Konrad P. Liessmann. Marion Fugléwicz-Bren
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Название: Konrad P. Liessmann

Автор: Marion Fugléwicz-Bren

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 9783907126387

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      Etwa die alte analoge Tonbandmaschine aus den 1980er-­Jahren, die eine Tonqualität hat, an die keine digitale Reproduktionstechnologie herankommt, allerdings antiquiert, un­praktisch, völlig unzeitgemäß ist. Ebenso wie der sündhaft teure Plattenspieler und die Vinyl-Plattensammlung, die eine ganze Regalwand füllt. Andererseits das topmoderne High-End-Streaming-Gerät, mit dem er alles machen kann, was auf der digitalen Ebene im Bereich der musikalischen Reproduktion möglich ist: «So spiegeln sich 100 Jahre Technik­geschichte in einer Ecke meines Wohnzimmers.»

      Die Sache mit der Bildung

      Diese Geschichte mit den fehlenden Begabungen kann ich immer noch nicht ganz glauben … murmle ich halblaut und schüttle den Kopf, während mein Blick über die Wände füllenden Bücher und Platten schweift … ohne entsprechenden Unterbau ist das alles hier doch unmöglich vorstellbar.

      «Es war aber so», bekräftigt der vermeintlich Unbegabte ernst. Der Vorkämpfer für die Bildung. Der Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Universitätsprofessor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien. Seine Ehrungen, Auszeichnungen und Publikationsnachweise lassen sich kaum aufzählen, in diesem Buch würden sie mehrere Seiten füllen. Sie reichen vom Wissenschaftler des Jahres (2006), über den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln (2003) zum Paul-Watzlawick-Ehrenring der Wiener Ärztekammer (2016), um nur wenige Beispiele herauszupicken. Sein aktueller Essayband heißt Bildung als Provokation (2017), mit dem Schriftsteller Michael Köhlmeier veröffentlichte er zuletzt das Buch Der werfe den ersten Stein. Mythologisch-philosophische Verdammungen (2019).

      «Es ist doch bestimmt so: Eine Möglichkeit zur Selbstmotivierung liegt darin, nach etwas zu suchen, mit dem man alles das, was man nicht kann, ausgleichen kann. Reine Kompensation.»

      Na ja… (denkt nach)

      «Wahrscheinlich habe ich durch diese sehr schnell sehr intensiv gewordene Leselust bestimmte sprachliche Fähigkeiten entwickelt … es mag auch sein, dass eine bestimmte Anlage zum argumentierenden und logischen Denken von Anfang an vorhanden war.»

      Wie viel wiegt das Wissen? Was weiß die Wissensgesellschaft?, wird Liessmann Jahrzehnte später in seinem Buch Theorie der Unbildung fragen, und er wird die rhetorische Geste hinter dem entlarven, was unter dem Titel Wissensgesellschaft propagiert wird: Weniger um die Idee von Bildung geht es dabei als um handfeste politische und ökonomische Interessen, und je mehr der Wert des Wissens beschworen wird, desto schneller verliert das Wissen selbst damit an Wert, und diese «Kapitalisierung des Geistes» mündet schließlich in Unbildung, denn:

      »Wer das Mittelmaß zum Maßstab macht, wird eben immer nur Mittelmaß produzieren.«

      «Bei allem, was Menschen heute wissen müssen und wissen können – und das ist nicht wenig! – fehlt diesem Wissen jede synthetisierende Kraft. Es bleibt, was es sein soll: Stückwerk, rasch herstellbar, schnell anzueignen und leicht wieder zu vergessen», und «… dass niemand mehr zu sagen weiß, worin Bildung oder Allgemeinbildung heute bestünden, stellt

      keinen subjektiven Mangel dar, sondern ist Resultat eines Denkens, das Bildung auf Ausbildung reduzieren und Wissen zu einer bilanzierbaren Kennzahl des Humankapitals degradieren muss».

      Seine Kritik am aktuellen Bildungssystem durch die Kapitalisierung des Geistes veröffentlichte er vor allem in Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft und dann auch noch in zwei weiteren Büchern, der Streitschrift Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung sowie schließlich in Bildung als Provokation. In Geisterstunde argumentiert Liessmann gegen die Pisa-Studie und greift Bildungsexperten an; ihre Reformvorschläge würden die Fehler des existierenden Bildungssystems noch verstärken. Auch die «Kompetenzorientierung» des Unterrichts kritisiert er, an deren Stelle eher eine Orientierung an reinen Inhalten stehen sollte. In der modernen Pädagogik und der neuen Campus-Kultur mit ihren Mikroaggressionen und «Trigger-Warnings» gelte Faktenwissen nicht mehr viel, die Gefühle und Befindlichkeiten der Betroffenen jedoch zählten alles.

