Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ Ich gab mir zu dieser Zeit Mühe, die Stimmung der armen weiblichen Bevölkerung auszuforschen. Ein Mädchen, das mit ihrer Mutter »für die Leute arbeitete«, wie man es nennt, aber noch nicht zu den Ärmsten gehörte, denn der Vater hatte noch einen kleinen Dienst, aber die Familie war auch groß, sagte damals: »Ja, verdenken kann man's den Fabrikarbeitern nicht, wenn sie anfangen – aber ich sag's immer, unsereins wird von den ›Großen‹ auch schlecht genug behandelt und darf sich doch nicht mucksen. Da haben wir vor drei Jahren mit an einer Ausstattung für vornehme Leute nähen helfen – und heute haben wir das Geld noch nicht – es sind neun Thaler, und die verdient man doch gewiß nicht im Schlafe!« Ich frage nach dem weitern, und die Nähterin erzählte, in wie glänzenden Verhältnissen die Leute lebten, die sie nicht bezahlten, und nannte noch manche andere, die geringere Summen schuldig waren, und alle in guten Verhältnissen und Ansehen. »Aber warum mahnen Sie denn da nicht?« fragte ich, und die Antwort war: »Ja, da wird sich unsereins noch ein Herz dazu fassen können – da tadeln sie dann noch die Arbeit hinterher, daß es nicht schön genug wär, – nennen einen unverschämt, und der Bediente führt einen zur Tür hinaus – man müßt's nicht erlebt haben; nein, wenn man auch arm ist, grob behandeln läßt man sich auch nicht gern. Und nachher gilt man noch als zudringlich – das kommt unter den Großen herum, da heißt's: die sind zu impertinent – und dann läßt niemand mehr bei einem arbeiten. – Ja der Vater spricht wohl: erst säßen wir Tag und Nacht und nähten – nachher hätten wir nicht einmal etwas davon, und lacht uns noch für unsern guten Willen aus.« – Ich riet ihr, doch gerade in diesen Tagen hinzugehen, wo die Besitzenden anfingen, Angst vor den armen Leuten zu haben, jetzt würde niemand wagen, sie grob zu behandeln – und sie könne sich ja mit den schlimmen Zeiten entschuldigen. – Ja, denn so ist es! wenn eine arme Arbeiterin ihr Recht verlangt der vornehmen Dame gegenüber, so muß sie sich erst noch entschuldigen! – Nach vielem Zureden entschloß sich das Mädchen zu dem schweren Gange, sagte aber, wie ihr das Herz klopfe und sie immer denke, sie tue ein Unrecht und sei zu zudringlich – so zartfühlend und schüchtern sind die armen Arbeiterinnen! – Aber dann kam sie sehr vergnügt nach Hause – sie war freundlich aufgenommen worden, die Dame hatte ihr das Geld gleich gegeben und gesagt, wie sehr leid es ihr tue, das ganz vergessen zu haben. – Das Letztere mochte nun wahr sein oder nicht – es läßt einen tiefen Blick in unsere sozialen Zustände tun – insbesondere auf das Los der weiblichen Arbeiterinnen. –

      (Schluß folgt.)

      Für die Arbeiterinnen (Schluß)

       Inhaltsverzeichnis

      Wie die Reichen die Armen vergessen – Das Glück einer Nähterin – Schneidermädchen – Die Reichen als Konkurrenten der Armen – Die Ehe eine Versorgungsanstalt – Demoralisation der Gesellschaft.

       (Schluß)

       Die Reichen haben der Armen vergessen! – Viele der wirklich Reichen haben keinen Begriff davon, was Armut ist und daß ein armes Mädchen, das nicht gerade zum Betteln gezwungen ist oder nicht wie eine Bettlerin aussieht, ein paar Thaler sehr notwendig brauchen kann. Die feinen Damen wissen auch oft nicht, wie lange an einer Nähterei gearbeitet werden muß, und statt es nach sich selbst zu beurteilen, was sie doch könnten, sagen sie: ja wir arbeiten natürlich lange an so etwas – aber bei denen, die den ganzen Tag nähen, fliegt die Nadel nur so hin – es ist unglaublich, wie viel sie in einem Tage fertig bringen. Denn das ist auch herkömmlich, daß der Reiche nie von sich auf den Armen schließt, sondern daß er diesen geradezu als ein ganz anderes Wesen, eine andere menschliche Gattung betrachtet denn sich. So kennen sie auch nicht die Sorgen und Bedürfnisse der Armen – ein paar Thaler oder Groschen, die er von ihnen zu fordern hat, sind so wenig, und eine solche Kleinigkeit wird deshalb oft wirklich vergessen. In diesem Vergessen aber selbst liegt der ganze Egoismus, die ganze Unnatur und Unmenschlichkeit der heutigen Gesellschaft. – Diejenigen nun, welche nicht so reich sind, sich aber doch den Schein des Reichtums und der Vornehmheit geben wollen, daher arbeiten lassen, was sie nicht bezahlen können und wollen, benutzen diesen nobeln Gebrauch – ehe sie bezahlen, warten sie ab, bis man sie mahnt – dann sagen sie wegwerfend: »Ach, diese Kleinigkeit habe ich ganz vergessen!« – Natürlich kommen bei solcher Gewohnheit die Schüchternsten und Schwächsten am schlechtesten weg – und das werden die armen Arbeiterinnen sein, die aus Zartgefühl nicht mahnen und die man auch im schlimmsten Falle nicht zu fürchten hat wie den Kaufmann oder Handwerker, der am Ende mit gerichtlichen Klagen droht, indes die Arbeiterin nur Tränen zu ihrem Fürsprecher hat. – Ja, so werden die Arbeiterinnen behandelt! – und wie müssen sie sich mühen!

