Fridolins heimliche Ehe. Adolf von Wilbrandt
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Название: Fridolins heimliche Ehe

Автор: Adolf von Wilbrandt

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ ich sage zu Männern, die mir näher treten, in heitren Momenten: Ihr; ich sage zu Freunden: du. Warum beabsichtige ich nun auch zu Ihnen du zu sagen? Warum – lassen Sie mich zu Ende reden, Franz – warum will ich dir das Vorrecht erteilen, mein brüderliches Du zu erwidern? Weil durch deine Eigenschaften, deine Verdienste die Bruderschaft zwischen uns hergestellt ist, die ich keineswegs als ein allgemeines, angeborenes Menschenrecht, im Gegenteil als das letzte Resultat der Selbstveredlung, als den Lohn der wahren Menschwerdung betrachte. Gib mir deine Hand! Ich hab' dich beobachtet. Ich finde dich auf dem rechten Wege. In diesem einen laß mich dir zum Vorbild dienen: ich liebe keinen Menschen, eh ich ihn achten gelernt habe; und ich fühle mich gezwungen, jeden zu lieben, der mir Achtung abnötigt. Umarmen wir uns! Also: Du.«

      Dem guten Jungen, dem Franz, traten ein paar Thränen in die braunen Augen. Er wollte etwas sagen, stotterte dann aber nur, in seinen Thränen lachend: »Fridolin! Du!«

      Fridolin küßte ihn noch einmal auf die Stirn; dann wandte er sich ab und sagte heiter: »Und so wären wir nun mit den Geschäften zu Ende.«

      Sein Blick fiel indessen auf den kleinen Fridolin, der sich ihm in den Weg stellte, offenbar in einer Absicht, die er nicht in Worten auszudrücken wagte. Denn er sah nur mit ergänzenden Gebärden abwechselnd auf den Professor und auf den soeben zur Bruderschaft Berufenen, lächelte dann mit einem gewissen Ungewissen Lächeln, sagte aber nichts.

      Der Professor zog die Augenbrauen in die Höhe; zum Zeichen, daß er sogleich erriet, welches Verlangen sich in Fridolin regte. Er blieb stehen und sah ihn eine Weile gleichfalls schweigend an. Der Ausdruck unsicherer Keckheit und trotzigen Selbstvertrauens, der auf des Jünglings Gesicht allmählich, und mehr und mehr, gleichsam verdunstete, schien ihn zu ergötzen. Endlich sagte er: »Nehmen wir an, mein Sohn, daß ich bereits erraten hätte, was Sie so stumm von mir wünschen. Fühlen Sie sich würdig, dasselbe zu erleben« – er deutete auf Franz – »was dieser Knabe erlebt hat?«

      Der kleine Frivolin warf einen unwillkürlichen, etwas geringschätzenden Blick auf Franz; ebenso unwillkürlich richtete er sich etwas höher auf. »Ich glaube, ich bin davon frei, mich zu überschätzen,« erwiderte er; »aber ich weiß nicht, warum ich mich unwürdig fühlen sollte, Ihnen so nahe zu stehn, wie der gute Franz.«

      »Meinen Sie?« fragte der Professor, mit humoristischem Ernst. »Wie sagt Hamlet, mein Freund? ›Behandle jeden nach Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher?‹ Wie sage ich, Hamlet erweiternd? ›Behandle jeden nach seiner eigenen Schätzung, und wem ist nicht eine Million und eine Ehrenkrone gewiß?‹ – Ich werde Ihnen noch folgendes sagen, Frivolin; und sowie ich es gesagt habe, werd' ich euch auf eine Stunde verlassen, da ich mit diesem Heimgekehrten« (er meinte Leopold) »mich unter den Bäumen des Tiergartens ein wenig austauschen will. Junger Frivolin, Sie sind ein begabter Mensch. Sie sind vielleicht der Begabteste unter den zukünftigen Menschen, die von unsern drei Akademien sich unter meiner Fahne der Kunstgeschichte versammeln. Aber Sie haben einstweilen noch zu viel Glauben an sich selbst, und zu wenig Glauben an unsere Ideale. Ich beobachte auch Sie! Ich hab' in Ihnen drei Götter entdeckt, zu denen Sie beten: den Erfolg, das Frauenzimmer und das Geld. Mein Sohn, die Kunst läßt dir durch mich, deinen Professor, sagen: ›Du sollst keine andern Götter haben neben mir!‹ Wollen Sie ein großer Künstler werden, so schreiben Sie vor allem die Worte eines andern großen Künstlers an Ihre Thür« (er deutete unwillkürlich auf die philosophische Inschrift an seiner eigenen):

      »Die Kunst hab' ich geliebet,

      Die Kunst hab' ich geübet

      Mein Leben lang.

      Die Künste hab' ich verachtet,

      Nach Wahrheit nur getrachtet.

