Die große Gauklerin: Ein Roman aus Venedig. Carry Brachvogel
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Название: Die große Gauklerin: Ein Roman aus Venedig

Автор: Carry Brachvogel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066113766

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СКАЧАТЬ den Tiefen seiner Trödlerläden seltene Altertümer bergend, wie die Straßen und Plätze kaum je gekehrt wurden und von Bettlern erfüllt waren, und wie er und der andere junge Dachs, mit dem er gereist war, an der Speisenkarte ihrer Trattoria gemächlich von den Preisen herunterhandeln konnten. Elisabeth hörte solche Geschichten vom früheren Venedig zu gern, der Leutnant aber meinte mit gönnerhaftem Lächeln:

      »Donnerwetter, Papa, das muß eine schöne Wirtschaft gewesen sein und eine schöne Trattoria!«

      Der Oberst entgegnete ruhig:

      »Wir waren anspruchsloser als Ihr heutzutage! Ihr habt's besser und wollt's immer noch besser haben!«

      Der Leutnant wurde rot und klein. So hatte er's ja nicht gemeint, er wollte den Vater ja nicht kränken und war doch weiß Gott für sich persönlich nicht anspruchsvoll. –

      »Laß gut sein, ich weiß schon, wie Du es meinst! Elisabeth und ich, wir sind eben die Rasse von früher, und Ihr die neue. Wir beten noch an, was unsere Vorfahren angebetet haben, Ihr aber seid aus anderm Stoff und wollt selber Vorfahren sein!«

      Sie verfolgten das Gespräch nicht weiter.

      Der Oberst dachte dann wohl ein wenig darüber nach, wie seltsam verschieden von ihm doch seine Söhne waren, von denen es keinen zur Kunst hinzog, obgleich sie jetzt doch hätten tun und lassen können, wozu die Neigung sie trieb. Der eine wollte nur zur Kavallerie übertreten, der zweite ging mit dem Gedanken um, den bunten Rock auszuziehen, um Elektrotechnik zu studieren, und der Jüngste hier träumte nur von weiten Auslandreisen, von dem Posten eines Militärattachés bei Gesandtschaften in Japan, China oder Amerika.

      »Meine nächste Reise aber geht nach England. Ich will den Platz aufsuchen, wo wir nach dem nächsten Krieg dem King den Frieden diktieren!« setzte er lachend, aber doch mit einem Unterton von Ernst hinzu.

      »Ja, ja, der Vorfahre!« sagte der Oberst mit leiser Ironie.

      Hinwiederum neckte der Leutnant Elisabeth gern, wenn sie bei Fahrten auf dem Canal Grande oder bei Spaziergängen durch die winkelige Stadt immer wieder in Bedauern ausbrach, daß so viele der alten Paläste von einstens zu Registraturen, Gasthöfen, Bilder- und Glaswarenniederlagen degradiert worden waren, vor allem, daß sich heute im Palaste der Catarina Cornaro das Leihhaus befindet. Er sagte dann wohl: »Ich wette, Liesel, die Dogen wären mit dieser Wandlung ganz zufrieden und die Republik Venedig auch. Das waren doch alles nur Krämer und Händler, und ein Leihhaus ist ein Geschäft wie ein anderes auch.«

      »Aber findest Du's denn nicht jammervoll, daß diese großen Familien so heruntergekommen sind, daß sie ihre Paläste zu Bureaux oder Kaufläden hergeben müssen?«

      »Du lieber Gott, was soll einem das Haus ohne Schnecke und der Palazzo ohne Geld! Ich finde es noch ganz vernünftig, daß sie sich nicht mit altem Krempel plagen, der für sie keinen Wert mehr hat.«

      »Ich kann nicht so denken wie Du! So oft ich am Palazzo Manin vorbeikomme, muß ich immer daran denken, wie Papa uns erzählte, daß zu seiner Zeit der letzte Nachkomme der Manins auf dem Markusplatz Streichhölzer verkauft hat!«

      Der Leutnant lachte.

      »Wenn sie dem guten Papa da nur nicht einen Bären aufgebunden haben! Außerdem war der letzte Manin ein simpler Advokat und die Republik von 1848 etwas so Klägliches, daß sie ihrem Schöpfer danken durfte, als sie beim vereinigten Königreich Italien unterkriechen konnte!«

      Es kam bei allen Ironien und Neckereien nie zum Streit, aber alle drei waren froh, als der Leutnant Venedig verließ. Beim Abschied sagte er noch:

      »Also, Liesel, bis wir uns wiedersehen, wird Deine Verstiegenheit überhaupt den Pegel erreicht haben, und ich freu' mich schon, Dich allmählich auf mein ordinäres Niveau herunterzubringen, denn so schätzt Ihr beide mich jetzt doch ein, das weiß ich schon!«

