Название: Blinde Liebe
Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Er zog sein Notizbuch aus der Tasche und sagte ihr, sie möge ihm einige Worte hineinschreiben, damit er die Sache nicht vergesse. Sie schrieb so kurz, als ob sie ein Telegramm abgefaßt hätte:
»Halte Lord Harry zurück, damit er nicht früher Miß Henley sieht, bevor ich mit ihr gesprochen habe.«
»Jetzt,« sagte sie, indem sie einen Stuhl an die Seite seines Bettes rückte, »sollst Du erkennen lernen, was für eine kluge Frau Du hast. Höre genau zu.«
Neunzehntes Kapitel
Nachdem Mountjoy wohl schon zehnmal aus dem Fenster des Empfangszimmers geschaut hatte, erblickte er endlich Iris auf der Straße, als sie nach Hause zurückkehrte.
Sie brachte ihr Kammermädchen mit in das Empfangszimmer und stellte Rhoda in heiterster Laune ihrem Freunde vor.
»Welch ein Vergnügen ist doch ein so weiter Spaziergang, man muß es nur erst kennen lernen!« rief sie aus. »Sehen Sie nur die frisch geröteten Wangen meiner kleinen Rhoda! Wer würde da glauben, daß sie mit trüben Augen und bleicher Gesichtsfarbe hierher gekommen wäre? Ausgenommen, daß sie sich jedesmal in der Stadt verirrt, so oft sie allein ausgeht, haben wir allen Grund, uns zu unserem Aufenthalte in Honeybuzzard Glück zu wünschen. Der Doktor ist Rhodas guter Genius und seine Frau ihre Patin, wie die Fee im Märchen.«
Mountjoy sprach mit seiner gewohnten Höflichkeit dem Mädchen seine Glückwünsche aus. Darauf durfte Rhoda auf ihr Zimmer gehen.
Iris kam sofort auf sein gemeinsames Mittagessen mit dem Doktor zu sprechen.
»Ich hätte dabei sein mögen,« sagte sie, »um zu sehen, wie sich Ihr Gast an den Herrlichkeiten aus der Speisekammer des Hotels gütlich that. Im Ernst gesprochen, Hugh, Ihre gesellschaftlichen Sympathien haben eine Richtung angenommen, auf die ich nicht vorbereitet war. Nach dem Beispiel, das Sie mir gegeben haben, fühle ich mich wirklich wegen meiner Zweifel, ob Mr. Vimpany einer so liebenswürdigen Frau würdig sei, sehr beschämt. Glauben Sie nicht etwa, daß ich gegen den Doktor undankbar bin; er hat durch das, was er an Rhoda gethan, sich meine Achtung zu erringen verstanden. Ich bin mir nur darüber nicht klar, wie er sich Ihre Sympathien erworben hat.«
In der Weise fuhr sie noch weiter zu reden fort und freute sich ihrer eigenen guten Laune in unschuldigere Unkenntnis der ernsten Dinge, über die sie lachte.
Mountjoy versuchte, sie etwas zu mäßigen, aber es war umsonst.
»Nein, nein,« beharrte sie so mutwillig wie zuvor, »der Gegenstand ist zu interessant, als daß ich ihn so schnell fallen ließe. Ich bin furchtbar neugierig, zu hören, wie Sie und Ihr Gast das Mittagessen gefunden haben. Hatte er mehr Wein getrunken, als gut für ihn war? Wenn er sich manchmal selbst vergißt, so bringt er alles doch immer gleich wieder in Ordnung, indem er sagt: ›Bitte, nicht beleidigt sein!‹ und sich die Flasche von neuem reichen läßt.«
Jetzt konnte Hugh nicht länger ruhig zuhören.
»Bitte, mäßigen Sie für einen Augenblick Ihre Lebhaftigkeit!« sagte er; »ich bringe für Sie Nachrichten von zu Hause.«
Diese Worte machten dem Ausbruch ihrer Fröhlichkeit sofort ein Ende.
»Nachrichten von meinem Vater?« fragte sie.
