Goethe und Werther: Briefe Goethe's, meistens aus seiner Jugendzeit. Иоганн Вольфганг фон Гёте
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СКАЧАТЬ jubelnd über den schönen neuen Vetter oder Onkel, ihn, der nicht lieber die Odyssee lesen mochte, als ihnen Märchen erzählen, und auf dem Boden unter ihnen, von den wilden Buben sich zerzausen lassen. Von dem Amtmann wie ein Sohn, von den mehr herangewachsenen Geschwistern wie ein älterer Bruder geliebt, wurde er in kurzer Zeit Kestnern und Lotten innigst befreundet. Kestner stellte ihn in seinem Herzen seinem Jugendgefährten v. Hennings zunächst; — Goethen, dem Dichter, dessen Beruf das Schöne war, war es natürlich, hier wieder zu lieben, und beide junge Männer, während sie in jedem Augenblicke die größten Gefahren, denen die Freundschaft begegnen kann, überwanden, legten sich gegenseitig das Zeugniß der hohen Eigenschaften ab, die allein es möglich machten, einer so schweren Stellung sich würdig zu verhalten. Und hatte wohl Kestner Goethen zunächst nur seinen klaren Verstand, seine Wärme für das Gute und Schöne, und seine redliche Liebe zu geben, so waren sie in der glücklichen Jugendzeit, wo selbst wenigere Seelenbezüge, dafern sie nur wesentlich sind, Freundschaft und Brüderlichkeit begründen. In Lotten gedieh die jungfräuliche Würdigkeit, die aus dem Beispiel der Zucht edler Mütter in dem Wesen der Töchter emporwächst, noch zu höherem Adel durch ihre individuelle Natur und ihre Lage. Geschaffen für die Wirklichkeit des Lebens, und zwar dessen heiterste Seite, war durchaus kein sentimentales Element in ihrem Charakter, und wo die Lotte im Werther mit romanhaften Ideen beschäftigt, wo sie gar tändelnd dargestellt wird, waren die Züge nicht aus ihrem Leben genommen. Aber hätte auch, in Empfindungen zu leben, in ihrem Charakter gelegen, so hätte diese Neigung den mütterlichen Sorgen weichen müssen, die sie als achtzehnjähriges Mädchen sich auflud; denn zehn lebhafte Kinder tobten um sie her, den ganzen Tag. Das glückliche Zusammentreffen ihrer zufälligen Bestimmung mit ihren natürlichen Anlagen, erhob um so mehr ihre jugendliche Schwungkraft. Die häusliche Macht einer Mutter handhabend, war sie ein Mädchen an Frohsinn und Lebendigkeit. Die pflichtmäßige Miene der mütterlichen Strenge hatte den Schmelz der bräutlichen Heiterkeit. Dieses waren die Eigenschaften eines weiblichen Wesens, in welchem vom Kopf bis zu den Füßen, Alles Uebereinstimmung der rechten Maße, Alles Gemüth, Alles arglose Jugend war; in deren Anschauung Goethe’s edle Leidenschaft, zugleich mit seiner Hochachtung, täglichen Wachsthum erhielt.

      Mit diesen Seelenzuständen der trefflichsten Art, in welche Goethe sich hineinlebte, übereinstimmend, sahen die Verlobten in seinem stets offenen Herzen, daß es edel war. In solchem, von ihnen Allen getheilten Selbstgefühl konnte es unter solchen Menschen geschehen, daß er das Bekenntniß jeder seiner Empfindungen zum Gegenstand des freiesten Verkehres mit beiden Verlobten machte. Unter ihnen gab es keine argwöhnische Eifersucht, die den Nebenbuhler ängstlich bewacht, und ihm die Thür der Geliebten versperrt; unter ihnen keinen Stolz des Siegers, keinen Groll des minder Begünstigten, keine Eitelkeit der Angebeteten, die in ihrem Triumphe sich gefiele. Denn kein Gedanke war von einem dieser drei redlichen Freunde gedacht, keine Empfindung gefühlt, die nicht das gemeinschaftliche Eigenthum aller drei war, eine Harmonie, zuvor von zweien, jetzt von dreien gebildet, ein Verhältniß, wovon wohl selten ein ähnliches Beispiel in der Geschichte der Menschheit erscheinen mögte. Was wir hier entwickelten, ist die Auslegung des in Goethe’s „Wahrheit und Dichtung“ S. 115 und 117 des 22. Bandes seiner sämmtl. Werke, mit anmuthiger Ausführlichkeit entworfenen Bildes von Lotten und von seinen Verhältnissen mit den beiden Verlobten. „Leicht aufgebaut, nett gebildet“ nennt er Lottens Gestalt, „rein und gesund ihre Natur.“ Sein Leben mit ihnen nennt er „eine ächt deutsche Idylle, wozu das fruchtbare Land die Prosa, und eine reine Neigung die Poesie gab;“ indem alle drei, in wechselseitig inniger Zuneigung und Großmuth, „sich an einander gewöhnt hatten, ohne es zu wollen, und nicht wußten, wie sie dazu kamen, sich nicht entbehren zu können.“