      Elisabeth lachte und wehrte ab, aber sie freute sich, daß nun niemand mehr sie in ihrer Schwärmerei und ihren Phantasien störte. Immer tiefer versanken die beiden in den romanischen Rausch, schoben die Abreise nach Florenz immer weiter hinaus, weil Venedig sie so fest gefangen hielt. Alles erschien ihnen hier köstlich und zauberhaft, obwohl es ihr Empfinden verletzte, wenn sie immer wieder merkten, daß das alte Venedig der Neuzeit Konzessionen machte, versuchte, sich ihr anzupassen und sie zu sich hereinzulocken. Sie empfanden das als stillos und kleinlich, hätten lieber gehabt, daß es nach königlicher Macht stolz in königlichem Verfall beharrt hätte. Sie merkten gar nicht, wie sie mit diesen Gedanken die Stadt vom Leben abtrennen, ihr die Blutadern abbinden wollten, daß sie nichts sein sollte als eine bleiche, tragische Erscheinung, über der gleich einem Märtyrerschein der Glanz ihrer großen Vergangenheit schwebte.

       Inhaltsverzeichnis

      Grau und erinnerungsreich stieg der Palazzo Priuli aus dem stillen, wie tot daliegenden Seitenkanal des Canal Grande auf. Er blendete nicht durch großartige Raumverhältnisse oder durch überreiche Verzierungen, wie die Spätrenaissance berühmter Paläste sie liebte, denn er war älter als die meisten von ihnen, da die Priulis ja noch zu den Familien gehörten, deren erste Dogen nicht im Dogenpalast auf der Piazza, sondern in dem inzwischen verschwundenen am Rialto geherrscht hatten. Er war nicht viel größer als ein mäßiges Privathaus, bestand nur aus Erdgeschoß und erstem Stockwerk, in dessen Mitte die vielgerühmten Spitzbogen aus dem zwölften Jahrhundert die Fassade unterbrachen. Das ursprünglich weiße Steingemäuer war von den Jahrhunderten mit sanftem Grau beschlagen worden, aber sonst schienen sie machtlos an ihm vorübergegangen zu sein. Nur die Marmorstufen, die von der großen, erzenen Eingangstür herunter in den Kanal führten, waren vom ewigen Anschlag der Wellen poliert, da und dort zernagt, und die untersten hatten von Moos und Tang einen grünlichen Schimmer bekommen. Die Gondelpfeiler aber leuchteten frisch angestrichen in Weiß-Blau, den Farben der Priuli, die Dogenmützen, die sie bekrönten, glitzerten neuvergoldet, und wenn auch eine kleine Metallplatte mit verwitterter Inschrift zwischen dem Erdgeschoß und dem ersten Stockwerk verlöscht und zerstört dahing, so war doch der ganze Eindruck des Palastes ein so vornehmer, daß die Schöttlings meinten, er gehöre zu den besterhaltenen, die sie noch gesehen hatten.

      Der Gondoliere begann, sobald er um die Ecke vom Canal Grande abgebogen war, mit den üblichen Erklärungen. Er nannte den vermutlichen Baumeister, einen langverschollenen Namen, pries die Spitzbogen, als ob er wirklich etwas von ihrer Schönheit verstünde, wies mit der Hand nach der zerstörten Metalltafel und erläuterte, daß die unleserlich gewordene Inschrift besagte: »Hier wurde Enrico Priuli, der Sieger von Kreta, geboren und lebte sein höchst tugendreiches Leben, bis ihn der Tod zur Trauer aller Edlen und zum Schmerz der Republik von hinnen rief, anno Domini 1467.« Die Schöttlings fragten, ob die Familie Priuli wohl ausgestorben und der Name nur noch dem Palast erhalten geblieben sei. Der Gondoliere verneinte, wußte in den Personalverhältnissen der Priuli genau Bescheid, rühmte, daß sie immer noch zu den vornehmsten Familien Venedigs gehörten, und fragte, ob er die Herrschaften nicht vielleicht zu dem zweiten Palazzo Priuli fahren sollte, der nur wenige Ruderschläge weiter in demselben kleinen Kanal sich erhob.

      »Palazzo Ettore Priuli!« betonte er, als er die Gondel wieder abstieß, »Palazzo Carlo Priuli«, als er vor dem anderen hielt. Der Palazzo Carlo Priuli war reicher, aber lange nicht so künstlerisch und in sich abgeschlossen wie sein Vetter. Er stammte schon aus der Renaissance, prunkte mehr mit geschnörkelten Kapitälen, Stützpfeilern und Balkonen. Er war auch sichtbarlich restauriert worden, und auf den Gondelpfeilern fehlten die Dogenmützen, denn diese Linie der Priuli hatte der Republik keinen Herrscher gegeben. Die Schöttlings fragten auch hier diesem und jenem nach und СКАЧАТЬ