»Ja.«
»Ist er hierher gekommen?«
»Nein, ich habe nur Mitteilungen von ihm erhalten.«
»Einen Brief?«
»Ein Telegramm,« erklärte Mountjoy, »als Beantwortung auf einen Brief von mir. Ich that mein möglichstes, um ihm Ihre Wünsche verständlich zu machen, und ich freue mich, Ihnen sagen zu können, daß meine Mühe nicht umsonst gewesen ist.«
»Hugh, lieber Hugh, Sie haben es also wirklich fertig gebracht, uns zu versöhnen?«
Mountjoy zog das Telegramm aus der Tasche.
»Ich bat Mr. Henley,« sagte er, »mich sofort wissen zu lassen, ob er Sie wieder aufnehmen wollte, er solle einfach mit Ja oder Nein antworten. Die Antwort hätte nun zwar liebenswürdiger ausgedrückt werden können, es ist indessen doch wenigstens eine günstige Antwort.«
Iris las das Telegramm.
»Gibt es wohl noch auf der Welt einen zweiten Vater,« sagte sie traurig, »der seiner Tochter sagen würde, wenn sie ihn bittet, wieder nach Haus zurückkehren zu dürfen, er wolle sie versuchsweise wieder bei sich ausnehmen?«
»Sie sind ihm doch nicht gram, Iris?«
Sie schüttelte ihren Kopf.
»Nein,« sagte sie, »mir geht es wie Ihnen. Ich kenne ihn zu gut, um durch seine Art und Weise beleidigt zu sein. Er soll mich pflichtgetreu, er soll mich geduldig finden. Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht so lange zumuten, hier in Honeybuzzard zu warten, bis ich wegkommen kann. Wollen Sie meinem Vater sagen, daß er mich in ungefähr einer Woche zurückerwarten soll?«
»Entschuldigen Sie, Iris, ich sehe, keinen Grund, weswegen Sie noch eine ganze Woche hier in dieser Stadt bleiben wollen. Im Gegenteil, je angelegentlicher Sie es sich sein lassen, zu Ihrem Vater zurückzukehren, um so wahrscheinlicher ist es, daß Sie Ihren Platz in seiner Liebe und Achtung wieder gewinnen. Ich beabsichtigte, Sie mit dem nächsten Zuge nach Hause zu bringen.«
Iris sah ihn erstaunt an.
»Ist es möglich,« sagte sie, »daß das Ihre wirkliche Meinung ist?«
»Meine aufrichtigste, liebe Iris. Warum sollten Sie zögern? Welcher stichhaltige Grund könnte Sie denn veranlassen, hier noch länger zu bleiben?«
»O Hugh, wie Sie mich enttäuschen! Wohin ist denn Ihre Liebenswürdigkeit, wohin ist denn Ihr Gerechtigkeitssinn und Ihre Rücksicht auf andere gekommen? Arme Mrs. Vimpany!«
»Was hat denn Mrs. Vimpany damit zu thun?«
Iris war empört.
»Was Mrs. Vimpany damit zu thun hat!« wiederholte sie. »Nach allem, was ich der Liebenswürdigkeit dieser guten Frau verdanke, nachdem ich versprochen habe, sie zu begleiten – sie hat so wenig glückliche Tage, die arme Seele! – auf Ausflügen nach den interessantesten Punkten der Nachbarschaft, da erwarten Sie von mir, daß ich sie sofort verlassen soll – nein, noch viel Schlimmeres als das – Sie erwarten von mir, die Arme wie ein altes, abgetragenes Kleid beiseite zu werfen? Und dies, nachdem ich sie in so ungerechter, in so undankbarer Weise in meinen Gedanken verdächtigt habe? Schändlich!«
Mit Mühe bewahrte Mountjoy seine Selbstbeherrschung. Nach dem, was er soeben gehört hatte, waren seine Lippen verschlossen betreffs des wahren Charakters der Mrs. Vimpany. Er konnte jetzt nur noch sich an die Pflicht gegen ihren Vater halten.
»Sie lassen sich von Ihrem lebhaften Charakter immer gleich zu den sonderbarsten Aeußerungen fortreißen,« antwortete er. »Wenn ich es für wichtiger halte, eine Versöhnung mit Ihrem Vater so schnell wie möglich herbeizuführen, als Sie zu ermutigen, Ausflüge mit einer Dame zu machen, die Sie doch nur erst eine oder zwei Wochen kennen, was habe ich dann so Entsetzliches gethan, daß ich einen solchen Ausbruch des Zornes und Aergers verdiene? Still, nicht ein Wort mehr hievon, denn СКАЧАТЬ