      Drum wird mir nicht bang.«

      Professor Fridolin hatte die letzten Verse mit edel pathetischen Bewegungen des rechten Armes begleitet. Dann ergriff er seinen Hut, winkte Leopold, ihm zu folgen, und ging zur Thür. Auf der Schwelle blieb er noch einmal stehn und blickte auf Fridolin zurück, der mit einem aus verschiedenen Gefühlen gemischten Erröten kämpfte. »Und was also Franz und die Bruderschaft betrifft,« setzte er hinzu —

      Frivolin horchte auf.

      »So sag' ich Ihnen, mein Sohn: Ihre Stunde ist noch nicht gekommen.«

      III

      Der März dieses Jahres (es ist lange her) war nach einem harten Winter plötzlich mild geworden; und drei Wochen lang hatte er nun schon diese menschenfreundliche Rolle gespielt. Man hatte, nach Menschenart, bereits vergessen, daß Berlin eine der Hauptstädte des Nordens ist, man glaubte die Herrschaft des Frühlings angebrochen, die »Erdachse« zu Gunsten eines milderen Klimas »gedreht«; das dem nordischen Menschen eigene, stillende, festigende, schön befriedende Wintergefühl zerflatterte mehr und mehr in die Unruhe der Seele, die der Lenz hervorbringt. Der Abend dieses zwanzigsten März war noch mehr als alle früheren von lauen Lüften und fast sommerlich warm gefärbten Wolken verklärt. Als Fridolin mit Leopold auf die Straße hinaustrat, hatte der beinahe volle Mond das klare Gewölbe erstiegen und beleuchtete den langsamen Wolkenzug, den ein phantasievolles Auge für einen ungeheuren Wanderzug heimkehrender Frühlingsvögel halten konnte. Die beiden, diesem Zuge folgend, schlenderten über den Potsdamer Platz, durch die stillere Bellevuestraße in den Tiergarten hinein, und auch die Nacktheit seiner dunklen Bäume beirrte ihre Frühlingsgefühle nicht. Die leise Luft wehte so mild; der Geruch sprießender Blätter, Veilchenduft und Vogelgesang schien sie zu durchschwärmen. Fridolin hatte seines jungen Freundes Arm genommen; er sing an, leise ein Lied zu singen; Leopold sang nicht mit, aber er störte ihn nicht. So hatten sie noch wenig gesprochen, als sie endlich der »Rousseau-Insel« gegenüber stehen blieben und ein träumerischer Gedankengang, der Fridolins Züge weich machte, ihn festzubannen schien. Er lehnte sich an einen Baum. Der Mond beschien seinen schwarzen, weichen, künstlerisch eingedrückten Hut, und das immer noch schöne Gesicht. Die Falte zwischen den Augen war von der lyrischen Stimmung, in der er sich fühlte, fast aufgelöst; die blauen Augen hatten einen Ausdruck beinahe weiblicher Empfindsamkeit, einen sanften Glanz, sanft wie do« Mondlicht, das ihn überfloß. Leopold, den klugen, beobachtenden Blick auf Fridolin geheftet, stand gleichfalls still, ohne sich zu rühren. Um seine Lippen rührte sich wieder der feine, frühreife, überlegene Zug; doch er ließ Fridolin träumen, wie er wollte, und störte ihn nicht. »In solcher Nacht,« fing Fridolin endlich an,

      »In solcher Nacht ward ich zur Nachtigall

      Und flötete von unerhörter Liebe.«

      »In solcher Nacht,« sagte Leopold mit seinem ruhigen Baß, »lief ich an der Rousseau-Insel Schlittschuh, mit einer Dame im Pelzmuff, und ward geliebt.«

      »Mein teurer Freund,« erwiderte Fridolin wehmütig, »dein jugendlicher Hochmut hat leider recht. Du bist jung, ich bin alt.«

      Leopold lächelte. »Du bist vierzig, ich zweiundzwanzig! Wenn ich vierzig Jahre alt sein werde, werd' ich nicht ›von unerhörter Liebe flöten‹, sondern alle zweiundzwanzigjährigen Jünglinge durch mein Liebesglück beschämen, zur Verzweiflung bringen, rasend machen.«

      »Glaubst du? – Es scheint, mein Lieber, dieses Jahr, seit ich dich nicht gesehn, hat dich Sohn des Glücks noch glücksstolzer, noch selbstgewisser gemacht! – Du hast dich verschönert, das ist wahr; du siehst reifer, geistreicher, siehst bedeutender aus. Du siehst aus wie deine Briefe: fünfundzwanzigjährig. Wär' ich deine Mutter, so würd' ich stolz auf dich sein. Da ich aber nur dein Freund bin – und vor einem Jahr noch dein ›Meister‹ war – so möcht' ich dir lieber sagen, mein Sohn, daß du doch immer noch ein Werdender bist.«

      »Ebensogut könntest du dem Baum sagen, daß er ein Baum ist,« erwiderte Leopold lächelnd. »Wie und wann sollt' ich denn vergessen, daß ich ein Werdender bin? Daß ich werde, das ist's ja, warum ich lebe.«

      Fridolin nickte zufrieden. »Da СКАЧАТЬ