Das Mormonenmädchen Erster Band. Balduin Möllhausen
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Название: Das Mormonenmädchen Erster Band

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Bewegung, die dasselbe hätte wecken können, und mit innerer Zufriedenheit bemerkte sie, daß der Sand immer lustiger und höher vor dem wachsenden Winde dahinstäubte. Sie hoffte, ihren erwachenden Kleinen mit dem sonderbaren Schauspiele zu erfreuen; gewährte es ihr doch selbst einige Unterhaltung, zu beobachten, wie die weißen Streifen sich bald verlängerten, bald verkürzten, oder sich auch zu großen regsamen Flächen vereinigten und dann wieder schnell in kleine Felder auseinanderrissen.

      Plötzlich fuhr sie, indem sie zur Seite schaute, erschreckt zusammen. Ihre Blicke waren auf einen klaren See gefallen, der seine zitternden Fluthen mit reißender Schnelligkeit bis auf etwa hundert Schritte an sie heranwälzte und sich dann zu beiden Seiten von ihr ausdehnte. Sie faßte sich indessen schnell wieder, und die Hand auf ihre Brust legend, wie um das heftige Pochen des Herzens zu beruhigen, blickte sie, ohne die Eile ihrer Schritte zu mäßigen, eine Zeit lang mit besorgnißvoller Theilnahme auf den trügerischen Wasserspiegel.

      »O, wenn es doch Wasser wäre,« sagte sie mit einem tiefen Seufzer, »süßes, klares Wasser; ich brauchte dann nicht zu sparen. Aber es ist Täuschung, für den Durstigen bittere, martervolle Täuschung,« fuhr sie fort, als sie bemerkte, daß der See mit seiner leicht gekräuselten Oberfläche gleichen Schritt mit ihr hielt und, wenn sie sich ihm zu nähern trachtete, neckisch vor ihr zurückwich.

      »Und dort die Inseln mit den schattigen Baumgruppen,« nahm sie nach einer längeren Pause ihr Selbstgespräch wieder aus, »wie würde mein Knabe sanft schlummern unter dem schattigen Laubdach, oder spielen am Rande des seichten Gewässers! Aber es ist Täuschung; dort verschwindet eine Insel, die Bäume schrumpfen zu Artemisia-Büschen zusammen, hier steigt eine andere Insel aus den Fluthen empor – aber ich will nicht mehr daraus hinblicken, es stimmt mich trübe.«

      So sprechend, senkte sie die Augen vor sich auf die Erde, in welche ihre Füße stellenweise bis an die Knöchel einsanken.

      Der Wind hatte sich erst wenig verstärkt, doch fiel es ihr auf, daß die Schicht des treibenden Flugsandes bedeutend höher geworden war, und die weißen Streifen nicht mehr, wie kurz vorher, auseinanderrissen, sondern, so weit die Luftspiegelung nicht den Erdboden mit einem bläulichen Schleier verhüllte, eine einzige bewegliche Decke bildeten.

      Da fuhr ein heftigerer Windstoß über die Ebene, und indem die junge Frau ihre heiße Stirn demselben darbot, gewahrte sie, daß eine dichte Staubwolke den Spiegel des Sees trübte und zerriß.

      »Ich werde meinem Knaben das schöne Schauspiel nicht mehr zeigen können, wenn der Wind noch zunimmt,« sagte sie, mit einer Anwandlung von Bedauern den zerstörten See betrachtend.

      »Trinken!« rief das Kind mit noch geschlossenen Augen, im nächsten Augenblick hob es aber den Kopf empor, und mit dringenderem Ausdruck wiederholte es seinen Wunsch nach Wasser.

      Die Mutter stand still und warf einen Blick rückwärts. Ueber der zurückgelegten Bahn lagerte ein dichter Schleier des treibenden Sandes; das Gebirge und der Paß waren aber noch sichtbar, und leicht berechnete sie, daß sie schon gegen sechs englische Meilen gewandert sei.

      »Es ist freilich noch früh, aber trinken sollst Du, mein Kind,« sagte sie zärtlich, indem sie sich ihrer Bürde entledigte. »Ja, trinken und auch etwas essen, damit mein Engel keine Noth leidet.«

      Mit diesen Worten öffnete sie das Säckchen mit dem Pinole, und nachdem sie von dem feinen, versüßten Mehl in die Tasse gethan, fügte sie so viel Wasser hinzu, bis dadurch eine Art von Suppe entstand.

      Bei dieser Arbeit wurde sie daran gemahnt, daß ein Sturm in der Wüste doch wohl weniger harmlos sei, wie sie bis dahin geglaubt hatte, denn nur mit der größten Mühe vermochte sie den zudringlichen Sand, der geschickt jede kleine Oeffnung zu finden wußte, von dem Pinole und dem Wasser fern zu halten. Ernste Befürchtungen stiegen aber immer noch nicht in ihr auf, selbst auch dann noch nicht, als sie nach Befriedigung der Wünsche des Kindes die Wanderung wieder antrat und der wirbelnde Sand ihr schon bis über die Kniee reichte.

