Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
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»Und was will der Herr Domherr von der Herrschaft im Wagen?«
»Wenn es die Frau Mahler ist, so habe ich eine Bestellung an sie.«
»So, so, warten Sie hier einen Augenblick.«
Der Bursche kehrte zum Wagen zurück.
»Wollen Sie aussteigen, Madame. Der Mann, den Sie erwarten, ist da.«
Er sprach es laut, damit der Postillion es höre.
Die Frau stieg aus und ging mit dem Burschen zu dem Fremden.
»Sie suchen die Frau Mahler?« fragte sie ihn.
»Ja, Madame, und ich zweifle nicht, dass Madame es sind.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Ich bin der Kammerdiener des Freiherrn Gisbert von Aschen. Der Herr Baron wollte persönlich hier erscheinen. Er musste heute Morgen plötzlich verreisen in einer sehr dringenden Angelegenheit. Er bittet, Madame wolle ihn entschuldigen. Ich soll mich vollständig zu Ihren Befehlen stellen. Der Herr Baron hat mir keine schriftliche Legitimation mitgegeben. In dieser Dunkelheit würde Madame sie nicht lesen können.«
»Sie sollen mich führen?« fragte die Frau Mahler.
»Zu dem Nachen, der am Ufer wartet.«
Die Frau hatte keinen Grund, dem Manne nicht zu vertrauen.
»Gehen wir«, sagte sie.
Bernhard sprang zu dem Postillion zurück.
»Warten Sie hier. Wir sind in einer Viertelstunde wieder da.«
Die Frau Mahler, der Kammerdiener Gisberts und Bernhard gingen weiter in die Heide und Finsternis hinein.
Sie hatten schon nach zehn Minuten das Ufer der Spree erreicht.
Niemand war ihnen begegnet.
Der Fluss lag still vor ihnen. Das träge Wasser der Spree rauscht nicht. Sein Plätschern verhallte in dem Regen.
Auch jenseits des Wassers war alles still.
Die Finsternis der Nacht ließ auch für das Auge nichts erkennen. Das Schloss und die Bäume des Parks mussten sich an dem andern Ufer erheben; an den dunklen Wolken zeichnete sich nichts ab.
Der Bediente hatte seine beiden Begleiter in gerader Linie zu einem Nachen geführt. Sie fanden ihn angebunden. Sie stiegen alle drei ein. Er war mit zwei Paar Rudern versehen. Der Diener löste ihn.
»Wir müssen warten, bis es elf schlägt«, sagte der Bediente.
Wenige Minuten später schlug eine Uhr jenseits des Flusses elf.
Es war die Turmuhr des Köpenicker Schlosses.
»Jetzt.« sagte der Bediente.
Er setzte sich an das eine Ruderpaar, Bernhard an das andere. Sie ruderten den Nachen in den Fluss hinein. Sie waren nach fünf Minuten an dem andern Ufer. In einer kleinen Bucht legten sie den Nachen an.
Der Bediente stieg an das Land, um sich zu überzeugen, ob sie an der rechten Stelle seien. Er kam zurück mit der Nachricht, dass es so sei.
»Setzen wir uns wieder an die Ruder«, sagte er zu Bernhard. »Es werden drei kommen. In dem. Moment, da der letzte im Fahrzeuge ist, müssen die Ruder wieder arbeiten. Sind wir in fünf Minuten herübergekommen, müssen wir in dreien zurück!«
Dann warteten sie.
Es blieb dunkel und still rund um sie her. Kein Licht, kein Geräusch war auf dem Wasser, an den beiden Ufern, in weiterer Ferne.
Die Frau Mahler saß auf einer Bank in der Mitte des kleinen Kahns. Ihr Ohr mochte die Stille durchdringen, ihr Auge das Dunkel durchbohren wollen. Sie strengte die Sinne vergebens an. Das Schlagen ihres Herzens hörte sie vielleicht. Den Regen, der auf sie niederfiel, den der Wind auf dem Wasser ihr in das Gesicht trieb, fühlte sie nicht.
»Was wird er sagen, wenn er mich sieht, wenn er mich erkennt? Mein Gott, mein Gott, wenn er zurück wollte, wenn er sich lieber in den Strom stürzte, als mir seine Freiheit verdanken zu müssen? Und wenn er mich nicht erkennen will? Wenn er sich dorthin setzte, von mir ab, am andern Ufer seinen Weg allein fortsetzte! — Warum ging ich mit? Warum ließ ich nicht den Bedienten mit Bernhard allein den Nachen besteigen? Er sollte ein bekanntes Gesicht sehen, ein Herz finden, das ihm gehörte.«
Was war das? Eilige Schritte?
Eilige Schritte nahten dem Ufer.
Ein Kämpfen, ein Ringen, ein Rufen wurde laut.
»Lassen Sie mich, retten Sie sich«, rief eine Stimme.
Die Frau sprang auf.
»Herr des Himmels, war das seine Stimme?«
Schüsse fielen.
»Rette Dich, rette Dich!« rief eine andere Stimme.
»Lass’ mich, rette nur Dich.«
»Ich sterbe mit Dir, Franz!«
»Das!« rief die Frau. »Das war er!«
Und er kam nicht näher. Und er war so nahe bei ihr. Er wollte den Freund nicht verlassen.
Todesangst ergriff sie.
Sie war aus dem Kahne gesprungen. Sie eilte zu den beiden. Sie hatte die Hand ihres Gatten ergriffen. Sie zog ihn mit sich fort. Er wollte ihr widerstreben.
Er folgte ihr wie ein Betäubter.
Sie war mit ihm im Nachen.
Der Nachen schoss unter fast wilden Ruderschlägen der Mitte des Flusses zu.
»Gisbert, ich habe Franz Horst gemordet!« rief Mahlberg.
Er hatte ihre Hand ergriffen.
»Der Freund steht in Gottes Hand!« sagte tröstend die Frau.
Er stieß ihre Hand zurück, er taumelte von ihr.
Am Ufer erhob sich wildes Geschrei der Verfolgenden; wieder fielen Schüsse. Mahlberg hörte sie nicht.
Auch die Frau nicht.
»Setzen Sie sich nieder, die Kugeln treffen Sie sonst!« rief ihnen der Bediente zu.
»Setze Dich! Setze Dich!« beschwor da die Frau den Gatten.
Er hörte sie nicht.
Neue Schüsse fielen am Ufer.
Die Frau sprang empor und stellte sich vor den Gatten.
Es wurde wieder geschossen.
»Setze СКАЧАТЬ