Название: Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 1 – Familienroman
Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Der neue Sonnenwinkel
isbn: 9783740927844
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Und es war friedlich, und das Wasser, das gegen das Boot schlug, hatte eine einschläfernde Wirkung. Nicht nur das, all ihre Probleme, all der Ärger schienen ganz weit weg zu sein.
Roberta ruderte entspannt an der nicht bewohnten Seite des Sees entlang. Eine Spaziergängerin winkte ihr zu, sie winkte fröhlich zurück.
Ja, fröhlich!
Hier und jetzt beschloss Roberta, sich nicht unterkriegen zu lassen, sondern die Herausforderung anzunehmen. Es wäre doch gelacht, sie hatte bislang immer alles geschafft, warum nicht hier?
Schon wollte sie umkehren und das Boot zurückbringen, als sie plötzlich das Gefühl hatte, auch noch am bewohnten Teil des Sees vorbeirudern zu müssen.
Es war an überhaupt nichts festzumachen. Es war einfach nur ein Gefühl, was allerdings verwunderlich war, weil Roberta sich normalerweise nicht von ihren Gefühlen leiten ließ.
Ein bitterer Zug umspielte ihre Lippen.
Das hatte sie einmal gemacht, sich von ihren Gefühlen leiten lassen, obschon ihr Verstand direkt etwas anderes gesagt hatte. Damals bei Max. Das Ergebnis war bekannt.
Es würde wohl noch eine ganze Weile dauern, bis sie das alles hinter sich hatte. Es tat nicht mehr weh, aber die Enttäuschung saß einfach noch zu tief. Es ging nicht nur ihr allein so. Kein Mensch konnte seine Vergangenheit einfach zu den Akten legen oder wegwerfen wie ein altes Kleidungsstück.
Sie konnte es auf jeden Fall nicht, Erinnerungen tauchten immer wieder auf, manche waren schön, manche waren schmerzlich. Es war nicht alles schlecht gewesen, am Anfang war es wundervoll, doch das mochte auch daran gelegen haben, dass sie noch die rosarote Brille aufgesetzt hatte.
Vorbei!
Vorbei für immer, und es machte jetzt auch überhaupt keinen Sinn, sich wegen der vielen, unnütz vertanen Jahre zu grämen.
Die Zeit heilte alle Wunden. Daran wollte sie glauben.
Ein Vierer glitt an ihr vorüber, in dem junge Männer saßen, die ihr ein paar launige Worte zuriefen. Fast war sie geneigt, sich an sie dranzuhängen und ihnen zu zeigen, wie man es richtig machte. Vom Rudern verstanden sie nicht viel, aber sie hatten gute Laune, und das war ja schon mal etwas, und sie war nicht hier, um sich oder anderen Menschen etwas zu beweisen.
Hier und da war doch noch das eine oder andere Boot zu sehen. Ruderboote, Paddelboote. Segelboote waren nicht auf dem See, doch das lag einzig und allein daran, dass es beinahe windstill war.
Roberta konnte die Gefühle, die sie durchfluteten, überhaupt nicht beschreiben. Sie glitt pfeilschnell dahin, dann ließ sie sich wieder treiben. Sie hatte keine Eile.
Sie befand sich bereits in der Nähe des bewohnten Teils des Sees und überlegte gerade, ob sie nicht doch umkehren sollte, weil das andere, das Ursprüngliche, doch viel spannender war.
Sie gehörte weder zu den Menschen, die neugierig waren, noch zu denen, die gern Häuser besichtigten. Außerdem konnte man von denen auch nicht viel sehen, weil die teils hohen Bäume, mit denen der Uferweg bewachsen war, die Sicht auf die Häuser größtenteils versperrte, was für die Hausbesitzer auf jeden Fall von Vorteil war.
Wer ließ sich denn schon gern auf den Kaffeetisch oder ins Schlafzimmer blicken?
Roberta ruderte entspannt Richtung Ortsausgang.
Hier standen keine Häuser mehr, weil der Teil oberhalb des Wanderweges Naturschutzgebiet war, durch das man lediglich auf den freigegebenen Wegen spazieren durfte.
Nun gut, jetzt war sie schon ziemlich auf dem See herumgekreuzt, da musste sie das jetzt auch nicht mehr auslassen.
Aber danach würde sie das Boot zurückbringen. Sie war untrainiert und spürte bereits ihre Arme. Morgen würde sie einen ausgewachsenen Muskelkater haben. Um das zu wissen, musste man kein Prophet sein.
Sie ruderte auf das Ufer zu und entdeckte zwei junge Frauen, die sich angeregt unterhielten.
Die beiden mussten sich ja viel zu erzählen haben.
Vermutlich war das immer so, wenn Frauen aufeinandertrafen.
Wenn sie an sich und Nicki dachte, da gab es auch immer wieder Themen, die so spannend waren, dass sie darüber reden konnten, als gäbe es kein Morgen. Ach, Nicki, die fehlte ihr sehr, und sie würde gleich heute Abend alles dransetzen, sie zu beschwatzen, so schnell wie möglich zu ihr zu kommen.
Aber diese beiden schwatzsüchtigen Frauen waren jetzt nicht das, was sie sich länger ansehen musste. Sie wandte sich ab, blickte, warum auch immer, noch einmal zurück. Und dann glaubte sie, ihr Herz müsse stehen bleiben.
Roberta sah, wie ein kleines Kind unaufhaltsam den Hügel hinunterkletterte, sich gefährlich dem Ufer näherte.
Roberta begann zu rufen, zu winken.
Die Frauen unterhielten sich weiter.
Das Kind kam dem Wasser immer näher.
Roberta stand auf, das Boot schwankte ganz bedenklich. Sie schrie noch lauter, winkte noch heftiger.
Es war nicht zu fassen!
Eine der Frauen winkte doch tatsächlich zurück, ehe sie sich erneut ihrer Gesprächspartnerin zuwandte.
Das konnte wirklich nicht wahr sein!
Roberta setzte sich wieder hin, dann ruderte sie los, als gelte es, olympisches Gold zu gewinnen.
Auf das Ufer zu!
Dabei behielt sie das Kind im Auge, das immer schneller wurde, ganz offensichtlich fasziniert vom Wasser und den darauf schwimmenden Enten.
Und dann …
Roberta schloss für eine Schrecksekunde die Augen, als sie sah, wie das Kind ins Wasser stürzte.
Sie begann zu handeln!
Die beiden jungen Frauen standen noch immer gut gelaunt beieinander und unterhielten sich.
Es war nicht zu fassen.
Roberta sprang, ohne weiter zu überlegen, ins Wasser, schwamm auf das Kind zu und konnte es gerade noch packen, ehe es untertauchte.
Sie zog es nach oben, brachte es ans Ufer, und dort versuchte sie, es aus seiner Schockstarre zu befreien.
Das Kind kam zu sich, sah das fremde Gesicht und begann lautstark zu schreien. Roberta, die gut mit Kindern umgehen konnte, war nicht in der Lage, es zu beruhigen.
Das Geschrei bekamen endlich auch die beiden Frauen mit. Eine von ihnen, ganz eindeutig die Mutter, kam den Hügel hinuntergelaufen.
»Mein Herzblättchen, was machst du denn für Sachen?«, rief die junge Frau. »Du darfst doch nicht so nahe ans Wasser gehen. Du wärst hineingefallen, wenn die nette Dame das nicht verhindert hätte.«
Was war das denn jetzt für ein Film?
Roberta starrte СКАЧАТЬ