Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's. Assing Ludmilla
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Читать онлайн книгу Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's - Assing Ludmilla страница 8

СКАЧАТЬ der, wie ihn die Leute auch beschelten mögen, mir ein guter Vater war, und mich aufstreben ließ, frei und ungezwängt, gleich den Tannen in unserm Park. An seiner Seite zu Pferde, oder im leichten Jagdwagen, wenn der Hirsch verfolgt wurde, war es mir oft, als müßten Flügel mir an beide Schultern wachsen, so leicht und rein rollte in mir das muthige Leben! Daheim horchte ich den Erzählungen der Reisenden und klugen Männer, welche meinen Vater besuchten, und von fremden Ländern und Menschen sprachen, oder ich las Geschichte mit meiner alten, würdigen Erzieherin. Denn, Dank sei es denen, welche über mein Geschick geboten, nichts Gemeines und Eitles durfte mich berühren, und ich erinnere mich noch, daß in meinem Zimmer der Spiegel fehlte. Welt und Vorzeit umgaben mich wie ein schönes, sinnvolles Mährchen, in dessen Mitte ich, allen Helden und Weisen vertraulich nahe, liebe Tage hinspann.«

      »Nun erschien jener große Winter mit seinen Eis- und Leichenfeldern, mit seinem Stadt- und Herzensbrande! Meines Vaters Entschluß war sogleich gefaßt, als die ersten Zuckungen des wiedererwachenden Lebens sich verspüren ließen. Obgleich, nach der Sitte seiner Jugend, gern die fremde Sprache redend, war er ein deutscher Mann und Edelmann geblieben; sein Herz hatte bei dem Jammer des Vaterlandes oft geblutet. Wir zogen, damit er thätiger eingreifen könnte, auf eine Zeitlang nach der großen Stadt, welche der Heerd des heiligen Feuers war. Was schwatze ich Ihnen vor? Sie waren ja selbst dabei, haben selbst die Waffen getragen. Welche Tage! Welche Gefühle! Nun waren Rom und Griechenland und die Ritterzeit kein Mährchen mehr für mich, alles Größte strahlte wiedergeboren im grünen, frischen Lichte mich an. Mein Mädchenherz wollte mir oft die Brust zersprengen, wenn ich bis Mitternacht, ja bis an den frühen Morgen die Binden zuschnitt, welche das Blut der Wunden hemmen sollten. Ich weinte, daß mein Vater reich war, daß ich nicht auch mich genöthigt sah, mein Haupthaar auf dem Altare der allgemeinen Begeisterung zu opfern. Nie, nie kann ich das vergessen, und wenn die ganze Welt umher in Zweifel und Klügelei starr wird, so soll der Busen einer armen Frau wenigstens ewig das Fest der Erinnerung feiern!«

      »Sie war aufgestanden und ging mit großen Schritten durch das Zimmer. Ihre Züge hatten sich verklärt, sie glich einer Priesterin, einer Velleda. Nach einer Pause, während welcher ihr Antlitz vom herrlichsten Angedenken wie durchsichtig zu werden schien, stand sie still und rief: Ja, wenn es eine Liebe je auf Erden gegeben hat, so habe ich geliebt! Und o des Glücks! Die zärtlichste Empfindung war nur eins mit der heiligsten und größten! Im Waffenschmuck trat er mir entgegen, dem Kampfe sich entgegensehnend, in den er nach wenigen Wochen zog. Mild war er und edeln Zornes zugleich voll, nie hat ein reineres tugendhafteres Herz unter dem Rocke des Kriegers geklopft. Er war wie ein Verschlagner von einer fernen seligen Insel unter uns Andern. Die Augen pflegte er zu senken, als erliege seine Seele unter ihrer eignen Größe. Stumm war unsre Liebe und ohne Erklärung. Nur, als ich ihm beim Abschiede die Feldbinde reichte, verstanden sich unsre Blicke. Er zog dahin und ich sah ihn nicht wieder.«

      »Er trug, wie alle jugendliche Frühlingsherzen, die Todesahnung im Busen. Sein einziger Wunsch war, in deutscher Erde zu ruhn, er schauderte vor dem Gedanken, fern unter den Fußtritten des feindlichen Volkes vermodern zu müssen. Das Schicksal ist oft grausam, es kann uns nicht allein das Leben, wie wir es wünschen, sondern auch den Tod, wie wir ihn zu sterben würdig gewesen wären, versagen. Nicht in einer der großen herrlichen Befreiungsschlachten fiel mein Freund, nein, vereinzelt, seiner Schaar nachgeblieben, wurde er von umherstreifendem Gesindel auf dem fremden Boden erschlagen. Ich erfuhr seinen Tod, noch ehe die Nachricht davon zu mir gelangte. In der Nacht aus tiefem Schlummer ohne vorhergegangnen Traum emporschreckend, sah ich das blutige Haupt des Ermordeten am Fuße meines Lagers aufsteigen, und alsobald auch wieder verschwinden. Augenblicklich wußte ich um meinen ungeheuren Verlust, aber zugleich durchdrang mein Herz ein unvergänglicher Trost, der es so ganz erfüllte, daß ich mich kaum erinnere, damals geweint oder sonst getrauert zu haben. Nur jetzt, nach manchem Jahre fließen meine Thränen zuweilen. Als die Ruhe hergestellt war, beschäftigte uns Alle, die wir ihn geliebt hatten, sein Wunsch. Ein treuer Gefährte seiner Tage machte sich endlich in der Stille auf, scheute nicht Mühe noch Gefahr unter dem noch immer schmerzlich empörten Volke, fand die Grube, in welcher man den Körper verscharrt hatte, kaufte die theuren Reste los, und brachte sie in die Heimath.«

