Das Glück ist immer da! Heitere Geschichten und Plaudereien. Otto Ernst Schmidt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Glück ist immer da! Heitere Geschichten und Plaudereien - Otto Ernst Schmidt страница 5

Название: Das Glück ist immer da! Heitere Geschichten und Plaudereien

Автор: Otto Ernst Schmidt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066113445

isbn:

СКАЧАТЬ denke doch.«

      Wir wurden durch den Schrei eines radschlagenden Pfauen abgelenkt, und ich machte keine Anstrengungen, das verlassene Thema wieder aufzunehmen. Und Roswitha schien zu fühlen: Für heute ist es genug. Man soll nichts forcieren.

      Die Lektüre seiner Kinder kann man nicht sorgfältig genug überwachen. Ich hatt' es daran fehlen lassen: Roswitha erwischte eine Geschichte mit einer Ziege darin. Es war »Heidi« von Johanna Spyri, gewiß eine nette Geschichte, wenn keine Ziege darin wäre, und wenn die nicht noch obendrein »Schneehöppli« hieße. Durch Namen fixieren wir die Begriffe, nageln wir sie in unserm Gedächtnis fest. Nun hatte Roswithens Sehnsucht einen Namen: »Schneehöppli«; nun saß die Sehnsucht fest.

      »Wenn ich verheiratet bin, dann kann ich doch tun, was ich will, nicht?«

      Sie nahm mein Schweigen für Bejahung.

      »– und wenn ich denn Ludwig heirate, denn kauf' ich mir 'ne Ziege, und die soll »Schneehöppli« heißen. Wenn ich Fritz heirate, der will drei Kinder haben; aber wenn ich Ludwig heirate, der will keine Kinder haben, denn schaff' ich uns 'ne Ziege an.«

      Von Zeit zu Zeit rückte der Termin des Ziegenkaufes ein tüchtiges Stückchen vor. »Wenn ich groß bin, denn kauf' ich mir –« und so weiter. –

      »Wenn ich nicht mehr zur Schule gehe und 'n ganzen Tag frei habe, denn kauf' ich mir –« und so weiter.

      Roswithens ältere Schwester Herta verdiente seit einiger Zeit Geld. Das kam so. Meine Frau und ich sind übereinstimmend der Meinung, daß selbst eine sauber gespielte Sonate von Beethoven und die Fähigkeit, »Comment vous portez-vous« und »I am very glad to see you« und solche gebildeten Dinge zu sagen, für den Lebenskampf eines Weibes nicht ganz ausreichen. Unsere Töchter lernen deshalb einen richtigen Beruf, und Herta interessierte sich lebhaft für den Haushalt. Sie trat bei ihrer Mutter in die Lehre und mußte von der Pike auf dienen, wenn man das Gerät, mit dem der Fußboden gescheuert wird, eine Pike nennen kann. Sie bekam den Namen »Minna«, wurde mit »Sie« angeredet und erhielt fünfzig Taler Lohn pro anno, und abgesehen davon, daß sie öfters der Herrschaft gegenüber einen etwas vertraulichen Ton anschlug und gelegentlich den Hausherrn küßte, füllte sie ihre Stelle redlich aus.

      »Wenn ich so groß bin wie Herta,« sagte Roswitha, »denn dien' ich auch bei euch, und denn verdien' ich auch Geld, und denn kauf' ich mir 'ne Ziege.« Sie mochte sich vorstellen, daß eine Ziege so einige tausend Mark koste, und wir hüteten uns schwer, dieses wohltätige Dunkel aufzuhellen.

      Gelegentlich vertauschte Roswitha die direkte Methode mit der indirekten. Sie redete dann nicht zu den Eltern, sondern zu den Geschwistern von Ziegen, natürlich nur, solange mindestens eines der Eltern in Hörweite war. Sie schilderte in lebendigen Farben das Werden und Wachsen, das Leben und Treiben, das Springen und Meckern – kurz: der Ziegen über alles bezaubernde Schönheit und Anmut. Gelegentlich streifte mich von unten herauf ein forschender Blick, den ich auch dann sah, wenn ich sie nicht anblickte, den ich mit jenen Augen wahrnahm, die man im Rücken und an beiden Seiten hat.

      Als einmal wieder die Weihnacht nahe war, kam es zu einem kleinen Vorpostengefecht. Roswitha wurde nach ihren Wünschen gefragt.

      »Mein höchster Wunsch ist ja natürlich 'ne Ziege; aber –«

      »Aber, Liebling,« rief meine Frau, »wie sollen wir denn hier in der Stadt eine Ziege halten! Wenn wir so ein Tierchen anschaffen, muß es doch auch sein Recht haben! Wo sollen wir's denn unterbringen!«

      »Hm,« machte Roswitha mit nachdenklichem Gesicht, »in der Küche kann sie ja nicht sein.«

      »Nein,« erklärte meine Frau entschieden, »in der Küche kann sie nicht sein!« Dieser Versuchsballon war geplatzt.