      Wenn ich mir den jungen Schüler Konrad vorstelle, von dem er mir gerade erzählt hat, kann ich diesen nicht nur verstehen und seine Kritik aus ganzem Herzen nachvollziehen; ich kann mir auch gut vorstellen, warum der hoch angesehene Professor heute einerseits verehrt, andererseits massiv angefeindet wird. Und vor allem kann ich fast selbst fühlen, warum ihm das Thema Bildung so sehr am Herzen liegt.

      «Im digitalen Zeitalter bilden die Schulen in ihren Tablet-­Klassen Kinder und Jugendliche aber nicht zu mündigen Bürgern aus, die den totalitären Versuchungen der Internet-Konzerne widerstehen könnten, sondern machen sie zu deren Agenten», schreibt er etwa in DIE ZEIT.

      «Nein, Bildung allein kann eine Gesellschaft nicht verändern», bestätigt er meine traurige Vermutung. «Wohl aber kann sie dazu beitragen, jene Diskurse kritisch zu hinterfragen, die lautstark die realen Veränderungsprozesse, etwa im Bereich der Technologie, affirmativ begleiten. Diese haben mittlerweile das gesellschaftskritische Denken nahezu aufgezehrt.»

      Wie immer man es aber dreht und wendet: «Ob Bildung ein Selbstveränderungspotenzial in Hinblick auf Individuen oder Gesellschaften zugesprochen werden kann, hängt letztlich vom Mut ab, Bildung inhaltlich und normativ zu bestimmen. Solange Bildung formal als Durchlaufen von Zertifizierungsstellen oder Sammeln von Leistungspunkten definiert und auf den Erwerb von Kompetenzen und zeitgemäßen Kulturtechniken reduziert wird, erwächst aus diesen Bestimmungen weder eine notwendige noch eine mögliche Kraft zur Veränderung.» (Aus: Konrad Paul Liessmann, Bildung als Provokation).

      «Vielleicht sollte man, statt ständig schreckhaft auf die Ergebnisse von Evaluierungen und Pisa-Tests zu starren, einmal von der experimentellen Annahme ausgehen, dass es junge Menschen gibt, die womöglich gute Gründe haben, sich zu verweigern», sagt Liessmann in einem Interview mit Der Standard mit dem Titel Bildung macht nicht nur Spaß: «Wer nur Lesekompetenz erwerben soll, ohne dass ihm je überzeugend klargemacht wird, welche lesenswerten Bücher es gibt, wird wenig Freude am Lesen haben und diese Kompetenz bald wieder verlieren. Das ist eigentlich Betrug an jungen Menschen, denen das Beste unserer Kultur vorenthalten wird. Die Zentralmatura dokumentiert nur diese Misere, und sie erlaubt weder Lehrern noch Schülern, besondere Interessen oder Schwerpunkte zu demonstrieren. Wer das Mittelmaß zum Maßstab macht, wird eben immer nur Mittelmaß produzieren.»

      Aber vielleicht muss man jungen Menschen auch klarmachen, dass Bildung nicht nur Spaß macht: «Manche Bildungsverweigerer verweigern ja vielleicht auch deshalb, weil es zu wenig Spaß macht. Sie wachsen in einer Spaß-, Ablenkungs- und Zerstreuungskultur auf und kommen dann in eine Schule, in der es nicht nur Spaß gibt, und das gefällt ihnen nicht. Sie müssen auch lernen: Das Leben besteht nicht nur aus Spaß.»

      Technologie allein wird die Probleme unserer komplexen Welt allerdings nicht lösen können, meint er in einem Dialog mit dem österreichischen Genetiker, Forscher und Bioethiker Markus Hengstschläger (Die Zukunft ist überbewertet, 2016). Dieser nämlich beklagt, dass es zu wenige junge Menschen gebe, die sich für Studien der Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften entscheiden.

      »Leute, die nachdenken, kann es auch in Zukunft nicht zu viele geben.«

      Liessmann verweist in diesem Kontext auf die Bedeutung der Philosophie und bezeichnet sie als die «Mutter aller Wissenschaften und das Handwerkszeug für das Denken, welches seit der Antike versucht, Wirklichkeit zu erfassen und Kausalitäten zu erforschen – durch Nachdenken, aber auch durch empirische Beobachtungen und Experimente». Es reiche nicht aus, Probleme einzig und allein aus einer technologischen Lösungsperspektive zu behandeln und diese dann möglicherweise auch noch mit einer Naivität unhinterfragt einzusetzen. Deshalb bestehe die Notwendigkeit, dass Menschen sich auch in historischen, sozialwissenschaftlichen, kulturwissenschaftlichen Disziplinen СКАЧАТЬ