den Befehlen Folge zu leisten!«, brüllte der Offizier mit zornrotem Gesicht.

      Siegfried antwortete nicht. Auch wenn er vor Angst zitterte und einen neuen Schlag mit der Peitsche fürchtete, blieb sein Stolz doch ungebrochen.

      Der Offizier trat ihm mit aller Gewalt in die Nieren und er krümmte sich vor Schmerz.

      »Sie sind verhaftet!«, bellte der Franzose. »Man wird Ihnen schon noch Manieren beibringen.«

      Er drehte Siegfried den Arm auf den Rücken, zog ihn zu sich herauf und führte ihn ab.

      5. Kapitel

      Deauville, Frankreich, 12. Januar 1923

      Michelle Didier wurde ihrer Mutter, Madame Legrand, immer ähnlicher. Hatte sie früher die strengen Ansichten ihrer Mutter verurteilt und war ein freidenkender und geradliniger Mensch gewesen, so hatten die letzten Jahre sie verbittern lassen und sie zu einer ewig nörgelnden und unzufriedenen Person gemacht.

      Schuld daran СКАЧАТЬ