      War auch jene Zeit, von welcher er hier schrieb, weit zurück, so daß in seinen Erzählungen von Einzelheiten manche Erinnerung verloschen, auch das Frühere und Spätere oft vermengt ist; so sehen wir doch sein Herz liebesjung sich lebhaft der Vergangenheit erinnern, wenn er, in dem Rückblick darauf, mit dem wehmüthigen Gefühl, sie jetzt nicht mehr genügend darstellen zu können, sagt: „Es würde der Dichter jetzt die verdüsterten Seelenkräfte vergebens anrufen, umsonst von ihnen fordern, daß sie jene lieblichen Verhältnisse vergegenwärtigen mögten, welche ihm den Aufenthalt im Lahnthale so hoch verschönten“; sich aber tröstend hinzufügt: „Glücklicherweise hatte der Genius schon früher dafür gesorgt, und ihn angetrieben, in vermögender Jugendzeit das nächst Vergangene festzuhalten, zu schildern und kühn genug zur günstigen Stunde öffentlich aufzustellen. Daß hier das Büchlein Werther gemeint sei, bedarf wohl keiner nähern Bezeichnung.“ — (S. 114 des 22. Bandes von Goethe’s sämmtl. Werken.) Wenn er dann das allbelebende Jugendvermögen der Geliebten beschreibt, so versichert er kindlich, daß damals „alle seine Tage Festtage zu sein schienen, und der ganze Kalender hätte müssen roth gedruckt werden.“

      So wie nun seine Leidenschaft, so wuchs der Freunde auf Bewunderung gegründete Freundschaft für den, der bald wie ein Riese neben ihnen stand, bald ihr jugendliches Treiben in harmloser Kindlichkeit mit ihnen theilte, und den sie den größten Theil seines Selbst der Ehrfurcht vor ihrem Glücke opfern sahen. Auch der Schmerz, der ihn niederdrückte, wurde, so wie alles unter ihnen gemeinschaftlich war, ein von drei Freunden gemeinschaftlich getragener Schmerz.

      Aber Goethe litt zu sehr, und nachdem er einige Zeit umsonst gekämpft hatte, faßte er den schweren und schönen Entschluß, von Wetzlar nach Frankfurt zurückzukehren. Am 11. September 1772 reiste er ab. Wie tief die Trennung die Freunde betrübte, erscheint mit den lebhaftesten Farben, in drei zusammentreffenden schriftlichen Denkmälern jener Zeit. Diese hier zusammenzustellen ist uns ein anziehendes Geschäft, bei welchem wir einen Augenblick verweilen.

      Goethe hat seinen Trennungsschmerz in den Blättern niedergelegt, die er den beiden Verlobten am 11. September 1772 zurückließ, und die von den untenstehenden Briefen des abwesenden Goethe den Anfang machen. Dem Roman „Werther“ alsdann, hat er, wie wir sogleich zeigen werden, von diesem bedeutenden Lebensmoment, ein dauerndes Denkmal in einem der schönsten Briefe eingedrückt. In welcher Betrübniß er die beiden Verlobten und das ganze väterliche Haus Lottens zurückließ, sehen wir endlich aus einem Tagebuchsblatte Kestners, dessen getreuer Inhalt folgender ist:

      September 10. 1772.

      .... „Mittags aß Dr. Goethe bey mir im Garten; ich wußte nicht, daß es das letzte Mal war..... Abends kam Dr. Goethe nach dem deutschen Hause. Er, Lottchen und ich hatten ein merkwürdiges Gespräch von dem Zustande nach diesem Leben, vom Weggehen und Wiederkommen &c. &c., welches nicht er, sondern Lottchen anfing. Wir machten mit einander aus, wer zuerst von uns stürbe, sollte, wenn er könnte, den Lebenden Nachricht von dem Zustande jenes Lebens geben; Goethe wurde ganz niedergeschlagen, denn er wußte, daß er am andern Morgen weggehen wollte.“

      September 11. 1772.

      „Morgens um 7 Uhr ist Goethe weggereiset, ohne Abschied zu nehmen. Er schickte mir ein Billet nebst Büchern. Er hatte es längst gesagt, daß er um diese Zeit nach Coblenz, wo der Kriegszahlmeister Merk ihn erwarte, eine Reise machen, und er keinen Abschied nehmen, sondern plötzlich abreisen würde. Ich hatte es also erwartet. Aber, daß ich dennoch nicht darauf vorbereitet war, das habe ich gefühlt, tief in meiner Seele gefühlt. Ich kam den Morgen von der Dictatur zu Hause. „„Herr Doctor Goethe hat dieses um 10 Uhr geschickt.““ — Ich sah die Bücher und das Billet, und dachte was dieses mir sagte: „„Er ist fort!““ und war ganz niedergeschlagen. Bald hernach kam Hans zu mir, mich zu fragen ob er gewiß weg sey? Die Geheime Räthin Langen hatte bei Gelegenheit durch eine Magd sagen lassen: „„Es wäre doch sehr ungezogen, daß Doctor Goethe so ohne Abschied zu nehmen, weggereist sey.““ Lottchen ließ wieder sagen: „„Warum sie ihren Neveu nicht besser erzogen hätte?““ Lottchen schickte, um gewiß zu seyn, einen Kasten, den sie von Goethen hatte, nach seinem Hause. Er war nicht mehr da. Um Mittag hatte die Geheime Räthin Langen wieder sagen lassen: „„Aber sie wolle es des Doctor Goethe Mutter schreiben, wie er sich aufgeführt hätte.““ — Unter den Kindern im deutschen Hause, sagte jedes: „„Doctor Goethe ist fort!““ — Mittags sprach ich mit Herrn v. Born, der ihn zu Pferde bis gegen Braunfels begleitet СКАЧАТЬ