Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ Glauben, sie haben nur Dogmen. Die Sozialdemokratie ist in dem dogmatischen Glauben erstorben. Die Sozialdemokratie ist das, was jede Religionsgenossenschaft ist: sie ist gläubig ohne Begeisterung. Gibt es einen Menschen, der für seinen Gott ins Feuer ginge? Nein! Gibt es einen Sozialdemokraten, der sich wegen seiner Idee ins Verderben rückhaltlos, ohne Bedenken, stürzte? Nein! Sie Alle haben die ruhige, behäbige Gewißheit des Glaubens; ihre Dogmen sind eherne Wahrheiten, um derenwillen man, weiß Gott, sich nicht aufzuregen braucht. Ich will aber den feurigen, glühenden Glauben schaffen, einen Glauben, der kein Glauben mehr ist, weil er keinen Zweck hat, einen Glauben, der in der Begeisterung des Opfers sich aufgelöst hat.

      Er kam plötzlich in einen ekstatischen Zustand. Seine Augen glänzten und sein Gesicht verklärte sich eigentümlich.

      – Sie spekulieren also auf den Fanatismus des Hasses bei der Masse.

      – Fanatismus der Liebe, sagte er strahlend, Fanatismus der Liebe zu der Unendlichkeit des Menschengeschlechtes, der Liebe zu der Ewigkeit des Lebens, der Liebe zu dem Gedanken, daß ich und die Menschheit eins, untrennbar eins sind ...

      Er variierte den Gedanken, in den verschiedensten Ausdrücken.

      – Ich werde nicht sagen: Opfert Euch, damit Ihr und Eure Kinder glücklich werdet, ich werde das Glück des Opfers an sich wieder neu lehren. Die Menschheit hat eine unerschöpfliche Fähigkeit, sich zu opfern, aber das hat die fette Kirche und der fette Sozialismus zerstört. Die Menschheit hat das Glück des Opfers vergessen in dem fetten, ekelhaften Dogmenglauben. Das letzte Mal hat sie es in den großen Revolutionen gekostet, in der Kommune, – zwecklos, nur aus Liebe zum Opfer, um das unendliche Glück der zwecklosen Selbstlosigkeit noch einmal zu genießen ... Und ich werde dies Glück wieder in Erinnerung bringen durch meine Tat ...

      Er stutzte plötzlich und sah Olga mißtrauisch an.

      – Sie glauben wohl, ich bin ein irrsinniger Phantast?

      – Es ist schön, sehr schön, was Sie da sagten, – ich verstehe Sie, sagte sie nachdenklich.

      Er schwieg lange.

      – Ja, Sie haben Recht, daß das alte Gedanken sind, sagte er plötzlich. Sie berühren sich vielfach mit dem, was Falk auf dem Kongreß in Paris ausgesprochen hat. Ich hätte ihm damals die Hand küssen mögen ...

      Er wurde mit einem Mal sehr unruhig.

      – Aber es wurde ihm nicht zur Lebenssache. Sein Gehirn hat es ausgeklügelt. Sein Herz hat kein Feuer gefangen ... Nein, nein – wie ist es nur möglich, solche Gedanken zu haben und nicht vor Scham zu vergehen, daß man das Alles kalt und ruhig sagen kann ... Sehen Sie, das ist die Schamlosigkeit seines Gehirnes, daß es dabei nicht zu erschauern vermag. Sein Gehirn ist schamlos ... Er ist ein – ein böser Mensch. Er ist nicht rein genug für seine Ideen. Man muß Christus sein, ja, Jesus Christus, der Gott der Menschen, die heilige Quelle der Opferfreudigkeit.

      – Sie haben sich sehr verändert, Czerski. Ich habe Sie übrigens nicht gekannt. Kunicki hat Sie verleumdet. Ich will viel darüber denken, was Sie gesagt haben ...

      Olga stand auf und sah ihn scheu an.

      Über seinem Gesichte lag ein verklärter Glanz. Nie hatte sie etwas Ähnliches gesehen.

