Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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      Um dieselbe Zeit aber las der Zantner diesen Befehl des kurfürstlichen Regiments: »Wiewohl sich Deine Tochter Ruth wegen ihrer Konversion noch etwas halsstarrig erweiset und von ihrer vermeinten Religion nicht weichen will, so haben wir sie doch dergestalt dimittiert, daß Du sie bei Dir behalten und, daß sie nicht allein die Gottesdienste fleißig besuche, sondern auch sich informieren lasse und in dem ihr von den patribus zugestellten Buche eifrig lese, daran sein, sodann inner vierzehn Tagen sie wiederum zur Kanzlei hereinschaffen sollest, damit ihre progressus vernommen werden mögen. Verlassen wir uns, zu geschehen. Amberg, den 28. Juli 1629.«

      Flucht.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war eine warme Nacht. Die Fenster in des Zantners Museum standen offen. Die Sterne flimmerten über der ruhenden Erde, und die Heimchen zirpten an allen Ecken und Enden.

      Der Zantner stand vor seinem Pulte, stützte die Arme auf die Pultplatte und sah vor sich hin. Das Licht eines Wachsstockes flackerte im Luftzuge und malte tiefe Schatten auf sein runzeliges Gesicht. An der Thüre lehnte Ruth.

      »Es wird nichts andres übrig bleiben, mein Kind.«

      »Ich gehe nicht mehr nach Amberg, Herr Vater.«

      »Es ist Regimentsbefehl, Ruth.«

      »Und was kann mir geschehen, wenn ich ihm nicht gehorche, Herr Vater?«

      »Dann lassen sie dich durch den Einspännig vorführen, Ruth.«

      Das Mädchen schwieg, und die Heimchen zirpten.

      »Gieb ihn auf, den Hansjörg!« sagte der Zantner plötzlich und kam langsam heran.

      »Niemals, Herr Vater.«

      »Du gehst uns allen ab, mein liebes Kind; es ist sehr einsam ohne dich auf dem Zant.«

      Der alte Mann legte die Hand auf ihre Schulter.

      Sie faltete die Hände unter der Brust, ihre Lippen bebten, ihre Augen füllten sich mit Thränen, sie starrte auf das geliebte Antlitz, sie stöhnte: »Ich kann nicht, Herr Vater.«

      »Ruth, liebe Ruth, was kannst du gegen die Gewalt? Komm Ruth, lache dieser Thoren, beuge dich und mache dich frei!«

      »Frei, Herr Vater? Und seid Ihr denn – frei?« kam es zögernd und angstvoll von ihren Lippen.

      Da nahm der Zantner sein Kind an der Hand und führte es zum Fenster: »Siehst du den glänzenden Stern da droben, meine Ruth?«

      »Ja, Herr Vater.«

      »Denkst du noch daran, mein Kind, wie oft wir miteinander zu den Sternen gesehen haben in stillen Nächten?«

      »Ja, Herr Vater.«

      »Und glaubst du, mein Kind, daß wir allein heute nacht emporblicken zu diesem strahlenden Sterne?«

      »Es mögen hier und dort Menschen in den Ländern hinaufsehen zu ihm, Herr Vater.«

      »Und sie alle werden ihn auf dem gleichen Punkte sehen, Ruth?«

      »Dem einen scheint er höher, dem andern tiefer zu stehen, Herr Vater, je nach dem Grade.«

      »Scheint, mein Kind – nicht?«

      »Scheint, Herr Vater.«

      »Und auf alle, Ruth, flimmert sein Licht ja doch hernieder aus der gleichen, unfaßbaren Ferne?«

      »Ich weiß nicht, was Ihr wollt, Herr Vater.«

      »Und unveränderlich in seinem Wesen funkelt es herab, mein Kind, ob nun hier ein Mensch zu ihm hinaufsieht aus hellen Augen oder dort einer aus blöden Augen – nicht?«

      »Ja, Herr Vater. Doch mir wird angst, und ich fürchte mich.«

      »Fürchten, Kind? Ich will dir hinüberhelfen über deine Furcht, meine Ruth!« flüsterte der Zantner. »Glaubst du, die ewige Gottheit, die diesen armen Stern geschaffen hat, verändere sich, wenn die blöden Menschen sagen: hierher stelle dich zum Gebete oder hierher oder hierher?«

      »Die Gottheit nicht, aber doch wir, Herr Vater,« stammelte Ruth und trat zurück. »Herr Vater, so wollt Ihr auch, daß ich von meinem Glauben abtrete?«

      »Ich will dir das Wesen der Gottheit und den Unverstand der Menschen künden, meine Ruth.«

      »Und was soll ich in meiner Schwachheit viel über solche Religionssachen disputieren, Red' und Antwort geben und solche Hoheiten Gottes ergründen können, Herr Vater?«

      »Du sollst frei werden, mein Kind.«

      »Frei, Herr Vater?«

      »Du sollst das Wesen der Gottheit ahnen, die hoch über unserm Erdenleide wohnt in ungezählten Sternenfernen.«

      »Ihr irrt, Herr Vater,« antwortete Ruth mit bebendem Munde. »Mein Gott und Heiland ist mir so nahe, daß ich's gar nicht sagen kann. Das von den ungezählten Sternenfernen verstehe ich nicht. Und was hülfe mir auch ein Gott, der so weit von mir wohnte?«

      »So wirst du niemals frei werden.«

      »Aber ich will ja nicht frei werden, Herr Vater!« schrie sie mit thränenerstickter Stimme. »Ach, in allem beuge ich mich vor Euch. Aber das, was Ihr mir sagen wollt, Herr Vater, das dürfte wohl eher zu meiner Verzweiflung als zu meiner Befreiung führen.«

      »Ich will dich beten lehren aus freiem Herzen, Ruth.«

      »Beten, Herr Vater?« Sie hielt inne und sah den kleinen, grauen Mann flehend an. »Ach, Ihr habt ja auch in guten Zeiten niemals gebetet mit uns, Herr Vater!«

      Der Landsasse war allein inmitten seiner Bücher und schritt rastlos auf und nieder, bis die Sterne verblichen und das Frührot erglühte.

      *

      Etliche Tage waren vergangen.

      Die Sonne stand hoch am Himmel, und auf den Feldern unter dem Zant schnitten sie das Korn.

      »Ahnfrau, Katechismus abhören!« sagte der zwölfjährige Zantner auf der Schwelle des Stübleins.

      »Ei der Tausend, bist du über Nacht ein Bauernbub geworden?« fragte die Greisin.

      »Ahnfrau, bitte schön, wollet mir den Katechismus abhören!« sagte der Knabe verlegen und schloß die Thüre hinter sich.

      »So ist's recht, junger Edelmann!« lächelte sie und nahm das Buch. Der Knabe rückte einen Schemel herbei und setzte sich zu Füßen der Greisin.

      »Was verbietet das erste Gebot?« fragte diese, hielt das Buch weit ab von den Augen und studierte die Zeilen.

      Der Knabe faltete die Hände: »Es verbietet und verdammet Abgötterei, Zauber und Wahrsagekunst, Aberglauben und allerlei Gottlosigkeit.«

      »Und СКАЧАТЬ