Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ »Es könnte sein – ich vermute – es ist mir, als ob der Jägergardist Grenkel unsern Mägden beistehe – ja wohl, ich glaube, meine liebe Frau läßt heute Bettfedern schleißen, und da hilft er.«

      »Und wo ist Unser Leutnant?« forschte grollend der Graf.

      »Der Leutnant von Tibaldi ist über Land, ins Preußische gefahren,« meldete der Hauptmann.

      »Und warum ist Unser Leutnant von Tibaldi über Land ins Königlich preußische Territorium gefahren?« Der Graf bebte nun vor Zorn.

      »Halten zu Gnaden, hochgräfliche Exzellenz, des Leutnants Frau Tochter ist von einem Knaben entbunden worden, und da feiert der Leutnant die Taufe seines Enkelsohnes,« bekannte der Hauptmann.

      Allgemach waren aus den Haustüren ringsumher die Leute gekommen und erlustierten sich, wie der alte Herr die Schau hielt über seine Truppen. Da wandte sich dieser und sah in einiger Entfernung hinter sich einen großen Haufen Menschen stehen. Vor diesem Haufen aber stand der Schneider Koram mit der roten Mütze auf dem Schädel.

      »Gute Leute, was wollt ihr denn eigentlich? Haltet doch nicht Maulaffen feil am hellen Alltag, sondern geht an eure Hantierung!« rief der Graf.

      Die guten Leute standen unbewegt; der eine und der andere stieß seinen Nachbarn in die Seite, der Schneider Koram aber warf seine rote Mütze empor und fing sie geschickt wieder auf.

      Ängstlich trippelte der Kanzleidirektor an den Regierenden heran und wagte es, höchstdenselben am Ärmel zu zupfen.

      Zornig drehte sich der Graf um: »Was unterstehst du dich, Blitz?«

      »Wollen Eure hochgräfliche Exzellenz gnädigst bedenken, daß der gemeine Pöbel heutigen Tages leicht in Versuchung kommt, den Respekt zu verletzen.«

      Der alte Herr wurde braunrot, riß seinen Hut vom Kopfe und schleuderte ihn aufs Pflaster: »Wer will sich unterstehen, den Respekt gegen Uns zu verletzen?«

      Der Kanzleidirektor, der Hauptmann, die drei Soldaten samt dem Trommler stürzten sich auf den Hut und balgten sich im Knäuel um die Ehre, ihn aufzuheben. Der Trommler aber blieb Sieger und präsentierte den hochgräflichen Hut auf der Trommel. Der Kanzleidirektor trat keuchend zurück, faltete die Hände und flüsterte bebend: »Kein Mensch gedenkt den Respekt zu verletzen, hochgräfliche Exzellenz. Doch es könnte sein, daß das aufgeregte Volk –«

      Der alte Herr stampfte: »Unser Volk hat nicht aufgeregt zu sein! Und wenn es dennoch aufgeregt ist, dann haben meine Beamten ihre Pflicht verletzt, und das Weitere wird sich finden.«

      Noch immer stand der Kanzleidirektor mit gefalteten Händen, noch immer warf drüben vor dem großen Menschenhaufen der lange Koram seine Mütze in die Luft und fing sie auf, und die Leute murmelten und lachten. Da klang vom Bachtor herauf der Hufschlag trabender Pferde, und zwei Reiter bogen um die Ecke.

      »Gott sei gelobt, der Herr Erbgraf!« rief der Direktor.

      Mit einem Blick übersah der jugendliche Herr den Menschenhaufen, die Soldateska und seinen greisen Vater, sprang vom Pferde, warf dem Reitknechte die Zügel hin und ging mit langen Schritten zum Brunnen hinüber.

      Als er an den Haufen der Bürger kam, rief er mit heller freundlicher Stimme sein Gutentag hinein. Da griffen sie alle an die Kappen und machten ihm Platz. Nur Koram wandte ihm geflissentlich den Rücken und stülpte die rote Mütze über die Ohren.

