Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026884484
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Am Nachmittag frischte der Wind wieder auf, die See wurde unruhiger und stellte mich und das Boot auf eine harte Probe. Aber der Proviant und die neun Wasserfässer waren ein guter Ballast, der das Boot in den Stand setzte, See und Wind zu trotzen, und ich hielt das Segel, solange ich es wagte. Dann holte ich es ein, beschlug es, und wir liefen weiter.
Einige Stunden später sichtete ich den Rauch eines Dampfers am Horizont in Lee. Es mußte meiner Ansicht nach entweder ein russischer Kreuzer oder, wahrscheinlicher, die Macedonia sein, die noch auf der Suche nach der Ghost war. Die Sonne war den ganzen Tag nicht zum Vorschein gekommen, und es war bitter kalt gewesen. Als die Nacht sich herabsenkte, wurden die Wolken dunkler, und der Wind frischte noch mehr auf, so daß Maud und ich mit Fausthandschuhen Abendbrot aßen und ich am Ruder blieb und nur hin und wieder zwischen den Windstößen einen Bissen zu mir nahm.
Inzwischen war es ganz dunkel geworden. Wind und Wogen wurden zuviel für das kleine Fahrzeug, und so holte ich das Segel ein und versuchte, einen Treib- oder Seeanker herzustellen. Ich hatte diese Kunst durch Gespräche mit den Jägern erfahren, und es war eine ganz einfache Sache. Ich legte das Segel zusammen, zurrte es gehörig an Mast, Baum, Spriet und zwei Paar Reserveriemen fest und warf es über Bord. Eine Leine verband es mit dem Bug, und da es tief im Wasser lag und dem Winde keinen Widerstand bot, trieb es langsamer als das Boot. Infolgedessen hielt es den Bug in See und Wind - die sicherste Lage, um sich gegen das Kentern zu schützen, wenn Sturzseen kamen.
„Und jetzt?" fragte Maud fröhlich, als die Arbeit vollbracht war und ich mir die Fausthandschuhe wieder anzog.
„Jetzt fahren wir nicht mehr nach Japan", sagte ich. „Wir treiben in der Richtung von Südost oder Südsüdost mit einer Schnelligkeit von mindestens zwei Meilen die Stunde."
„Das sind vierundzwanzig Meilen", meinte sie, „wenn der Wind die ganze Nacht weht."
„Und hundertundvierzig, wenn er drei Tage und Nächte anhält."
„Aber er wird nicht anhalten!" sagte sie zuversichtlich. „Er wird sich drehen und wenden, wie wir ihn brauchen."
„Die See ist die große Treulose."
„Aber nicht der Wind!" erwiderte sie. Sie wurde ganz beredt, wenn sie auf den prächtigen Passat zu sprechen kam.
„Wenn ich nur daran gedacht hätte, Wolf Larsens Chronometer und Sextanten mitzunehmen", sagte ich niedergeschlagen. „In einer Richtung segeln und in der andern treiben, gar nicht zu reden von der Strömung, die einen in einer dritten entführen kann - was dabei herauskommt, kann der größte Rechenkünstler nicht finden. Ehe wir es ahnen, können wir fünfhundert Meilen aus dem Kurs sein." Dann bat ich sie um Verzeihung und versprach, nie wieder den Mut zu verlieren. Auf ihren eindringlichen Wunsch überließ ich ihr die Wache bis Mitternacht - es war jetzt neun Uhr -, aber ich hüllte sie in Decken und Ölzeug ein, ehe ich mich niederlegte. Aber ich döste nur. Das Boot hüpfte und stieß, wenn es über die Wellenkämme ging; ich konnte die Seen vorbeischießen hören, und immer wieder spritzte der Schaum ins Boot. Und doch erschien mir die Nacht nicht schlimm, war sie doch nichts im Vergleich mit den Nächten, die ich auf der Ghost erlebt hatte, und vielleicht auch nichts im Vergleich mit denen, die wir in dieser Nußschale noch zu überstehen hatten. Ihre Planken waren nur knapp zwei Zentimeter dick. Zwischen uns und der Meerestiefe waren nicht mehr als zwei Zentimeter Holz.
Und doch - das kann ich immer wieder versichern -, doch fürchtete ich mich nicht. Den Tod, vor dem Wolf Larsen und selbst Thomas Mugridge mir Furcht gemacht hatten, fürchtete ich nicht mehr. Maud Brewster war in mein Leben getreten, und das schien mich verwandelt zu haben.
