Der Mann im Mond. Wilhelm Hauff
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Название: Der Mann im Mond

Автор: Wilhelm Hauff

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066118983

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СКАЧАТЬ das Licht der

       Laterne wehte seine Schatten her und hin, die alten verblichenen

       Banner, die an der Mauer hingen, rollten sich auf und bewegten ihre

       zerfetzten Bilder an der schwach beleuchteten Wand.

      Jetzt brauste der Sturm auf in gewaltigen Stößen. Krachend stürzte ein Fenster des Chors auf die breiten Quader des Bodens, daß der Schall durch die Halle tönte und—mit fürchterlichem Lachen des Wahnsinns fuhr der am Altar auf und sprang die Stufen hinan. Gellend tönten diese hohlen Töne der Verzweiflung durch die Gewölbe. "Er kann nicht herein, er kann nicht herein zu mir," schrie er, "darum hat er die Wolken aufgezäumt, auf dem Sturmwind reitet er um die Kirche, ça ça! Holla, Antonio—wie schäumt das Purpurblut deiner Wunde! Rase, tobe durch die Lüfte, du kannst doch nicht herein zu meiner Freistatt!"

      Der Sturm legte sich, ferner und ferner rollte der Wind, und säuselnd zog die Nachtluft durch die Kirche. Der Mond schien freundlich durch die hellen Scheiben, und mit des Sturmes Toben schien auch der Sturm in Emils Brust gewichen zu sein. "Seht Ihr," sprach er wehmütig und zeigte an die vom Mond beschienenen Fenster hinauf, "seht Ihr, wie er so ernst und zürnend auf mich herabsieht! Kannst du denn nicht vergeben, Antonio?"

      Immer leiser wurde seine Klage, bis er weinend am Altare niedersank. Jetzt stand der alte Diener, dem während der schrecklichen Szene die Tränen in den grauen Wimpern gehangen, von seinem Sitze auf und unterstützte seinen Herrn. Er wischte ihm den kalten Schweiß von der Stirne und die Tränen aus dem gebrochenen Auge und flößte ihm aus einer kristallenen Phiole mildernde Tropfen ein.

      Der Ohnmächtige richtete sich wieder auf, hüllte sich tiefer in seinen Mantel und schritt durch die Kirche.

      Der alte Diener aber trat zu dem Küster. "Ich danke, Alterle," sagte er, "du hast jetzt gesehen, daß wir nichts Unrechtes in deinem Gotteshaus gemacht haben; dafür halte aber reinen Mund! Und wenn du niemand ein Sterbenswörtchen hören lässest von dem, was du hier gesehen und gehört hast, so kommen wir vielleicht morgen und manche Nacht wieder, und du sollst pflichtgemäß deinen Harten haben."

      "Das kann sich unsereiner schon gefallen lassen," antwortete der Küster im Weitergehen; "so viel merke ich, daß Euer Herr entweder nicht richtig unter dem Hut ist, oder daß er mit dem Gottseibeiuns hier Versteckens spielt. Nun, hier, denke ich, soll er ihn nicht holen; kommt nur morgen nacht wieder! Was das Stillschweigen betrifft, so seid außer Sorgen, von mir erfährt es kein Mensch, vor allem meine Ursel nicht: denn ich denke: was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß."

      Der alte Diener lobte den Entschluß des Küsters und nahm am Portal mit einem Händedruck von ihm Abschied. "Ist doch schade um ein so junges schönes Blut," brummte dieser vor sich hin, indem er seinem Häuschen zuschritt; "so jung und hat schon Affären mit Herrn Urian. Nun, er soll ihn immer noch ein Halbjährchen reiten; um die harten Taler kann man zur Not so guten Wein kaufen, als die Freilinger Maurermeister hatten, um den Kalk zu meinem Münster festzumachen."

      * * * * *

       Inhaltsverzeichnis

      Es schlug ein Uhr, als der Fremde und sein Diener von dem Münster zurück über den Marktplatz gingen. An den Fenstern des erleuchteten Museums drängten sich Gestalten an Gestalten geschäftig hin und her, verworrenes Gemurmel vieler Stimmen tönte herab auf den stillen Platz, hie und da zeigten laute Ausbrüche der Fröhlichkeit, mit Trompeten vermischt, daß eine Gesundheit oder ein Toast ausgebracht worden sei.

      "Robert!" begann der Graf, "ich will noch einmal hinaufgehen; die süßen Töne der Flöten, die klagenden Klänge der Hörner haben etwas Beruhigendes für mich, und mitten im Gewühl der fröhlichen Menge vergesse ich vielleicht auf Augenblicke, daß ich unter den Glücklichen der einzige Unglückliche bin."

