Название: DIE KLAUE - Der Kannibale von New York
Автор: Robert W. Walker
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die Fälle der Jessica Coran
isbn: 9783958353800
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Er versuchte, es sich in seinem neuen, vorübergehenden Büro bequem zu machen, schaltete den Softrock-Sender ein, der gerade ein Medley von Gordon-Lightfoot-Hits spielte, das mit seinem Lieblingslied If You Could Read My Mind endete. Er hätte gern die Gedanken der Klaue lesen können und auch die von Dr. Jessica Coran, wo er schon dabei war. Dachte sie wirklich, sie konnte in den Kopf dieses Killers sehen? Vielleicht hatte sie bei Mad Matisak in Chicago einfach Glück gehabt; Zufälle und Glück spielten schließlich oft eine große Rolle bei Ermittlungen und der Polizeiarbeit. »Son of Sam« Berkowitz wurde geschnappt, weil ihm ein eifriger Cop einen Strafzettel ausgestellt hatte, was einfach nur unverschämtes Glück gewesen war. Rychman glaubte allerdings, die meisten erkannten einen glücklichen Zufall nicht, weil sie nicht darauf eingestellt und nicht aufmerksam genug waren, besonders, was Gewöhnliches und Alltägliches anging. Vielleicht war es bei der Gerichtsmedizinerin Coran anders. Sie schien eine gute Beobachtungsgabe zu haben.
Er dachte einen Moment darüber nach, wie hübsch sie war, während im Radio die Verkehrsmeldungen liefen und als Nächstes die Nachrichten angekündigt wurden. Er hatte begonnen, seine Post und einige Akten zu überfliegen, die auf seinem Schreibtisch verstreut lagen, als Lou Pierce hereinkam, mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht. Rychman und Lou arbeiteten seit fast sieben Jahren zusammen und er wusste, wenn Lou aufs Klo musste, wenn er Zahnschmerzen hatte oder wenn er mit schlechten Neuigkeiten zu ihm kam.
»Da steht was in der Times, das Sie sehen sollten, Captain.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendwas in der Times lesen will, Lou. Zumindest noch nicht.«
»Das kann nicht warten, Captain. Der Polizeichef ist unterwegs und der Bürgermeister war die ganze Nacht wach.«
»So schlimm, ja?«
Lou ließ sich auf den Stuhl ihm gegenüber und die Zeitung vor seinem Captain auf den Tisch fallen, alles in einer flüssigen Bewegung. Er schien im Stuhl zu versinken, schloss die Augen und tat so, als würde er schlafen. »Ich hab was über Selbsthypnose gelesen, Captain«, sagte Lou. »Ständig wird einem gesagt, wie wichtig es ist, sich zu entspannen – für die Gesundheit, den Körper, die Seele, ich meine …«
Lou hielt die Augen fest geschlossen, als er sprach, und Rychman überflog die Titelstory. Der Autor war der mittlerweile bekannte Reporter Jim Drake III.
Die Überschrift war vernichtend: 6. Klauen-Mord – Polizei ahnungslos, kein Verdächtiger, keine Spuren.
»Ich habʼs erst neulich in dieser Talkshow Donahue gehört. Da waren ein paar Ärzte eingeladen und die haben alle betont, wie wichtig es ist, dass man lernt, sich zu entspannen. Die haben gesagt, wenn man sich nicht entspannt, dann kriegt man noch ein Magengeschwür, Herzprobleme oder landet im Irrenhaus oder alles drei zusammen.«
Rychman war alles andere als entspannt, als er den Artikel weiterlas, und sein Zorn steigerte sich mit jedem Wort. Er war jetzt etwa bei der Mitte der Story angekommen, wo er als fragwürdige Wahl für den Leiter der Sonderkommission bezeichnet wurde, die von der Stadt aufgestellt worden war, um das Grauen zu beenden.
Und der Schweinehund erwähnte tatsächlich eine Kneipenschlägerei, die sechzehn Jahre her war, und außerdem Rychmans kontroverse Scheidung inklusive der dazugehörigen Schlammschlacht.
»Verflucht«, murmelte er, »verdammt noch mal.« Er stellte sich vor, wie Dr. Jessica Coran den Artikel gerade in ihrem Hotelzimmer bei einer Tasse Kaffee las.
»Man muss die Quelle bedenken«, sagte Lou vorsichtig.