      – Schonen Sie sich, Czerski. Sie sehen sehr krank aus.

      – Nein, ich bin nicht krank. Ich bin glücklich.

      Er dachte lange nach.

      – Ja, ja, sagte er plötzlich, gestern noch war ich ein kleiner Mensch. Aber jetzt ist es vorbei, es ist vorüber ...

      VI.

       Inhaltsverzeichnis

      Falk hörte mit nervöser Unruhe Olga zu.

      Sie erzählte ihm trocken, beinahe geschäftsmäßig von ihrem Besuch bei Czerski.

      – Czerski ist ein Phantast, sagte er endlich. In seinem Kopfe wirbelt Alles durcheinander. Ich glaube, er will gar Fouriersche Phalansterien errichten ... He, he, he ... Bakunin hat ihm ganz und gar den Kopf verdreht...

      – Ich glaube nicht, daß er ein Utopist ist, sprach Olga trocken und kalt. – Sein Ideengang ist ein wenig konfus, aber originell, und, wie ich denke, nicht ohne Aussicht auf Erfolg.

      Falk sah sie von der Seite an.

      – So, so ... Glaubst Du das wirklich? Meinetwegen ... Mir ist es ja außerordentlich sympathisch, daß er mit dem bürgerlichen Gesetzbuche kollidiert ... Aber sag mal, was ist denn zwischen ihm und Kunicki?

      – Kunicki hat vor zwei Jahren in Zürich einen Russen im Duell erschossen.

      – Im Duell?

      – Ja. Sonderbar genug. Daraufhin hat Czerski ihn in einer Versammlung geohrfeigt.

      – Warum denn?

      – Czerski sagte, er ohrfeige nicht Kunicki, sondern seinen Verstoß gegen das oberste Prinzip der Partei.

      Falk lachte höhnisch.

      – Wunderbar! Und was hat Kunicki gesagt?

      – Was sollte er tun? Er konnte doch Czerski nicht ermorden.

      – Sonderbarer Fanatiker! Aber jetzt will er nichts mehr von der Partei wissen?

      – Nein.

      Falk sann lange nach.

      – Meine Tat ist mein Sein – nicht wahr? so hat er gesagt. Hm, hm ...

      Olga sah ihn forschend an.

      – Du, Falk, sag mal, ist es Dir wirklich ernst mit unserer Sache?

      – Warum fragst Du danach?

      – Weil ich es wissen will.

      Olga schien ungewöhnlich gereizt und erregt zu sein.

      – Weil Du es wissen willst? Nun, meinetwegen. Ich meine gar nichts mit Eurer Sache. Was hab ich mit einer Sache zu tun? Menschheit?! Wer ist Menschheit, was ist Menschheit? Ich weiß nur, wer Du bist und meine Frau, und mein Freund, und noch einer, aber Menschheit, Menschheit: das kenn ich nicht. Damit hab ich nie etwas zu tun gehabt.

      – Was meinst Du denn damit, daß Du fast alle Proklamationen und Flugschriften selbst geschrieben hast, daß Du Dein Geld für die Agitation gibst, daß Du ...

      Er unterbrach sie heftig.

      – Aber das tu ich doch nicht der Menschheit wegen. O, wie Du naiv bist ... Verstehst Du nicht, daß es mir ein wahnsinniges Vergnügen macht, den Menschen da unten ein bißchen die Augen aufzumachen? Ist das nicht ein unerhörtes Vergnügen, zu beobachten, wie der arme Lohnsklave plötzlich sehend wird? ... Nun, Dir brauch ich wohl nicht aufzuzählen, was Alles der arme Sklave da unten zu wissen bekommt... He, he, he ... Ist das nicht herrlich anzusehen, wie sich so ein Sklave unter dem Einfluß von so viel Licht entwickelt? Und dies göttliche Schauspiel, wie die Herrschenden vor Wut und Angst den Himmel СКАЧАТЬ