Название: Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 1 – Familienroman
Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Der neue Sonnenwinkel
isbn: 9783740927844
isbn:
»Das Herzblättchen war im Wasser«, sagte Roberta, »und wenn ich nicht zufällig hinzugekommen wäre, hätte es böse ausgehen können. Sie sollten in Zukunft besser auf Ihr Kind aufpassen.«
Für sie gab es hier nichts mehr zu tun. Sie hatte ein ganz anderes Problem.
Ihr Boot trieb ab!
Auch das noch. Sie hatte keine andere Wahl, als erneut ins Wasser zu springen und auf das Boot zuzuschwimmen.
Die Kindesmutter rief ihr etwas hinterher, doch das bekam Roberta schon überhaupt nicht mehr mit.
Sie hatte das Boot erreicht, hievte sich hinein. Dort blieb sie erst einmal sitzen, atmete tief durch.
Sie war pitschnass, um sie herum bildeten sich große Wasserlachen. Na klar, sie war schließlich in voller Montur ins Wasser gesprungen. Das war nicht schlimm, eines allerdings war dumm. Sie hatte vergessen, ihr Handy aus der Hosentasche zu nehmen.
Das tat sie jetzt.
Natürlich war es ebenfalls vollkommen nass, und im Inneren des Displays befand sich Wasser.
Ob es noch zu retten war?
Darüber machte Roberta sich jetzt keine Gedanken. Ein Handy war zu ersetzen, ein Menschenleben nicht. Wäre sie nicht zufällig hinzugekommen, dann wäre das Kind vor den Augen seiner Mutter ertrunken, und die hätte es nicht einmal bemerkt.
Es war alles so unheimlich schnell gegangen, dass Roberta nicht einmal wusste, ob sie einem Jungen oder einem Mädchen das Leben gerettet hatte. Sie war einzig und allein auf das fixiert gewesen, was in einem solchen Fall zu tun war.
Es fühlte sich gut an, rechtzeitig vor Ort gewesen zu sein, und es war beinahe so, als sei sie dorthin geführt worden, um das Kind zu retten.
Eigentlich hatte sie nicht in diese Richtung rudern wollen.
Nicki würde jetzt von Vorbestimmung oder so was reden, diesen Zwischenfall würde sie in ihrem nächsten Telefonat ausklammern, weil sie es mit den Fügungen, Führungen und Vorbestimmungen nicht so hatte.
Sie war zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen, zum Glück!
Roberta ruderte in eine Ecke, wo der See einen Knick machte, wo sich eine bewaldete Landzunge in den See schob. Dort ruderte sie dicht an das Ufer heran und begann, sich auszuziehen und ihre nassen Sachen auszuwringen.
Ihre Schuhe waren voller Wasser. Es platschte richtig, als sie das in den See kippte.
Die Schuhe konnte sie vergessen, die waren dahin, und die musste sie jetzt auch nicht mehr anziehen.
Es war sehr unangenehm, wieder die nassen Sachen anziehen zu müssen, aber sie hatte keine Wahl. Sie konnte schlecht nackt das Boot zurückbringen und dann nackt durch den Sonnenwinkel laufen.
Wie auch immer, da musste sie jetzt durch.
Ein bisschen peinlich würde die Begegnung mit dem Bootsverleiher werden. Roberta sah jetzt schon sein breites, spöttisches Grinsen, wenn sie, nass wie ein begossener Pudel, das Boot zurückbrachte.
Was sollte sie dem jungen Mann erzählen?
Dass sie ins Wasser gefallen war?
Dass sie mal kurz ausprobieren wollte, wie es sich anfühlte, voll bekleidet ins Wasser zu springen?
Nichts davon.
Sie würde gar nichts sagen. Mit Schweigen, mit den Mund halten, war sie bislang in ihrem Leben immer am besten gefahren.
Verrückt, dass ihr in diesem Augenblick ihre Freundin Nicki einfiel, die selbstverständlich auch dazu wieder einen Spruch auf Lager hätte zu »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.«
Sie entschied sich für Gold, und so ruderte sie zum Bootsverleih, stieg aus dem Boot, zog es an Land.
Er sah sie lange an.
Es war ganz erstaunlich, er sagte nichts, fragte nichts, machte keine dumme Bemerkung.
Als er sah, dass sein Boot in Ordnung war, erkundigte er sich nur: »Aber du kommst doch wieder?«
Roberta wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Mit einem derartigen Verhalten hätte sie nicht gerechnet. Das war ganz großartig und zeugte von Größe.
»Na klar, da kannst du Gift drauf nehmen«, erwiderte sie ganz cool. »Ich bin ja gerade erst wieder auf den Geschmack gekommen.«
Als sie bezahlen wollte, winkte er ab.
»Betrachte es als Probestunde.«
Sie bedankte sich, dann hatte sie es eilig. Nachdem sie sich verabschiedet hatte, versuchte sie schnell und möglichst unauffällig zu ihrem Haus zu kommen.
Das Glück war auf ihrer Seite.
Nur ein kleiner weißer Hund kam ihr kläffend entgegengerannt, wollte zur Begrüßung an ihr hochspringen, merkte, dass sie nass war. Er machte eine Kehrtwendung und lief wieder davon.
Roberta atmete erleichtert auf, als sie das Gartentor erreichte und ungesehen ins Haus laufen konnte.
Wenn sie jemand gesehen hätte, dann hätte es sehr schnell die Runde gemacht, dass die Frau Doktor ins Wasser gefallen sei.
Und, was Gerüchte so an sich hatten, jeder, der es weiter verbreitete, schmückte es aus.
Und es hätte Roberta überhaupt nicht gewundert, wenn ihr schließlich zu Ohren gekommen wäre, sie sei betrunken gewesen und in den See gefallen.
Gerüchte konnten ganz übel sein.
Es war alles gut gegangen, in jeder Hinsicht. Das Kind war viel zu kurz im Wasser gewesen, um dauerhaft einen Schaden davonzutragen, die Mutter würde künftig ganz gewiss besser auf ihr Kind aufpassen, und natürlich würde sie sich wieder ein Ruderboot ausleihen. Bis auf diesen Zwischenfall war es herrlich gewesen …
*
Damit der Zeitungsbote und der Briefträger nicht den langen Weg bis zum Haus machen mussten, hatten die Auerbachs ihren Briefkasten vorn am Gartentor anbringen lassen. Und Bambi hatte es übernommen, morgens die Zeitung aus dem Briefkasten zu holen.
Professor Auerbach war ganz heiß darauf, morgens seine Zeitung zu bekommen, das war ein lieb gewordenes Ritual. Doch ehe ihr Vater die Zeitung bekam, warf Bambi schon mal einen ersten Blick darauf, zumindest auf die erste Seite.
Spannendes war meistens nicht zu lesen, weil im Sonnenwinkel nicht viel geschah. Das konnte man so oder so sehen.
Eher aus Gewohnheit als mit einer Erwartungshaltung faltete Bambi die Zeitung auseinander, und dann blieb sie vor lauter Überraschung mit geöffnetem Mund stehen.
Das glaubte sie jetzt nicht.
Das konnte nicht wahr sein.
Sie sah ein Foto von Frau Doktor Steinfeld, wie die gerade ein Kind aus dem Wasser zog.
Und СКАЧАТЬ