Der Mann im Mond. Wilhelm Hauff
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Название: Der Mann im Mond

Автор: Wilhelm Hauff

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066118983

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      Nur er wußte, warum alles warten mußte; keinem Menschen, soviel man ihn auch mit Schmeichelwörtchen und schönen Redensarten bombardierte, vertraute er ein Sterbenswörtchen davon; er lächelte nur still und geheimnisvoll vor sich hin und ließ nur hie und da ein "werdet schon sehen"—"man kann nicht wissen, was kommt" fallen.

      Wir wissen es übrigens und können reinen Wein darüber einschänken: Präsidents Ida war vor wenigen Stunden aus der Pension zurückgekommen; er, der alte Hausfreund, war zufällig dort, als sie ankam; er hatte nicht eher geruht, bis sie versprochen hatte, das ganze Haus in Alarm zu setzen, das Blondenkleid, in welchem sie bei Hofe war präsentiert worden, ausbügeln zu lassen und auf den Ball zu kommen. Wie spitzte er sich auf die langen Gesichter der Damen, auf die freundlichen Blicke der Herren, wenn er die wunderschöne Dame in den Saal führen würde; denn kennen konnte sie im ersten Augenblicke niemand.

      Wo hatte nur das Mädchen die Zeit hergenommen, so recht eigentlich bildhübsch zu werden? Als sie vor drei Jahren abreiste, wie besorglich schaute da der gute Hofrat dem Wagen nach! Er hatte sie auf dem Arm gehabt, als sie kaum geboren war; bis zu ihrem vierzehnten Jahre hatte er sie alle Tage gesehen, hatte sie früher auf dem Knie reiten lassen, hatte sie nachher, trotz dem Schmollen der Präsidentin, zu allen tollen Streichen angeführt. Er liebte sie wie sein eigenes Kind; aber er mußte sich vor drei Jahren doch gestehen, daß ihm angst und bange sei, was aus dem wilden Ding werden solle, das man da in die Residenz führe, um sie menschlich zu machen.

      Denn wollte man ein Mädchen sehen, das zur Jungfrau und fürs Haus völlig verdorben schien, so war es Präsidents Wildfang; einen solchen Unband traf man auf zwanzig Meilen nicht. Kein Graben war ihr zu breit, kein Baum zu hoch, kein Zaun zu spitzig; sie sprang, sie klimmte, sie schleuderte trotz dem wildesten Jungen; hatte sie doch selbst einmal heimlich ihren Damensattel auf den wilden Renner ihres Bruders, des Leutnants, gebunden und war durch die Stadt gejagt, als sollte sie Feuer reiten! Dabei war sie mager und unscheinbar, scheute vor jeder weiblichen Arbeit, und der einzige Trost der gnädigen Mama war, daß sie Französisch plappere wie ein Stärchen und daß, trotz ihrem Umherrennen in der Märzsonne, ihr Teint dennoch trefflich erhalten sei.

      Aber jetzt—!

      Nein, was war mit diesem Mädchen in den kurzen drei Jahren eine Veränderung vorgegangen! Wenigstens um einen Kopf war sie gewachsen, alles an ihr hatte eine Rundung, eine zarte Fülle bekommen, die man sonst nicht für möglich gehalten hätte; das Haar, das sonst, wie oft man es auch kämmte und an den Kopf hinsalbte, der wilden Hummel in unordentlichen Strängen und Locken um den Kopf flog, war jetzt der herrlichste Kopfputz, den man sich denken konnte. Die Augen waren glänzender, und doch fuhren sie nicht, wie ehemals, wie ein Feuerrädchen umher, alles anzuzünden drohend. Die Wangen bedeckte ein feines Rot, das bei jedem Atemzug in alle Schattierungen von zartem Rosa bis ins Purpurrot wechselte; das liebe Gesichtchen war oval und hatte eine Würde bekommen, über die der staunende Hofrat lächeln mußte, so sehr er sie bewunderte.

      Dieses Götterkind, diesen Ausbund von Liebenswürdigkeit, erwartete der Hofrat; dem guten alten Junggesellen pochte das Herz beinahe hörbar, wenn er an sein Gold-Idchen dachte. Wie mußte sie erst im Ballkleide aussehen, wenn sie ihn in dem Reiseüberröckchen und in der Haube à la jolie femme beinahe närrisch machte; wie mußte sie erst strahlen, wenn sie, wie sie ihm versprochen, die Haare nach dem allernagelfunkelneuesten Geschmack, die schöne Stirne und den schlanken Hals, die wie aus Wachs geformten Partien, welche die handbreiten Brüsseler Kanten umziehen sollten, mit dem Amethystschmuck schmückte, den sie von ihrer Pate, der Fürstin Romanow, geschenkt bekommen hatte. Ihm, ihm hatte sie mit all jener Herzlichkeit, mit der sie früher versprochen, einen Spaziergang mit ihm zu machen oder ihn, den Einsamen, zu besuchen, wenn er krank war, jetzt als Königin des Festes die erste Polonäse zugesagt.—

      Immer verdrießlicher wurden die Damen, immer ungestümer mahnten die Herren den alten Maître de plaisir; schon seit einer halben Stunde stimmten die Musikanten, daß man vor dem Quieken der Klarinette, vor dem Brummen der Bässe sein eigenes Wort nicht hörte, —er gab nicht nach. Da rasselte ein Wagen über den Marktplatz her und hielt vor dem Flügeltor des Museums.

