Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
isbn:
Blasse Furcht ergriff das Chor der Priester. Sie rafften zusammen, was sie greifen konnten, Heiligthümer und Kostbarkeiten, und flüchteten damit in die nahe feste Fresburg. Auch die Gefangenen vergaßen sie nicht, schleppten sie mit sich, und warfen sie in die Gefängnisse der Burg, um bey der ersten Gelegenheit, wo es einer Erregung, einer öffentlichen Anfeuerung des Volkes bedurfte, ihr grausames Schicksal an ihnen zu vollziehen.
Das gewaltige Heer Kayser Carl des Großen überschwemmte jetzt den heiligen Wald. Siegreich war der Kayser von Franken bis an die Diemel gekommen, jeder Widerstand gegen seine ungeheure Macht war vergeblich gewesen, alles hatte sich vor ihr demüthigen, sich ihr unterwerfen müssen. Hier an der Diemel aber fand er zuerst einen kräftigen Widerstand, der um so nachtheiliger auf sein Heer wirkte, je unerwarteter er war. In den undurchdringlichen Urwäldern Westphalens fand das Heer keine Lebensmittel; Hunger und Durst griffen mit entsetzlicher Gewalt um sich, und entkräfteten den Krieger, der gerade hier, um aus dem Gewinde der Waldungen zu kommen, die meisten Kräfte nöthig hatte. So kamen sie in den heiligen Wald, erschöpft vor Hunger, noch mehr aber vor brennendem Durste. Als sie aber das Ungethüm der Irmissäule auf hohem Altare vor sich erblickten, da erwachte, trotz Erschöpfung und Ermattung, noch einmal ihr wilder Muth. Herunter mit dem Götzen! rief der große, fromme Kayser! Und tausend Hände und tausend Waffen waren beschäftegt, schneller seinem Befehl zu vollstrecken, als er ihn ausgesprochen hatte. Zerschmettert, mit weithin durch den Wald schallendem Donner stürzte der Gott von seinem Gestelle, flog der Altar auseinander.
Und siehe! in demselben Augenblicke öffnete mit fröhlichem Gemurmel sich ein reicher Quell, und strömte sein klares Wasser dem erstau ten Carl entgegen. Es war der Bullerborn, den die Priester, um das Volk durch einen verspiegelten Zorn der Götter desto mehr zu entflammen, durch eine im Altare der Irmensäule angebrachte Vorrichtung aufgehalten hatten. Der fromme Kayser aber glaubte ein Wunder zu sehen und fiel auf die Knie und dankte laut Gott, während das Heer jauchzte und an der köstlichen Gabe des Himmels sich erquickte.
Wie sie aber noch sich freuten und labten, da wankte mühsam ein blinder Greis herbey; der rief mit jammernder Stimme: O gebt mir mein Kind wieder! Gebt mir meinen Knaben zurück! – Die Stimme des Greises durchschnitt die Herzen Aller, die ihn hörten. Der Kayser ließ ihn vor sich kommen, und als er die Schicksale des unglücklichen Clodoald erfahren, schwur Carl, ihm sein Kind zurückzugeben.
Bald darauf meldeten Kundschafter dem Kayser, daß das ganze Heer der Sachsen, ihre Vornehmen und Heerführer und Priester sich in die Veste Fresburg geworfen hätten, und dort jedem Angriffe zu trotzen bereit waren. Schnell ließ Carl sein Heer gegen die Veste aufbrechen und diese stürmen. Der Kampf war hart, blutig, grausam, aber das Heer der Christen siegte über die blinde Verzweiflung der Heiden. Die Veste wurde genommen, die am Leben gebliebenen Sachsen mußten sich unterwerfen.
Der Kayser hatte seines Versprechens, das er dem blinden Clodoald gegeben, nicht vergessen. Alsbald nach der Einnahme der Fresburg ließ er die Gefängnisse derselben durchsuchen, und Hyazinth und die beiden Ritter, die ihn hatten befreyen wollen, Faustinus und Ischyrion mit Namen, wurden aus dunkler Kerkernacht an das Licht der Freyheit hervorgezogen. Mit ihnen aber auch die Oberpriesterin, die von unerklärlichem Mitleid für die gefangenen Jünglinge sich hatte hinreißen lassen, einen Versuch zur Befreyung derselben zu machen; dieser war jedoch durch den Verrath einer Priesterin mißglückt, und auch sie darauf in strenge Haft geworfen worden.
Thränen der Wehmuth und Freude entstürzten den blinden Augen des Greises, und den frommen des Knaben Hyazinth, als sie sich wieder hatten, und einander wieder an die liebenden Herzen drücken konnten. Laut dankte der edle Greis dem Himmel, daß er ihm die zwey Erstgebornen genommen, sein Alter doch nicht ganz hülflos gelassen habe.
Die Ritter des Kaysers, die Zeugen des Auftritts waren, wurden auf das innigste gerührt, die beyden fremden Ritter aber und die Oberpriesterin wurden sehr unruhig. Und die letztere und der Ritter Ischyrion naheten sich dem Greise, und fragten ihn gleichzeitig, ob seine verlorene Erstgebornen nicht Clodoald und Hildegardis geheißen, und ob er nicht der Statthalter Clodoald von Jüttland sey.
Wohl bin ich der! Und wohl hießen meine armen Kindlein so! antwortete der Greis, von Schmerzen der Erinnerung ergriffen.
Da sahen die beyden fragend, zuerst voll Verwunderung sich an, dann warfen sie sich weinend vor dem blinden Greise nieder, umschlangen seine Knie und küßten seine Hände, und entdeckten ihm, daß sie seine geraubten und wieder gefundenen Kinder seyen.
Clodoald und Hildegardis waren von den räuberischen Normanen, jener nach Afrika an einen Schäfer, diese in das Herz von Sachsen an Priester verkauft. Clodoald war mit dem Sohne seines Herrn, seinem Begleiter Faustinus, in allen ritterlichen Künsten und Uebungen auferzogen worden, und befand sich jetzt auf dem Zuge, sein Vaterland und seine geliebten Eltern wieder aufzusuchen. Hildegardis war zum Dienste der Götter geweihet worden, und vergebens hatte sie seit langen Jahren auf ein Mittel gesonnen, aus den dichten Wäldern in ihre mit Schmerzen zurückersehnte Heymath zu entfliehen.
Wer wagt es, die Freude der Glücklichen zu beschreiben! Eine Umarmung folgte der Anderen, und lange lagen sie sich an den liebenden, überseligen Herzen. Der Greis aber erkannte, daß hier eine höhere Hand gewirkt habe, als die seiner heidnischen Götzen; und er bat den Kayser, ihm und allen den Seinigen das heilige Wasser der Taufe geben zu lassen. Und wie nun nach einiger Zeit in Gegenwart des kayserlichen Hofes und des ganzen Heeres der Franken ein frommer Priester den Statthalter und seine Kinder mit dem heiligen Wasser einsegnete und sie in den Schooß der Kirche aufnahm, da entschwand plötzlich das Dunkel, das auf den Augen des Greises gelegen hatte; er sah wieder das reine Himmelslicht, und doppelt heiß flossen die Dankgebete der Glücklichen.
Lange hat er noch in Freude und Freudigkeit gelebt, umgeben von, seinen Kindern, zu denen auch bald, mit Hildegardis vereinigt, der Ritter Faustinus gehörte.
Die Volkssagen der Altmark
1. Das Haus des Kaisers zu Stendal
2. Erbauung des Doms zu Stendal
5. Die gottesschänderischen Juden
6. Das wunderbare Feuer zu Stendal
СКАЧАТЬ