Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays - Stanislaw Przybyszewski страница 81

Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

isbn:

СКАЧАТЬ Gerne.

      Er bereitete nachdenklich den Tee.

      – Haben Sie Fräulein Kruk in den letzten Tagen gesprochen?

      – Ja. Gleich als ich aus dem Gefängnis kam, ging ich zu ihr ... Sie weiß nicht, daß er verheiratet ist.

      – Nicht? Olga fuhr erschrocken auf.

      – Nein! Er hat gelogen. Sein ganzes Leben ist nur eine Kette von Lügen ...

      Olga kam in eine große Unruhe. Es wurde ihr schwer, länger bei Czerski zu bleiben, sie stand auf.

      – Ich kann doch nicht auf den Tee warten.

      – Oh, bleiben Sie ein wenig. Ich war anderthalb Jahre allein. Es ist mir so lieb, einen Menschen um mich zu wissen.

      Er sah sie bittend an.

      Olga faßte sich und setzte sich wieder hin.

      – Sie sind sehr betrübt, Fräulein ... Ja, wir haben Alle etwas Anderes von ihm erwartet ... Hm; eigentlich ist es sehr gut, daß er das Geld schickte. Wie viel ist es denn?

      – Fünfhundert Mark.

      – Das ist viel, sehr viel. Damit kann man viel ausrichten ...

      Sie schwiegen eine Weile.

      – Ist es wahr, was Kunicki behauptet, daß Sie zusammen mit Stefan Kruk die Stadtkasse hier in der Nähe erbrochen haben?

      – Vollkommen wahr.

      – Sie approbieren also die anarchistische Praxis?

      – Wenn es die Idee erfordert, sind alle Mittel heilig. Das ist durchaus keine anarchistische Erfindung. Übrigens haben wir das Geld nicht gestohlen, sondern rechtmäßig an uns gebracht. Und das ist ein großer Unterschied. Wir haben im vollen Bewußtsein der Rechtmäßigkeit unserer Tat gehandelt.

      – Sie sagen also, daß man stehlen darf, sobald es die Idee erfordert?

      – Nicht stehlen, nein; das hab ich nicht gesagt. Sie kommen da auf den juridischen Begriff des Verbrechens. Aber sobald ich sage, ich tue recht, und sobald ich den Glauben und die heilige Überzeugung habe, daß ich recht tue, verstehen Sie, einen Glauben, der auch nicht den geringsten Zweifel zuläßt, dann ist der Diebstahl eben kein Diebstahl, kein Verbrechen mehr.

      – Sie meinen, daß das einzige Kriterium des Verbrechens das böse Gewissen sei?

      – Ja.

      – Sie werfen aber dem Staate Verbrechen vor. Glauben Sie nicht, daß der Staat Alles, was er tut, mit gutem Gewissen tut? Glauben Sie nicht, daß er sich berechtigt fühlt, den Arbeiterstand der Ausbeutung des Kapitalismus preiszugeben? Folglich ist der Staat kein Verbrecher, weil das Kriterium des bösen Gewissens fehlt.

      – Subjektiv ist der Staat kein Verbrecher, vorausgesetzt, daß er von der Rechtmäßigkeit seiner Handlung überzeugt ist, woran ich nicht glaube, aber er wird es objektiv, weil die Folgen seiner Handlungen verbrecherisch sind.

      – Aber wenn die Motive gut sind, so kann ja der Staat für den Schaden nicht verantwortlich gemacht werden.

      – Deswegen muß er beseitigt werden, ganz so, wie man Irrsinnige beseitigt, die, ohne es zu wissen, Verbrechen begehen.

      – Über das Verbrechen entscheiden nur die schädlichen Folgen?

      – Ja.

      – Aber gesetzt, daß Sie um der Idee willen eine Fabrik in die Luft sprengen und dadurch Hunderte von Familien ins Unglück stürzen, dann begehen Sie doch ein Verbrechen, weil die Folgen verbrecherisch sind.

      – Nein! Denn dadurch bringe ich meine Idee ihrer Verwirklichung näher und ich bringe Millionen das Glück. Als Christus seine Lehre ausbreitete, wußte er sehr gut, daß Tausende von seinen Anhängern würden geopfert werden, er hat sie also dem sicheren Verderben preisgegeben, um Millionen das Heil zu bringen.

      – Sie glauben an Gott? fragte Olga zerstreut.

      Czerski kam plötzlich in eine große Aufregung.

      – Ich glaube an Jesus Christus, den Gottmenschen ... Aber unterbrechen Sie mich nicht. Ich habe das Recht dazu, die Natur hat es mich gelehrt. Was entscheidet über das Angenehme eines Gefühls? Doch nicht, daß es an sich angenehm ist. Die Gewöhnung an das Opium ist Anfangs sehr schmerzhaft, wird erst in der Länge zum Genuß. Über das endgültige Wesen des Gefühls entscheidet also nur die Dauer desselben. Es ist selbstverständlich, daß die ersten Folgen einer Fabriksprengung unangenehm sind, aber ...

      – Sie werden also vor keinem Verbrechen zurückschrecken?

      – Nein, kein Verbrechen, er unterbrach sie eifrig, ich werde vor keiner Handlung zurückschrecken, die meiner Idee den Sieg garantiert.

      – Und wenn Ihre Idee falsch ist?

      – Sie ist nicht falsch, denn sie ist auf der einzigen Wahrheit aufgebaut, die wir haben: der Liebe.

      – Aber wenn Ihre Mittel falsch sind?

      – Sie können nicht falsch sein, denn ihre Motive sind die Liebe. Übrigens will ich gar nicht zu diesen Mitteln greifen, selbst dann nicht, wenn ich es für nötig halten sollte. Ich habe kein Programm, wie die Anarchisten. Ich will keine Gewalttat begehen, um nicht einer Partei, welche die Gewalttat in ihrem Programm hat, zugezählt zu werden.

      – Aus Eitelkeit?

      – Nein; aus Vorsicht, nur aus Vorsicht, daß nicht die Anarchisten, also eine Partei, das Recht zu bekommen glauben, meine Tat als die Folge ihres Programms aufzufassen.

      – Sie sind ehrgeizig.

      – Nein! Aber ich bin nur in meiner Tat. Ich habe nur ein Recht, und das ist: zu sein. Und mein Sein ist meine Tat. Ja, ich habe einen Ehrgeiz, wenn Sie es so wollen: zu sein, durch meine Tat zu sein. Ich bin nicht, sobald ich fremde Befehle ausführe.

      – Das sind alte Gedanken, lieber Czerski.

      – Ich weiß nicht, ob sie alt sind, ich habe sie im Gefängnis bekommen und so sind sie meine eigenen. Ich habe sie mit großer Mühe ausgedacht. Ich war nicht gewohnt zu denken, so lange ich in der Partei war. Jetzt hab ich mich von Allem losgelöst, um allein zu sein und meine Tat mit eigenen Gedanken zu bestimmen.

      – Und wenn Sie das Geld von Falk nicht bekommen hätten, hätten Sie es sich genommen?

      – Ja.

      – Und was wollen Sie jetzt tun?

      – Ich will die Menschen lehren, sich aufzuopfern.

      Olga sah ihn fragend an.

      – Sich aufopfern können: das ist die erste Bedingung jeder Tat. Ich werde die Begeisterung des Opfers lehren.

      – Aber um sich zu opfern, muß man erst an den Opferzweck glauben.

      – Nein! Nicht aus dem Glauben entspringt das СКАЧАТЬ