      "Das sind sie," murmelte der Hofrat und stürzte zum Saal hinaus; bald darauf öffneten sich die Flügeltüren, und der kleine freundliche Alte schritt am Arm einer jungen Dame in den Saal.

      * * * * *

       Inhaltsverzeichnis

      Aller Augen waffneten sich mit Lorgnetten und Brillen. Wer konnte das wunderschöne Mädchen sein, so hoch und schlank mit dem königlichen Anstand, mit dem siegenden Blicke, mit der kräftigen Frische des jugendlichen Körpers? Sie nickte so bekannt nach allen Seiten, als käme sie alle Tage auf Freilinger Bälle und Assembleen; und doch kannte sie niemand. Doch ja! Da kommt ja auch der alte Präsident, wahrhaftig! Es kann niemand anders sein als Präsidents Ida!

      Aber wie herrlich war dieses Knöspchen aufgegangen! "Welcher Anstand!" bemerkten die Herren. "Welche Figur! Welcher Nacken! Wahrhaftig, man möchte ein Mückchen oder noch etwas Wenigeres sein, nur um darauf spazieren zu gehen." "Welcher Schmuck, welche Spitzen, welche Stickerei an dem Kleid!" bemerkten die Damen und wünschten sich weit weg; denn wie sollten sie ihre Fähnchen, die sie doch ihr gutes Geld gekostet, ihre Blumen, die sie selbst gemacht und für wundervoll gehalten hatten, neben diesen italienischen Rosen und Astern, die eben erst aus den Gärten der Hesperiden gepflückt zu sein schienen, neben diesen Kanten sehen lassen, von welchen die Elle vielleicht mehr wert war als eines ihrer Ballkleider, nebst Schneiderskonto und Fasson! Nein, Berner, der arge Berner, hätte ihnen keinen schlimmern Streich spielen können, als diese Ida gerade heute einzuführen. Aber man mußte sich Gewalt antun; der Präsident machte das erste Haus in der Stadt, war der gewaltige Herrscher der Provinz, eine glänzende Aussicht auf Thés dansants, Soupers, Hausbälle und dergleichen eröffnete sich vor den schnell berechnenden Blicken der Damen; wehe der, die dann nicht mit Ida bekannt war oder sie sogar kalt empfangen hatte! Man wußte, daß dies der Herr Papa Präsident nie verzeihen würde; man nahm sich zusammen, und in kurzem war die Gefeierte von allen jungen und alten Damen umringt, welche Glück wünschten, alte Bekanntschaft erneuerten und nebenbei dies und jenes von dem hoffähigen Anzug spickten. Alle redeten zumal, keine wurde verstanden, und die Herren fluchten und schimpften ein Donnerwetter über das andere, daß sich eine so dichte Wolke vor diese kaum aufgegangene Sonne gedrängt und sie ihrem Anblick entzogen habe.

      Jetzt zog Hofrat Berner das weiße Sacktuch, schwenkte es in der Luft und gab dem Kapellmeister und Stabstrompeter der Dragoner das Zeichen, und eine herrliche Polonäse begann. Im Nu stoben die Glückwünschenden auseinander und machten Raum für die Assessoren, Leutnants, Sekretäre, jungen Kaufherren, Jagdjunker, die glücklicherweise noch nicht versagt waren und sich jetzt um einen Walzer, eine Ekossäse oder gar den Kotillon mit Ida die Hälse brechen wollten. Sie aber lachte, daß die Schneeperlen der Zähne durch die Purpurlippen heraussahen, behauptete, sich immer nur auf eine Tour zu versagen, hüpfte dem Hofrat entgegen und reichte ihm die kleine Hand.

      Selig, gerührt, begeistert stellte er sich mit seinem holden Engelskinde an die Spitze der Kolonne und marschierte unter den mutigen, lockenden Tönen der Polonäse stolzen Schrittes gegen das wohlunterhaltene feindliche Tirailleurfeuer, das von vorn, von den Flanken, überallher aus den Mündungen der Lorgnetten auf seine Tänzerin sprühte. Aber diese,—war sie kurzsichtig, hatte sie statt des Korsettchens einen Kürassierpanzer von feinstem Stahl mit der Musketenprobe um das Herzchen, oder war sie das Feuer so gewohnt wie die alte Garde, die, Gewehr im Arm, im Paradeschritt durch das Kartätschenfeuer marschierte? Ich weiß nicht; aber sie schien gar nicht auf die schrecklichen Ausbrüche der gebrochenen Herzen, auf die Knallseufzer der Verwundeten zu hören; das Plappermäulchen ging so ruhig СКАЧАТЬ