Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 99

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

isbn:

СКАЧАТЬ

      »Noch mehr, Hans?«

      »Das auf der nächsten Seite auch noch, Ahnfrau.«

      Die Greisin wandte das Blatt und las: »Darf man wohl die Heiligen verehren und anrufen?«

      »Ja freilich,« begann der Knabe.

      »Nicht wahr ist's,« unterbrach ihn die alte Frau ärgerlich.

      »Ja freilich,« wiederholte der Knabe; »nicht zwar auf eben jene Weise wie Gott, sondern in einem weit geringeren Maße, nämlich als liebste Freunde Gottes und unsre Fürbitter bei ihm.«

      »Nicht wahr ist's,« murrte die alte Frau.

      »Aber, Ahne, verzeiht, hier ist's doch ganz deutlich gedruckt!« Und er stand auf, der Großmutter die Stelle zu zeigen.

      »Nicht wahr ist's,« murrte die alte Frau zum drittenmal.

      »Und der Herr Dechant hat's uns doch auch ganz genau erklärt, Ahnfrau –?«

      Da ging ein listiges Lächeln über das runzelige Gesicht; sie klappte das Buch zu, streichelte den blonden Enkelsohn und drückte ihn sachte auf den Schemel. Dann beugte sie sich vor und flüsterte ihm geheimnisvoll ins Ohr: »Hab' ich dich schon einmal angelogen, Hans?«

      Der Knabe schüttelte heftig das Haupt.

      »Nun hör auf mich!« flüsterte die Greisin, und ihre Augen funkelten. »Das ist jetzt eine böse, geschwinde Zeit, und wenn der Dechant die Heiligen unsre Fürbitter nennt, und wenn's auch in solchen Büchern gedruckt ist, so schweig du nur fein stille und denke dir, das gilt fürs Volk, fürs unvernünftige. Und wenn du's etwa selber aufsagen mußt, sag's ruhig auf und denke dir dabei, das gilt fürs Volk, fürs unvernünftige; mein, des Hans von und auf Zant Fürbitter ist der Herr Christus allein, und ich, der Hans von und auf Zant, brauche die Heiligen samt und sonders nicht.«

      »Ich, der Haus von und auf Zant brauche die Heiligen samt und sonders nicht,« murmelte der Knabe.

      »Die sind nur fürs unvernünftige Volk,« wiederholte die Greisin mit Nachdruck.

      »Die sind nur fürs unvernünftige Volk, ich aber bin ein Edelmann,« sagte der Knabe.

      »Wir brauchen sie nicht. Aber schnaufen darf man nicht von solcher Wissenschaft in dieser bösen, geschwinden Zeit,« warnte die Greisin.

      »Wir Zantner brauchen die Heiligen nicht, aber wir dürfen nicht schnaufen davon,« sagte der Knabe mit großer Wichtigkeit.

      »Hast du mir sonst noch etwas aufzusagen, Hans?«

      »Nein, Ahnfrau.«

      »Dann geh – und merke dir's, nicht schnaufen von deinem Geheimnis!«

      »Nicht schnaufen, Ahnfrau!« –

      »Verzeih mir's Gott, aber ich – ich kann mir nicht anders helfen,« flüsterte Frau Barbara von Breuning, als ihr Enkelkind hocherhobenen Hauptes mit seinem Geheimnis aus der Thüre ging.

      »Du, Ruth?«

      »Ich, Ahnfrau.«

      »Und was willst du denn?«

      »Ich – ich gehe nach Ursensollen, Ahnfrau.«

      Die alte Frau sah scharf herüber. »Und was ist daran Besonderes?«

      »Ich – ich möchte von Euch Abschied nehmen, Ahnfrau.«

      »Abschied nehmen? Seit wann ist's denn Brauch, daß man vor einem Nachmittagsbesuche Abschied nimmt voneinander?«

      Ruth sank vor der Ahnfrau in die Kniee und küßte die schmalen, mageren Hände: »Ich kann nicht anders.«

      »Da hör' ich nu rein gar nichts,« murmelte diese und kämpfte mit dem Weinen und schnitt ein grimmiges Gesicht. »Ist's wohl schön Wetter draußen, was?«

      »Ein strahlend schöner Tag,« sagte Ruth.