      Glücklich sind diejenigen Mädchen, die, indem sie von weiblichen Handarbeiten leben, noch einer Familie angehören, so daß sie wohl, was sie verdienen, den Eltern oder Geschwistern mit zum Haushalt geben, oder doch nicht speziell dafür zu sorgen haben. Dann sitzen sie wenigstens in einer warmen Stube, und es wird zu einem warmen Mittagsessen eher Rat. Aber welches Glück? Eine fleißige Arbeiterin steht früh 5 Uhr auf und setzt sich gegen 6 Uhr an ihren Arbeitstisch – dann steht sie nicht eher auf als um 12 Uhr zum Mittagsessen – in längstens einer halben Stunde ist dies beendigt, und sie setzt sich gleich wieder hin – hat sie viel zu tun, so macht das Abendessen keine Unterbrechung, ein Stück Brot mit Salz kann neben der Arbeit gegessen werden – gegen 10 Uhr, oder je nachdem die Arbeit treibt, geht sie schlafen und sagt sich, daß sie heute vielleicht drei Neugroschen verdient hat. Und so Tag für Tag, Stich für Stich – die Gedanken stumpfen entweder ganz ab oder bleiben an den Sorgen hängen: wo wieder Arbeit herzubekommen, wenn diese fertig? und wird diese auch bezahlt werden? – Aber keine Träne darf in ihre Augen treten – dann möchte sie zu große Stiche machen – auch darf sie nicht durchs Fenster auf die Straße blicken – das wäre gleich eine Arbeitversäumnis. – Wie gesagt, eine Nähterin, die noch nicht ganz verlassen ist, kann ein solches Leben schon ertragen, dabei auskommen – aber wenn sie nun ganz allein steht? oder noch einen alten Vater, eine stumpfe Mutter mitzuerhalten hat? oder gar Kinder? Im erstern Falle ist sie noch besser daran, dann kann sie als Nähterin zum Ausbessern auf die Stube zu den Leuten gehen, da bekommt sie 2 Ngr. 5 Pf. und das Mittagsessen – so hat sie wenigstens dies und erspart Holz und Licht zu Hause, kann auch bis Tagesanbruch schlafen und ist abends von 8 Uhr an frei. Ist sie so glucklich, Schneidern gelernt zu haben, bekommt sie 5 Ngr., wohl auch 7 Ngr. 5 Pf. bis 10 Ngr. den Tag. Solche Mädchen haben unter den weiblichen Arbeiterinnen noch das glücklichste Los gezogen, aber sie haben in der Regel sich auch erst das Erlernen der Schneiderei müssen etwas kosten lassen. – Auch wird von ihnen schon eine gute Erziehung und feinere Bildung verlangt, wenn die gebildeten Familien sie in ihrer nächsten Umgebung sehen sollen. Die arm und unwissend aufgewachsenen Mädchen eignen sich daher zu diesem Geschäfte nicht. Die Schneidermädchen haben in der Regel auch keine Ursache zur Klage – nur eine Unsitte will sich hier und da in ihre Behandlung einschleichen – es ist die, sie nicht mit dem Feierabend um 8 Uhr zu entlassen. In manchen Familien wird ihnen zugemutet, länger, ja bis 9 und 10 Uhr zu arbeiten, wenn etwa ein Stück noch nicht vollendet ist. Es mag dies manchmal wünschenswert sein, aber dann haben die Mädchen auch das Recht, für diese Stunden, welche sie über den Feierabend arbeiten, Bezahlung zu fordern. – In unserer Familie geschah dies immer aus natürlichem Rechtsgefühl, ehe nur irgend von Emanzipation der arbeitenden Klassen die Rede gewesen war – wir mußten darüber Vorwürfe anderer wohlhabender Familien hören: wir verdürben die Schneidermädchen, indem wir sie verwöhnten – das Lied ist sehr alt. – Wenn diese Mädchen entlassen werden, so können sie sich im Sommer noch im Freien ergehen, in schlechter Jahreszeit für sich selbst arbeiten und ihr Los wird nicht unerträglich sein. Aber ich habe viele gekannt, die monatelang nicht vor die Stadt gekommen waren, weil sie bis in die Nacht bei den fremden Leuten aushalten mußten – auch nur, weil sie aus Bescheidenheit nicht zu sagen wagten: »ich will gehen« – was ihnen doch wirklich niemand verwehren konnte. Auch fürchtet immer eine jede: wenn ich zeitig gehe und andere bleiben, wird man mich nicht wieder wählen, sondern jene – und so bleibt sie aus Furcht, um sich selbst nicht zu schaden, zum Schaden aller. Hier СКАЧАТЬ