      »Das arme Tierchen würde sich gar nicht wohl fühlen bei uns,« versicherte meine Frau.

      Damit hatte sie die richtige Stelle in Roswithens Herzen getroffen. Nein, wenn es sich nicht wohl fühlte, dann ging's nicht, das sah sie ein, sah sie wenigstens für einige Monate ein. Länger dauern menschliche Einsichten ja selten, weil inzwischen das Zuckerrohr der Wünsche wieder mächtig herangewachsen ist.

      Unglücklicherweise mußte sie über den Robinson geraten. Hatte Heidi eine Ziege gehabt, so hatte Robinson eine ganze Insel voll wilder Ziegen, aus denen er sich nur aussuchen konnte. Ich bin überzeugt, der arme Verschlagene erschien ihr als der beneidenswerteste der Menschen, weil er in Ziegen förmlich schlampampen konnte.

      Und dann kaufte ich ein Haus auf dem Lande, und noch eh' wir's beziehen konnten, fuhren wir täglich hinaus und erquickten uns an der frischen, unverbildeten Natur, an den duftenden Hainen und Hecken, an den saftiggrünen Wiesen, auf denen man endlich einmal wieder unbekleidetes Rindvieh sah. Und endlich nahmen wir Besitz von dem Hause und dem stattlichen Garten, der vier mehr oder minder ansehnliche Rasenplätze aufwies. Wenn Roswitha jetzt mit ihren Geschwistern von Heidi, Robinson, Polyphem und ähnlichen Glückspilzen sprach, dann hatten ihre Blicke etwas Bohrendes, Sengendes; sie gingen durch Rock und Hemd bis auf die Haut, wie die Sonnenstrahlen aus einem Brennglas.

      Um ein Ende zu machen, schenkten wir ihr einen Dackel namens Männe. Einen Hund zu beherbergen, zu pflegen und zu zügeln, dazu reichten unsere Erfahrungen und tierpädagogischen Talente allenfalls aus. Dieser Dackel verschaffte uns endlich Ruhe. Das klingt zwar widerspruchsvoll, ist aber doch richtig; die Seele hatte Ruhe.

      Ruhe für ein Jahr und fünf Monate. Dann wurde uns klar und klarer, daß Hunde nur als eine Abschlagszahlung auf Ziegen anzusehen sind. Vielmehr: Roswitha betrachtete Männe nur als die Summe der aufgelaufenen Zinsen; der Wechsel war so unbezahlt wie je.

      Ein Unglücksbengel aus dem Dorfe mußte ihr eines Tages erzählen, er könne ihr eine kleine Ziege für eine Mark fünfzig verkaufen.

      Aufgelöst kam Roswitha nach Hause.

      »Vater! Mutter! 'ne Ziege kostet bloß eine Mark fünfzig! Ich hab' ja fünf Mark in mei'm Spartopf; darf ich mir eine holen?«

      »Liebe Roswitha, es ist nicht wegen der Mark fünfzig; eine Ziege braucht doch auch einen ordentlichen Stall, und den haben wir nicht, können wir in unserm Garten auch gar nicht anbringen.«

      Damit war auch dieser Angriff abgeschlagen.

      Eine Woche später, auf einem Spaziergange, zwang sie mich plötzlich, meinen Schritt anzuhalten.

      »Vater, möchtest du dies Haus haben?«

      »Nicht geschenkt!« versetzte ich mit Nachdruck. Es war eine sogenannte »Villa« im denkbar schauerlichsten Maurermeisterstil.

      »Ich möcht' es haben!« hauchte sie sehnsuchtsvoll.

      »Nanu?« rief ich. Ich sah mir unwillkürlich den Zementphantasieschrank noch einmal an. »Warum denn?«

      »Dahinter ist 'n Stall,« sprach sie andachtsvoll.

      Das Verhängnis ging seinen Gang wie in einem Schicksalsdrama. Nachbarkinder, mit denen Roswitha gelegentlich spielte, bekamen eine Ziege zum Geschenk.

      Das hatte ein Gutes: wenn Roswitha weder im Hause noch im Garten zu finden war, wir brauchten uns nicht zu ängstigen, wir brauchten nur zu der nachbarlichen Ziege zu gehen, da war sie. Sie mußte von der Ziege weg zum Essen, sie mußte von der Ziege weg ins Bett geschleift werden.

      Und eines Morgens beim СКАЧАТЬ