Das Mormonenmädchen Erster Band. Balduin Möllhausen
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Название: Das Mormonenmädchen Erster Band

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ schloß sie die Augen. —

      »Ich kann nicht weiter,« flüsterte sie nach einigen Minuten, und indem sie zu der dunkelbraun-rothen Scheibe der Sonne emporschaute, entdeckte sie, daß sie von ihrer alten Richtung abgewichen war. »Nein, ich kann nicht mehr! O, hätte ich nur einige Stunden länger bei der Quelle verweilt, ich würde die drohende Gefahr kennen gelernt und sie vermieden haben. Armes, armes Kind, Deine eigene Mutter hat Dich in den Tod getragen, wenn nicht —«

      Hier stockte ihre Stimme wieder, und mit einem unbestimmten Gefühl von Furcht und Hoffnung sank sie auf die Kniee. Sie glaubte den Ton menschlicher Stimmen vernommen zu haben, und aufmerksam lauschte sie in die Ferne.

      Längere Zeit hindurch traf nur das Brausen und Pfeifen des Windes ihr Ohr; dann aber unterschied sie ganz deutlich, und zwar in nicht allzu großer Entfernung, das dumpfe Getöse, mit welchem eine Anzahl Pferde den Boden mit ihren Hufen stampften, und das Schnauben, mit welchem sie Staub und Sand aus ihren Nüstern zu entfernen trachteten.

      »O wenn es Rettung wäre!« stöhnte die gequälte Mutter leise, und weiter neigte sie sich über ihren Knaben hin, um ihm Schutz gegen den Andrang des Wetters zu gewähren.

      »Bei Gott! ich sage Euch, es ist vergebliche Mühe, wir mögen eben so gut umkehren und Zuflucht im Gebirge suchen,« übertönte eine rauhe Stimme das Schnauben und Pferdegetrappel.

      Die junge Frau hätte aufjauchzen mögen, als sie die Nähe weißer Menschen erkannte, aber Entsetzen lähmte ihr im nächsten Augenblick wieder die Zunge, sobald sie die Stimme ihres Gatten vernahm, die Stimme desjenigen, den sie auf der ganzen Welt am meisten fürchtete.

      »Sie kann nicht weit sein!« rief derselbe mit vor Ingrimm bebender Stimme aus; »sie hat an der Quelle übernachtet, und Ihr Alle habt ihre Spuren noch im Ausgange des Passes gesehen. Wären wir nur eine halbe Stunde früher inʼs Freie gelangt, so hätten wir wenigstens noch ihren Kopf aus der Ferne entdecken müssen; denn noch ist es keine zwei Stunden her, seit der Sand Manneshöhe erreichte.«

      Die junge Frau, mehr einem Instinct, als einer ruhigen Ueberlegung folgend, schmiegte sich noch fester an den Boden. Sie berechnete aus dem Geräusch, daß die Reiter an ihr vorüberziehen würden, und hoffte daher unentdeckt zu bleiben.

      »Eine Frau, welche dem Gatten entflieht, sollte man ruhig laufen lassen, anstatt ihr in einem solchen verfluchten Wetter nachzujagen!« sagte die erste Stimme jetzt wieder mit noch ausgeprägterem Mißmuth.

      Die junge Frau schauderte; die Reiter befanden sich ihr gerade gegenüber, kaum fünfzehn Schritte weit von ihr entfernt, und der Wind trug ihr jede einzelne Silbe ihres Gespräches zu.

      »Mögen die Gebeine der Abtrünnigen im Sande bleichen, wenn es mir nur gelingt, des Knaben wieder habhaft zu werden,« entgegnete derjenige, den die junge Frau als ihren Gatten erkannt hatte; »ja, ich muß ihn wiederhaben, denn einestheils ist es mein Kind, und anderntheils knüpfen sich zu große Rechte an seine Person. Alles, Alles wäre verloren, geriethe er in unrechte Hände. Wir müssen ihn finden, und wir finden ihn auch, und sollten wir ihn halbtodt unter dem Sande —«

      Weiter vernahm die Mutter nichts mehr, die Reiter galoppirten schon wieder außerhalb der Hörweite dahin, und immer schwächer drang zeitweise nur noch das Schnauben und Stampfen der Pferde zu ihr herüber.

      »Wer wohl heiligere Rechte an Dich besäße?« sagte sie, in Thränen ausbrechend, indem sie dem erwachenden Kinde mit Küssen den Mund schloß, denn noch immer befürchtete sie, daß ein Ruf oder ein Aufschrei des Knaben die Reiter zurückrufen würde. »O wer besäße wohl heiligere Rechte an ein Kind, als die Mutter desselben?