      Die Soldateska präsentierte das Gewehr, und der Kanzleidirektor machte seine Kniebeuge. Aber heftig winkte der junge Herr ab, trat mit gezogenem Hut vor seinen Vater und sagte ganz leise: »Schlechte Nachrichten, Herr Papa. Morgen werden die Franzosen hier sein. Zunächst Infanterie. Aber ich bitte dringend, die Nachricht vorderhand noch geheim zu halten.«

      »Später, mein Sohn!« rief der alte Herr. »Zuerst muß ich abrechnen mit diesen Revolutionären –!«

      »Aber ich bitte Sie, Herr Papa, wer revoltiert denn?« begütigte der Sohn mit leiser Stimme. »Und wollen wir nicht lieber etliche Schritte abseits gehen? So, nun hört uns niemand, ehrerbietigsten Dank.«

      »Ich habe diesem Pack da befohlen, sie sollen heim gehen,« sagte der Graf; »aber sie gehen nicht heim. Und das ist eine Revolution.«

      »Aber ich bitte Sie untertänigst, Herr Papa, die Leute haben Höchstihren Befehl gewiß nur nicht verstanden.«

      »Ich will ein Exempel statuieren!« Der alte Herr stampfte. »Vor achtzig Jahren hat mein Großvater den Bürgermeister dieser Stadt auf diesem Marktplatze höchsteigenhändig mit seinem Stocke durchgeprügelt, weil er den Hut nicht tief genug vor ihm gezogen hatte, – und ich sollte – –«

      »Vor achtzig Jahren!« sagte der Erbgraf mit eindringlicher Betonung.

      »Und siehst du, wie der lange Kerl da drüben seine rote Mütze immer wieder in die Höhe wirft? Was hindert mich, daß ich ihn –?«

      Der Erbgraf war ganz nahe an den Zornigen herangetreten: »Wie ist mir doch, Herr Papa? Ich weiß einen guten Spruch: Aquila non curat muscas. Aber ist es nötig, daß der Sohn den Vater an seinen eigenen vielerprobten Wahlspruch erinnere?«

      Betroffen sah der regierende Herr zu Boden. »Recht hast du, Geschmeiß ist's,« murmelte er. »Und um Geschmeiß darf sich der Adler nicht kümmern.«

      »Geschmeiß habe ich keineswegs gesagt,« flüsterte der Erbgraf. »Aber das sage ich, der Herr Papa hat jetzt Besseres zu tun, als sich mit einem Schneider auseinanderzusetzen, der höchstdemselben ja noch nicht im geringsten zu nahe getreten ist.«

      »Du hast recht, zu nahe ist mir der Schneider allerdings noch nicht getreten. Aber wenn er mir zu nahe träte?«

      »Und ich habe dem Herrn Papa so wichtige Nachrichten zu bringen, daß ich bitten muß, mich mit in den Wagen zu nehmen. Wir müssen fliehen, Herr Papa – aber nicht vor diesen da!« Er deutete mit den Augen rückwärts auf das neugierige Volk.

      »Fliehen?« Der alte Herr stand mit offenem Munde. »Wer kann mich zum Fliehen zwingen?«

      »Menschen nicht, aber die Ereignisse,« flüsterte der Erbgraf.

      Und also fuhren Vater und Sohn durch das Städtchen zum Schlosse empor.

      Der alte Graf war bleich und saß gebeugt auf dem seidenen Kissen. Der Erbgraf hatte alles berichtet, was er wußte, saß mit gekreuzten Armen und starrte finster vor sich hin.

      Nach einer Weile sagte des regierenden Herrn Exzellenz: »Du hast heute den Rappen geritten?«

      »Jawohl.«

      »Der Rappe ist vorderhand noch mein Leibpferd, Herr Sohn.«

      »Um Vergebung, der Rappe ist das schnellste Pferd in Ihrem Stall; es war Gefahr im Verzug, und ich dachte, mit meinen fünfunddreißig Jahren doch –«

      »Fünfunddreißig Jahren? Vorderhand bestimme ich noch die Wahl deiner Reitpferde. Vorderhand. Wenn ich einmal modere in meiner Gruft, dann kannst du die Bestimmung treffen nach deinem Belieben.«

      »Wie Sie befehlen, Herr Papa.«

      *

      Das Licht der Nachmittagssonne fiel gedämpft durch drei hohe Fenster in das geräumige Wohngemach СКАЧАТЬ