Rychman stand auf, stieß dabei seinen Kaffee um, fluchte und knallte die Zeitung so heftig auf den Tisch, dass Blätter in alle Richtungen flogen. »Lou, die Quelle ist mir klar. Ich würde die verdammte Quelle gern aufhängen. Ich will, dass für alle in diesem verfluchten Gebäude ein Schweigegebot gilt, verstanden, Lou?« Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als der Bürgermeister, Commissioner Eldritch und Dr. Jessica Coran durch die Tür traten.
Sie steht also auch gern früh auf, dachte er, als er sie über den chaotischen Schreibtisch hinweg ansah. Lou versuchte hastig, die ganzen verstreuten Zettel einzusammeln und den immer noch vom Schreibtisch tropfenden Kaffee aufzuwischen.
Rychman unternahm keinen Versuch, seinen Zorn zu verbergen. Jeder wusste mittlerweile, dass die Presse es anscheinend auf Alan Rychman abgesehen hatte. Aber er beruhigte sich lange genug, um zu sagen: »Ich nehme an, Sie haben die Zeitung gelesen.«
»Dieser Bastard lässt uns wie Idioten aussehen«, meinte Commissioner Eldritch.
Der Bürgermeister Dan Halle kam direkt zum Punkt, so wie es seine Art war. Rychman mochte das. Halle machte sich Sorgen, welches Bild von seiner Amtsführung und der Polizei entstand, aber er schien auch ernsthaft über die Situation an sich besorgt zu sein. Alan Rychman hatte bei früheren Gelegenheiten erfahren, dass der Bürgermeister die Fakten und Details der Klauen-Morde ganz genau verfolgt hatte. Er wusste, womit sie es zu tun hatten. »Alan, mir macht zu schaffen, dass wir bisher in diesem verdammten Fall keinen wirklichen Durchbruch erzielt haben. Wir müssen endlich irgendwelche Fortschritte vermelden können. Deswegen hab ich das FBI hinzugezogen und die haben Dr. Coran geschickt.«
Der Polizeichef war nicht ganz so geradeheraus, und während Coran nickte und meinte, sie hätten sich bereits getroffen, meinte Carl Eldritch: »Deswegen wurden Sie ausgewählt, um die Taskforce zu leiten, Alan.«
Rychman merkte, wann er angelogen wurde. Der Polizeichef wollte seine Stelle behalten und Alan war eine echte Bedrohung für ihn, das wussten sie beide. Dieser Fall konnte eine Karriere begründen oder beenden, das war Eldritch klar, und er wusste außerdem, dass die Abteilung bislang mit leeren Händen dastand. Er setzte darauf, dass Rychman und seine Kollegen genauso unfähig sein würden, wie die Presse sie darstellte. Er fuhr fort und Rychman wunderte sich, dass er sich nicht an seinen Lügen verschluckte. »Es tut mir leid, dass ich gestern nicht an zwei Orten gleichzeitig sein konnte, als Dr. Coran ankam. Der Bürgermeister wollte auch gern dort sein, aber die Umstände erlaubten es nicht …«
»Nachdem die Umstände so sind, wie sie eben sind, verstehe ich das völlig«, erwiderte Rychman mit einem bissigen Unterton. »Keine Sorge, alles ist unter Kontrolle und das Getriebe hat sich in Bewegung gesetzt, stimmtʼs, Lou?«
Pierce war ruhig geblieben und unbemerkt zur Tür geschlichen. Er wollte gerade verschwinden, als Rychman die Frage stellte.
Er steckte den Kopf wieder durch die Tür und sagte: »Absolut … alle Hebel sind in Bewegung gesetzt. Und ich darf vielleicht noch hinzufügen, Sir, dass jeder von der Taskforce voller Enthusiasmus und hoffnungsvoll bei der Sache ist.«
»Gut, gut«, sagte der Bürgermeister, »wir brauchen all den Enthusiasmus, den wir für diese schreckliche Aufgabe aufbringen können.«
Lou verschwand durch die Tür.
Rychman tauschte einen Blick mit Jessica Coran. Lou hatte das Radio ausgemacht und die Unordnung beseitigt, die Rychman angerichtet hatte, er verhielt sich wie ein hingebungsvoller Diener oder eine treue Ehefrau.
»Es muss angenehm sein, einen so loyalen Adjutanten zu haben«, sagte sie.
»Loyalität ist wichtig für mich.«
»Also«, unterbrach der Polizeichef, »wie sehen Ihre Pläne im Moment aus, Captain Rychman?«
»Pläne?«
»Um СКАЧАТЬ