      »Könnt' schöner sein, hast recht, Kind. 's ist nimmermehr schön, hier ist's nicht schön, und ich denk' mir, wenn jemand anderswohin geht, ist's auch nicht schön. 's ist nirgend auf der Erde mehr schön. Also wird's gleich sein, wo einer bleibt.«

      »Der Herr Vater ist auf der Birsch, und der armen Frau Mutter kann ich nichts sagen,« flüsterte Ruth.

      »Oft hör' ich und oft hör' ich nicht,« murmelte die Greisin.

      »Der Herr Vater –,« wollte Ruth aufs neue beginnen.

      »I, laß doch, Ruth, ist oft besser, man hat gar nichts gehört,« unterbrach sie Frau Barbara von Breuning. »Nach Ursensollen willst also? Ja, fürchtest dich denn nicht, so allein?«

      »Drunten, abseits in Stocka wartet er mit den Pferden, Ahnfrau.«

      »Einen Stab und Stecken nimmst mit? So, so.«

      »Drunten in Stocka –,« begann Ruth verwundert.

      »Einen guten Stab und Stecken, jawohl, mein Kind, im finsteren Thal,« sagte die alte Frau mit Nachdruck. »Jetzt hab' ich auf einmal gar keine Angst mehr um dich. Ist merkwürdig, oft hör' ich und oft hör' ich nicht. Aber das mit dem Stab und Stecken, das weiß ich ganz gut – ganz gut.«

      »Er mit seinen Pferden aus Happurg, Ahne!«

      »Ganz gut weiß ich's, das vom Stab und Stecken, und ist mir auch gar nicht mehr Angst um dich. Aber freilich, Ruth, es könnt' ein schweres Wetter kommen über dich –!«

      »Sieht nicht aus danach, Ahnfrau.«

      »Freilich, Ruth, es könnt' ein Wetter kommen; gewiß, Ruth, es wird ein Wetter kommen, nicht eines nur, sondern viele Wetter. Hängt immer der Himmel voll von Wettern, Ruth, wenn wir's auch nicht sehen, in dieser bösen Zeit.«

      Ruth barg das Haupt im Schoße der alten Frau. Diese aber legte die Hände auf ihren Scheitel und murmelte schluchzend unverständliche Worte.

      »Laß mich aufstehen, Ruth! So –!«

      Sie humpelte an ihre Truhe, hob den Deckel und sagte: »So dumm hat's mir neulich geträumt, es sei auf einmal einer durchs Fenster hereingestiegen, hab' mir den Kragen umgedreht und aus dem Kasten da drinnen eure Sparbüchsen gestohlen.«

      Sie kramte in der Tiefe, schnaufte heftig und zog einen großen Topf heraus. »Da hab' ich mir nun beim Aufwachen vorgenommen: ›Die sieben Spartöpfe giebst du fortan dem Zantner zum Aufbewahren; wär' ja doch schade, wenn dir einer den Kragen umdrehte von wegen des Mammons.‹ Und wie's halt so geht mit guten Vorsätzen, von einem Tag zum andern hab' ich's dann wieder aufgeschoben.«

      Sie humpelte auf ihre Enkelin zu.

      »That immer so gerne einen Batzen hineinlegen in den Topf. Aber alles Ding hat seine Zeit, und so denk' ich mir, die Ruth ist nun alt genug und kann wohl auch den Schatz selber aufbewahren. Da, Ruth!« Und sie flüsterte: »Ich wollt', es wäre mehr. Aber dreißig Thaler können's leicht sein.«

      »Na, Ruth, was hast СКАЧАТЬ