      Aber still, mein Engel, sie sollen Dich nicht haben, um Dich ihren schändlichen Zwecken dienen zu machen. Ich rette Dich, und sollten wirklich meine Gebeine im Sande bleichen. Du mußt, Du wirst gerettet werden, oder es giebt keine Gerechtigkeit mehr im Himmel. Auch trinken sollst Du, so viel Du nur willst, und wenn der Sturm sich gelegt hat, dann kehren wir zur Quelle zurück, um dort beständigeres Wetter abzuwarten; sei darum ruhig, mein Herzenskind, Deine Mutter ist bei Dir.«

      Während die von Angst und Sorge erfüllte Mutter in dieser Weise dem jammernden Knaben beruhigend zusprach, suchte sie ihm, da der dicht wirbelnde Sand den Gebrauch der Tasse nicht gestattete, das Wasser gleich aus dem Schlauch einzuflößen. Es gelang ihr dies nur mit vieler Mühe. Nachdem sie endlich seinen Durst gestillt und auch selbst einen bescheidenen Trunk zu sich genommen, legte sie sich so neben ihn hin, daß er nicht von dem Sturm getroffen werden konnte. Mittelst der Decke stellte sie sodann, dieselbe unter ihren Schultern befestigend, eine Art Zeltdach für sie Beide her, und da sie sich überzeugte, daß in dem geschützten Winkelchen der Staub nicht mehr mit erstickender Gewalt in die Luftröhren eindrang, so drückte sie ihr Kind fest an sich, um in dieser Lage das Niedergehen des Windes abzuwarten. Das Kind entschlief bald wieder; auch die Mutter vermochte nicht lange dem Schlaf Widerstand zu leisten; sie war zu erschöpft von der beschwerlichen Wanderung, zu gebrochen durch die andauernde Seelenqual.

      Der Sturm, dagegen schien unermüdlich zu sein. Mit wachsender Gewalt wühlte er den lockern Boden auf, um die für seine Kräfte nicht zu schweren Steinchen und Sandtheile zu einem dichten Nebel emporzuwirbeln. Auch über die Mutter und ihr Kind strich er hin; er fand dort eine geeignete Stelle, einen Theil seiner Last abzusetzen, und schleunigst baute er vor und hinter ihnen, wie um sie allmälig zu begraben, kleine Wälle auf.

      Hui! wie der Sand über den entstehenden Hügelchen kreiste und kreiste, ehe er sich niederließ, und wie die sinkende Sonne so braunroth und trübe, so ganz ohne Strahlen durch die verdichtete Atmosphäre auf das Werk des Sturmes niederschaute! Aber um die Sandhügelchen herum, unter welchen zwei lebende Wesen immer schwächer athmeten, schlich näher und näher, die gierigen Krallen nach seinen Opfern ausstreckend, der grimme, unbarmherzige Tod. —

      2

      Die Matrosenschänke

      Die Vereinigte Staaten-Regierung hatte den Mormonen den Krieg erklärt, und am Missouri wurden an allen den Zwecken entsprechenden Punkten mächtige Wagentrains befrachtet und ausgerüstet, theils um die nach dem Salzsee bestimmten Truppen durch die endlosen Steppen und Wüsten zu begleiten, theils um den schon in der Nähe des Salzseethales lagernden Commandos Lebensmittel und Kriegsmaterial zuzuführen. Doch Kriege wurden zu damaliger Zeit von den Bürgern der Vereinigten Staaten noch außerordentlich leicht genommen, namentlich aber ein Feldzug gegen die Mormonen, zu welchem man nicht einmal Freiwillige aufzubieten brauchte. Man hielt nämlich eine reguläre Armee von sechs- bis achttausend Mann für hinreichend, eine doppelt so starke Macht der entschlossensten und zugleich fanatisirten Männer nach allen vier Himmelsgegenden auseinander zu jagen, und gab sich nicht einmal die Mühe, den Mormonen die Wege, auf welchen sie ihre Hülfsmittel erhielten, abzuschneiden. Ja, man ging sogar so weit, den aus allen Richtungen, gehorsam den Befehlen ihres Propheten, herbeieilenden »Heiligen« und Proselyten, gegen gute Bezahlung Alles einzuhändigen, was sie wünschten, und wären es auch die für das warme Herzblut und die gesunden Glieder der Vereinigte Staaten-Truppen bestimmten Kugeln gewesen.

      Die Aussicht auf einen bevorstehenden Krieg erweckte daher mehr freudiges Interesse, als Bedauern, und wenn sich das Interesse wirklich hin und wieder zum Enthusiasmus steigerte, so war damit sicher in den meisten Fällen die Hoffnung auf gewinnbringende Lieferungen für die Armee verknüpft, oder die feste Erwartung, endlich einmal wieder die höchst langweiligen Zeitungen mit den Berichten der Wunder der Tapferkeit, vorzugsweise ausgeführt von den früheren Zöglingen der vortrefflichen Officierschule zu Westpoint, angefüllt zu sehen.

      Ja, auch dort lebte man noch in dem kindlichen Glauben, daß eine hübsche Haltung, Glanzstiefel, wohlgebürstete Uniformen und Lorgnetten die Hauptbedingungen seien, eine Armee furchtbar zu machen.

      Die letzten Jahre der nordamerikanischen СКАЧАТЬ