      Umsonst bat der alte Robert seinen Herrn, er möchte doch seine Gesundheit bedenken und sich jetzt zur Ruhe legen; er schien es gar nicht zu hören, schweigend warf er in der Haustüre den Mantel ab, gab ihn dem Alten und eilte die Treppe hinan. Kopfschüttelnd folgte ihm der Diener; hatte er doch seit einer langen, traurigen Zeit nicht bemerkt, daß sein armer Herr Freude an rauschender Lustbarkeit hatte; es mußte etwas Eigenes sein, das ihn noch einmal dahinauf zog; denn wenn er sich sonst auch in das fröhlichste Gewühl gestürzt hatte, so war er doch immer nach einem halben Stündchen wieder zurückgekommen. Und heute hatte er ihn sogar an die Stunde mahnen müssen; heute ging er zu einer Zeit, wo er sonst, erschöpft von Kummer und Unglück, dem Schlaf in die Arme geeilt war, noch einmal auf den Tanzboden. "Gott gebe, daß es zu seinem Heil ist!" schloß der treue Diener seine Betrachtungen und wischte sich die Augen.

      Der Saal war noch leer, als Emil oben eintrat, nur die Musikanten stimmten ihre Geigen, probierten ihre Hörner und ließen die Schlegel dumpf auf die Pauken fallen, um zu sondieren, ob das tiefe C recht scharf anspreche; mittendurch netzten sie auch ihre Kehlen mit manchem Viertel; denn ein ellenlanger Kotillon sollte den Ball beschließen. Löffel- und Messergeklirr, das Jauchzen der Anstoßenden tönte aus dem Speisesaal. Ein schwermütiges Lächeln zog über Emils blasses Gesicht; denn er gedachte der Zeiten, wo auch er keiner fröhlichen Nacht ausgewichen war, wo auch er unter frohen, guten Menschen den Becher der Freude geleert und, wenn kein liebes Weib, doch treue Freunde geküßt hatte und mit fröhlichem Jubel in das allgemeine Millionenhallo und Welthurra der Freude eingestimmt hatte; unter diesen Gedanken trat er in den Speisesaal. In bunten Reihen saßen die fröhlichen Gäste die lange Tafel herab; man hatte soeben die hunderterlei Sorten von Geflügel und Braten abgetragen und stellte jetzt das Dessert auf. Gewiß, man konnte nichts Schöneres sehen, als die Präzision, mit welcher die Kellner ihr Dessert auftrugen; die Bewegungen auf die Flanken und ins Zentrum gingen wie am Schnürchen, die schweren Zwölfpfünder der Torten und Kuchen, das kleinere Geschütz der französischen Bonbons und Gelees werde mit Blitzesschnelle aufgefahren; in prachtvoller Schlachtordnung, vom Glanz der Kristallüsters bestrahlt, standen die Guß-, Johannisbeeren-, Punsch-, Rosinentorten, die Apfelsinen, Ananas, Pomeranzen, die silbernen Platten mit Trauben und Melonen. Aber Hofrat Berner hatte sie auch eingeübt, und den ungeschicktesten Kellnerrekruten schwur er hoch und teuer, in acht Tagen so weit bringen zu wollen, daß er, einen bis an den Rand gefüllten Champagnerkelch auf eine spiegelglatte silberne Platte gesetzt, die Treppe heraufspringen könne, ohne einen Tropfen zu verschütten, was in der Geschichte des Servierens einzig in seiner Art ist. Wenn die Festins, die er zu arrangieren hatte, herannahten, hielt er auf folgende Art völlige Übungen und Manoeuvres: Er setzte sich in den Salon, wo gespeist werden sollte, ließ eine Tafel zu dreißig bis vierzig Kuverts decken, und wie den Rekruten ein fingierter Feind mit allen möglichen Bewegungen gegeben wird, so zeigte er ihnen auch Präsidenten, Justizräte, Kollegiendirektoren, Regierungsräte und Assessoren mit Weib und Tochter, Kind und Kegel und mahnte sie, bald diesem ein Stück Braten, jener eine Sauciere zu servieren, bald einem Dritten und Vierten einzuschenken und dem Fünften eine andere Sorte vorzusetzen; da sprangen und liefen die Kellner sich beinahe die Beine ab; aber—probatem est—wenn der Tag des Festes herannahte, durfte er auch gewiß sein zu siegen. Wie jener große Sieger, der nur mit feierlichem Ernst die Worte sprach: "Heute ist der Tag von Friedland!" oder "Sehet die Sonne von Austerlitz!" so bedurfte es von seinem Munde auch nur einiger ermahnenden, tröstlichen Hindeutungen auf frühere Bravouren und gelungene Affären, und er konnte darauf rechnen, daß keiner der zwanzig Kellnergeister über den andern stolperte oder ihm die Aalpastete anstieß, aber daß sie mit Sauce und Salat einander anrannten, purzelten und auf den Boden die ganze Bescherung servierten.

      Mit dieser Präzision war also auch heute die Tafel serviert worden; der Nachtisch war aufgetragen, die schweren Sorten, als da sind Laubenheimer, Nierensteiner, Markobrunner, Hochheimer, Volnay, feiner Nuits, Chambertin, beste Sorten von Bordeaux, Roussillon СКАЧАТЬ