      Der trügerische See war um diese Zeit wieder vollständig verschwunden; die junge Frau konnte daher die Aufmerksamkeit ihres Kindes nicht mehr auf den scheinbar Wellen schlagenden Wasserspiegel hinlenken, dafür aber gewährte der treibende Sand, der immer höher und höher stieg, ihm eine doppelte Unterhaltung, und mehrfach mußte die Mutter sich niederbeugen, um ihn nach den flüchtigen Sandtheilchen haschen zu lassen, die unhörbar und hastig der ihnen vom Winde angedeuteten Bahn nacheilten.

      »Wenn die Masse nur nicht zu hoch steigt,« dachte die jetzt schon ermüdende Wanderin mit einem tiefen Seufzer, der in seltsamem Widerspruch stand zu dem Kreischen und Jubeln des entzückten Knaben. —

      Doch der Sand und der zum Sturm anwachsende Wind nahmen keine Rücksicht auf das brechende Mutterherz oder auf das Engelsantlitz des kleinen Knaben. Heftiger wühlten die kreisenden Luftströmungen in dem losen Erdreich, höher und dichter jagten sich die falben Staubwollen. Schien es anfangs, als wate die Mutter mit dem Kinde in einem gelben See, so hätte man sie jetzt, aus der Ferne gesehen, für einen kühnen Schwimmer halten mögen, der, Kopf und Schultern über den Fluthen, mit aller Kraft gegen eine verderbliche Strömung ankämpfe. —

      Die Besorgnisse der jungen Frau hatten sich schon längst in die ernstesten Befürchtungen verwandelt. Als sie aber die den Gaumen ausdörrenden Staub- und Sandtheilchen nicht mehr von dem Kinde fernzuhalten vermochte, und dieses einmal über das andere Mal winselnd und jammernd nach Wasser rief, da bemächtigte sich ihrer das furchtbarste Entsetzen. Sie wollte zurückeilen in den Schutz der Gebirgsschluchten und dort in der Nähe der Quelle eine Aenderung des Wetters abwarten; doch zu weit befand sie sich schon von dem Paß entfernt, und der Rest des Tages und ein Theil der Nacht wären darüber hingegangen, ehʼ sie, bei der nunmehr schon eingetretenen Erschöpfung, den ersehnten Schutz erreicht hätte. Sie fühlte, sie hatte sich zu viel zugetraut; auch sie besaß nur die Kräfte einer Sterblichen, und von einem Sandsturm, wie er jetzt ihr und ihres Kindes Leben bedrohte, hatte sie ja nie eine Ahnung gehabt.

      Verzweifelnd blickte sie zu den fernen Gebirgszügen hinüber. Nur die höchsten Gipfel unterschied sie noch von ihrem niedrigen Standpunkte aus. Alles Uebrige war eine pfeilschnell dahinstreichende, erstickende Masse und blendender, unveränderlicher Sonnenschein, und immer lauter und schärfer pfiff der Wind.

      Das Kind, nachdem es noch eine Weile gejammert und vergeblich gesucht hatte, durch Reiben mit den Händen den ätzenden Staub aus den Augen zu entfernen, hatte diese zuletzt gar nicht mehr zu öffnen gewagt, und war vor Schmerz und Erschöpfung wieder eingeschlummert. Die Mutter dagegen bot dem Unwetter noch immer Trotz, als die Sandschicht schon weit über ihren Kopf hinausragte. Der Berggipfel, nach welchem sie die Richtung ihrer Reise bestimmte, war ihr längst nicht mehr sichtbar; eben so waren die übrigen Gebirgszüge ihrem Gesichtskreise entschwunden. Nur der Wind und die Sonne blieben ihre Wegweiser, der Wind, der ihr mit schwereren und schärferen Steinchen die Haut peitschte, und die Sonne mit blutrother, durch den Sandnebel verfinsterter Scheibe.

      Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den andern, und matt hingen die Lider über die brennenden Augen. Ein grimmer Schmerz durchwühlte ihre Brust, ein Schmerz, zu herbe, zu tief, als daß er sich in Thränen seinen Weg hätte bahnen können. Was die junge Frau schon erduldet und gelitten, das kam jetzt nicht mehr in Betracht; sie hegte nur noch einen einzigen Gedanken, und der betraf ihr Kind und die mögliche Rettung desselben. Nur flüchtig gedachte sie der Heimath, die sie erst vor wenigen Tagen heimlich verlassen; sie gedachte derselben ohne Reue über ihr Thun, aber ein Schauder ergriff sie, als das Bild ihres Gatten ihr vor die Seele trat, das Bild Desjenigen, der sie so schändlich hintergangen hatte.

      »Fortgetrieben hast Du mich in den Tod,« sagte sie verzweiflungsvoll vor sich hin, und trotz des wehenden Sandes suchte sie die Augen weit genug zu öffnen, um zwischen den Falten der Decke hindurch einen Blick auf ihr fieberhaft schlummerndes Kind zu erhaschen. »Fort in den Tod, mich und Dein Kind, wenn ein СКАЧАТЬ