Lu die Kokotte. Artur Landsberger
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Название: Lu die Kokotte

Автор: Artur Landsberger

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Stoß des Professors warf sie zu Boden; alle stürzten hinaus.

      »Im Kern verdorben!« sagte Dr. Heinrich an der Haustür.

      Sonst sprach niemand was; und sie trennten sich ohne ein Wort des Abschieds. —

      Oben im Saal roch es noch immer nach Lorbeerblättern, Rosen und Veilchen. Neben den letzten Kränzen, die wohl zu spät gekommen oder, weil der Wagen sie nicht mehr faßte, aus Not zurückgeblieben waren, lag regungslos Fanny.

      II

      Fanny saß im Salon an ihrem Schreibtisch; vor ihr lag ein großer Bogen, der mit Hunderten von Zahlen vollgeschrieben war. Sie rechnete; zum ersten Male seit Jahren. Addierte und subtrahierte, aber es wollte nicht stimmen.

      Sie drückte auf die Klingel; der Diener kam.

      »Rufen Sie meine Tochter; aber sie soll gleich kommen.«

      »Sehr wohl, gnädige Frau!«

      Sie begann von neuem; schrieb Zahlen um Zahlen; strich sie wieder aus; schüttelte den Kopf; gab es dann auf; trat an einen Bulschrank; öffnete ihn; schraubte eine schwere Kassette los, stellte sie auf den Tisch, schloß sie auf, entnahm ihr eine Reihe von Schachteln und Kästen, die sie zum Schreibtisch trug.

      Luise trat ins Zimmer; schritt auf die Mutter zu, legte ihren Arm um sie, warf einen Blick auf das Papier, sah die Schachteln und Kästen und wußte, was vorging.

      »Armes Mütterchen«, flüsterte sie. »Ja, wer das Rechnen nicht gewöhnt ist, wie wir, dem fällt’s schwer!«

      Sie sah ihr Kind traurig an. »Es ist noch weit weniger, als ich dachte«, sagte sie.

      »Wenn’s nur so lange reicht, bis der Harry sich durchgesetzt hat.«

      »Das tut’s eben nicht«, erwiderte Fanny.

      »Das muß es tun!« erklärte Luise so bestimmt, daß Fanny erstaunt aufblickte und ihr in die Augen sah.

      »Sonderbar! Daß der Vater nie auf den Gedanken kam, dich so zu malen! Ich gäbe etwas darum, wenn ich das festhalten könnte.« Sie stand auf und trat auf sie zu: »Keines der vielen Bilder, die er von dir malte, ist so schön wie dies!« Dabei fuhr sie ihr mit der Hand übers Haar und küßte sie auf die Stirn:

      »Vergiß nie die sonnige Jugend, die du ihm verdankst. Solche Erinnerung reicht oft fürs ganze Leben. Denke in Liebe an ihn, mein braves Mädel!« Luise erschrak; das klang ja wie Abschied vom Leben.

      »Warum so feierlich, Mama? Du willst ihm doch nicht etwa . . .?« Sie scheute sich den Gedanken auszusprechen.

      Aber Fanny beruhigte sie: »Aber nein! Glaubst du, ich werde dich allein lassen? Du würdest dich in dieser schlimmen Welt ja gar nicht zurecht finden ohne mich.«

      »Sag’ das nicht«, erwiderte Luise; »ich habe mehr über das Leben nachgedacht als du glaubst.«

      »Sieh mal an!« rief Fanny ganz erstaunt. »Wann hattest du denn Zeit dazu? Ich habe dich immer nur strahlend gesehen. Des Tags über tolltest du im Garten; gleich ob es Sommer oder Winter war. Und des Abends saßest du beim Vater, und ihr erzähltet euch Geschichten, die gewiß nicht traurig waren. Wo blieb meinem Sonnenkinde denn da noch Zeit, über das Leben nachzudenken?«

      Luise wurde verlegen. »Dann war es wohl doch mehr mit dem Herzen, wenn ich dachte . . . als mit dem Verstande.« – Sie wurde nachdenklich. »Da magst du schon recht haben, Mütterchen, daß alles dann mehr Gefühle als Gedanken waren . . .«; und fast traurig fuhr sie fort: »Und da Vater mich nur mit dem Herzen denken lehrte, was wohl recht gut für frohe Zeiten war, so werde ich mich jetzt, wo ich kalt denken und berechnen muß, womöglich schwer im Leben zurecht finden.« Trostlos klang es, als sie sagte: »Oder gar nicht.«

      Fanny faßte sie an die Schultern:

      »Darum eben bin ich da«, sagte sie bestimmt, »und bleibe da! Denn jetzt brauchst du jemand, der für dich denkt; einen ganz kalten, nüchternen Menschen – weißt du, so einen, wie du ihn nie leiden mochtest.«

      Luise wollte widersprechen – aber Fanny sagte:

      »Gewiß, ich weiß ja; daß ich dich lieb habe, hast du trotz allem am Ende doch immer herausgespürt.«

      »Ja, Mutter«, bestätigte Luise leidenschaftlich; »wenn ich auch . . .«

      »Wenn du mit deinem heitren Sinn auch mehr zum Vater paßtest . . . Natürlich!« unterbrach sie Fanny. »Aber jetzt ist meine Stunde da, wo ich mein Kind so sicher durch alles Trübe und Schwere führen muß, daß es sich sein goldnes Gemüt erhält. Bis es eines Tages wieder ohne ernste Gedanken nur mit dem Herzen leben darf.«

      »Statt, daß du mich teilnehmen läßt an deinen Sorgen«, antwortete Luise unzufrieden; »ich bin auch zu anderem gut als nur zum Lachen und Scherzen. Gerade weil ich leichter und heiterer bin als du und alles nicht so ernst nehme, gerade darum kann ich dir jetzt mehr sein als du mir.«

      Fanny war starr: »Nein, wie du sprichst, Luise! Das kenne ich ja gar nicht an dir, als ob du in den paar Tagen ein anderer Mensch geworden wärest.«

      »Durchaus nicht!« erwiderte Luise. »Oder hat es etwa schon einmal eine Situation in meinem Leben gegeben, in der du Gelegenheit hattest, mich kennenzulernen? Gerade im Unglück wird sich mein Temperament am besten bewähren, versuch’s mir!«

      Sie ging an den Schreibtisch. Fanny sah sie noch einmal an, als stände sie vor einem Wunder. Aber Luise hielt bereits den großen Bogen mit den vielen Zahlen in der Hand, den ihre Mutter gerade vor ihr verbergen wollte.

      »Was? Mit 150 Mark soll der Harry in Rom leben? Das ist ganz unmöglich!« rief sie. »Wo er bis jetzt monatlich 1000 hatte.«

      »Wir werden uns alle an ein anderes Leben gewöhnen müssen«, sagte Fanny.

      »Wir schon! Aber er? Niemals! Schon wenn er sein Atelier aufgibt, an das er gewöhnt ist, wird seine Kunst leiden. Harry muß weiterleben wie bisher«, erklärte sie ganz bestimmt; »sobald der bei seiner leichten und unpraktischen Art anfangen muß, mit Kleinigkeiten zu rechnen, verliert er sich. Ich kenne ihn! Tausende, die es könnten, deren Entwicklung es nichts schaden würde; aber niemals er! Verlaß dich darauf. Erst wird’s ihn amüsieren, und er wird denken: Pah, als ob es darauf ankäme! Dann aber wird’s ihm unbequem werden; ihn schließlich verstimmen, unlustig zur Arbeit machen! – Erst einmal muß er durch sein! Nachher, da kann man an seinem äußeren Leben so viel Änderungen vornehmen, wie man will. Bis dahin aber muß alles bleiben, wie es ist!«

      Fanny hatte bis zu dieser Stunde ihr Kind nicht gekannt; hatte geglaubt, es werde nun wie ein Vögelchen mit gebrochenen Flügeln scheu und zaghaft umherflattern und nie mehr seine helle Stimme erheben. Sie hatte sich schon ein ganzes Programm zurechtgelegt, wie sie ihr Kind erheitern, alles Häßliche und Schmutzige, was nun kommen mußte, von ihm fernhalten würde. Und nun? – Dankbarkeit für ihren Mann war das erste, was sie empfand. Ja, in Luise lebte sein aufrechter Geist. Ein ganzer Kerl war sie mit ihren 19 Jahren, der das Leben gerade da bejahte, wo es am schwersten wurde; der sich nicht zimperlich den Verhältnissen unterwarf. Der seinen Willen erzwang! Wenn es sein mußte, auch gegen die Verhältnisse! – Ja, das war das Kind ihres Mannes. Und erst jetzt kam ihr so recht zum Bewußtsein, was auf seiten des Professors dazu gehört haben mußte, um den Widerstand ihres Mannes, der dem Leben selbst da, wo es nichts mehr bot, noch Reize abrang, zu brechen.

      »Du willst mir also helfen?« sagte sie bloß.

      »Welche СКАЧАТЬ