Alles in allem, dachte ich, mußte es besser sein zu lieben, als geliebt zu werden, wenn die Liebe uns etwas so teuer machen konnte, daß wir den Tod nicht mehr fürchteten. Ich konnte mein eigenes Leben über dem anderen vergessen, und ach - so paradox es auch klingen mag -, nie hatte ich so gewünscht zu leben wie gerade jetzt, da ich meinem Leben weniger Wert beimaß als je zuvor. Nie war mein Leben so begründet gewesen - das war mein letzter Gedanke, und dann, im Einschlafen, gab ich mich zufrieden mit dem Versuch, die Nacht zu durchdringen, die den Steven einhüllte, wo, wie ich wußte, Maud zusammengekauert saß und über die schäumende See hinausblickte - jederzeit bereit, mich zu rufen, wenn es not tun sollte.
Es ist unnötig, alle Leiden eingehend zu schildern, welche wir während der vielen Tage zu erdulden hatten, die wir in dem winzigen Boot hierhin und dorthin über den Ozean getrieben wurden. Der schwere Nordwest wehte vierundzwanzig Stunden lang. Dann legte er sich, und nachts sprang er nach Südwest um. Das war uns gerade entgegen; aber ich holte den Seeanker ein, setzte das Segel und nahm einen Kurs, der uns nach Südsüdost führte. Es war kein großer Unterschied, ob wir diese Richtung oder die nach Nordnordwest wählten, die der Wind ebenfalls zuließ, aber die Aussicht auf wärmere Luft im Süden bestimmte meinen Entschluß.
Nach drei Stunden - es war Mitternacht, wie ich noch weiß, und so dunkel, wie ich es auf See noch nie gesehen hatte - wuchs der Südwest zum Sturm, und ich war wieder genötigt, den Seeanker zu werfen.
Der Tag brach an und fand mich erschöpft auf dem weißschäumenden Meere, während das Boot mit der Spitze fast senkrecht gegen den Himmel zeigte. Wir liefen große Gefahr, von den Sturzseen zum Kentern gebracht zu werden. Gischt und Schaum kamen derart über, daß ich unausgesetzt schöpfen mußte. Die Decken trieften vor Nässe. Außer Maud war alles naß, sie trug Ölzeug, Gummistiefel und Südwester und war trocken bis auf Gesicht und Hände und ein paar verirrte Locken. Sie löste mich hin und wieder beim Schöpfen ab, arbeitete tapfer und trotzte dem Sturm. Aber alles ist relativ. Es war nichts als ein steifer Wind, aber für uns, die wir in einem kleinen zerbrechlichen Boot ums Leben kämpften, war es ein Sturm.
Kalt und trostlos peitschte der Wind uns das Gesicht, die weißen Seen jagten heulend vorbei, und wir kämpften den ganzen Tag. Die Nacht kam, aber keiner von uns schlief. Der Tag kam, und immer noch peitschte der Wind unsere Gesichter, jagten die weißen Wogen brüllend an uns vorbei. In der zweiten Nacht schlief Maud vor Erschöpfung ein. Ich deckte sie mit Ölzeug und einer Persenning zu. Sie war verhältnismäßig trocken, aber starr vor Kälte. Ich fürchtete, daß sie die Nacht nicht überleben würde, aber wieder brach der Tag an, kalt und trostlos, mit demselben bewölkten Himmel, schneidenden Wind und brüllenden Meer. Ich hatte achtundvierzig Stunden lang kein Auge geschlossen. Ich war bis aufs Mark durchnäßt und durchfroren und mehr tot als lebendig. Mein Körper war steif vor Anstrengung und Kälte, und meine Muskeln schmerzten fürchterlich, bei jeder Bewegung litt ich die schrecklichsten Qualen, und ich mußte mich unaufhörlich bewegen. Und dabei wurden wir immer weiter nach Nordosten getrieben, immer weiter fort von Japan und nach der öden Beringsee.
Aber noch lebten wir und hatten unser Boot, obwohl der Wind andauernd und mit unverminderter Stärke wehte. Am Abend des dritten Tages nahm er sogar noch etwas zu. Der Bug tauchte in einen Wogenkamm, und das Boot füllte sich zu einem Viertel mit Wasser. Ich schöpfte wie wahnsinnig. Die Gefahr, noch eine See überzubekommen, wurde außerordentlich erhöht durch den Umstand, daß das Wasser das Boot niederpreßte und seine Schwimmfähigkeit verminderte. Und noch eine solche See hieß das Ende. Als ich das Boot wieder trocken hatte, sah ich mich genötigt, Maud die Persenning wegzunehmen und sie quer über dem Bug zu befestigen. Es war ein Glück, daß ich es tat, und obgleich wir in den nächsten Stunden dreimal mit dem Bug tauchten, nahmen wir kein Wasser über.
Maud СКАЧАТЬ