      »Sie näherte sich einer schmalen, länglichen Kiste, welche in der Ecke des Gemachs stand, öffnete sie und warf sich mit Lauten des tiefsten Schmerzes über sie. Hermann trat hinzu und fuhr zurück; ein menschliches Gerippe starrte ihm aus der Kiste entgegen. Warum erschrickst Du? Was macht Dich zu fürchten? rief sie. Dies ist mein lieber, mein einziger Freund, den ich nun wiederhabe, und nicht von mir lasse. Betrachte den holdseligen Mund, die guten, schönen Augen, die denkende Stirn! Nun ruht er, umweht vom Hauche der Liebe, nun ist ihm wohl!«

       »Theure, warum gaben Sie der Erde nicht wieder, was der Erde gehört? fragte Hermann, als er sich einigermaßen von seinem Erstaunen erholt hatte.«

      »Sie versetzte nichts. Mit den zärtlichsten Namen rief sie den geschiedenen Freund, schmeichelnd strich sie über den kahlen Schädel, ihre Lippen küßten die leeren Augenhöhlen. Dazwischen führte sie Reden, deren Sinn und Bedeutung Hermann nicht verstand. Sie sprach von dem Vampyr, der, auferstandne Leiche, umhergehe, und den Lebenden das Blut aussauge, und beschwor die Gebeine des Todten, sie wie bisher, so auch ferner vor dem Schreckniß zu schützen.« –

      Im Sommer 1814 hielt sich Elisa eine Weile mit Beuth's Mutter in Kleve auf, dann bezog sie ein Landhaus vor der Stadt, wo Lützow mit seinen Kameraden sie Abends zu besuchen pflegte; unter den schattigen, grünen Bäumen, in einer freundlichen Natur kam dort bei Elisen ein Kreis zusammen, bestehend aus Palm, Karl und Friedrich von Petersdorff, Wilhelm von Lützow und Andern, die alle noch spät mit Entzücken von der reizenden Geselligkeit erzählten, die Elisa um sich her zu schaffen, und mit dem Zauber ihres anmuthigen Geistes zu beleben wußte. Aehnliche Abende wiederholten sich etwas später in Aachen, wo sie auf der alten Ketschenburg in einem Zimmerchen, welches so niedrig war, daß die Freunde es scherzend »die Schiffskajüte« nannten, sich ein blumengeschmücktes und überaus wohnliches Asyl geschaffen hatte; hier war auch der Dichter Max von Schenkendorff ein häufig und gern gesehener Gast.

      Im Sommer 1815 hatte Lützow das Unglück in der Schlacht von Ligny in französische Gefangenschaft zu gerathen, aus der ihn jedoch der bald darauf erfolgende Frieden wieder befreite. Elisa war sehr in Angst um ihn; sie theilte so gern alle seine Mühen und Gefahren, sie war nur immer darauf bedacht, ihn zu pflegen, und für sein Behagen zu sorgen, um so mehr, da die vielen Verwundungen ihn viel leiden ließen. Heinrich Pröhle sagt, in seiner Biographie Jahn's, von Lützow, daß er fast in jedem Gefecht verwundet wurde; »wenn er ging,« heißt es dort, »so war er durch seine vielen Wunden halb Invalide; stieg er zu Pferde, so bedurfte er ihrethalben einiger Hülfe – aber saß er einmal im Sattel, so war er das Muster eines Husarenoffiziers, ein Ritter ohne Furcht und Tadel.«

      Die liebevolle Sorgfalt, welche Elisa ihrem Gatten erwies, konnte dieser ihr wohl nicht in gleichem Grade erwiedern, denn unpraktisch, und in allem, was nicht zu seinem Kriegesberufe gehörte, unkundig oder zerstreut, war er selbst bei dem besten Willen wenig geeignet, eine zarte Frau in seine Obhut zu nehmen; sie, die auf dem Trannkijörschlosse in den glänzendsten Lebensverhältnissen erwachsen war, ertrug aber mit der äußersten Entsagung und ohne Klage Entbehrungen aller Art, und es war wie wenn ihr starker Geist ihrer zarten Gestalt dazu die Kraft verliehe.

      Endlich beschloß die blutige Völkerschlacht von Belle-Alliance diese großartige Kriegszeit. In jener Schlacht gehörte ein junger Mann von neunzehn Jahren, von gleicher Begeisterung für die deutsche Sache erfüllt, wie Elisa, zu den Mitkämpfern, welcher dazu bestimmt war später in ihrem Leben eine bedeutende Rolle zu spielen: es war Karl Immermann. Damals wußten sie noch nichts von einander; erst nach Jahren sollte das Geschick sie zusammenführen. –

      Nachdem der Krieg beendet, ging Elisa im Anfang des Jahres 1816 nach Berlin, wo Ernst Moritz Arndt sie besuchte, den sie schon das Jahr zuvor in Düsseldorf kennen gelernt hatte; sie war so erfreut über die Erscheinung des gefeierten Mannes, den sie schon lange als patriotischen СКАЧАТЬ