Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Mühle zu Husterloh - Adam Karrillon страница 5

Название: Die Mühle zu Husterloh

Автор: Adam Karrillon

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ möchte es nicht so weit treiben, dass die Müllerin prinzipiell werde, denn in diesem Falle werde sie – Röse Ricke – sogar dem Teufel raten, ihr aus dem Wege zu gehen.«

      Die Furcht vor der Mühle zu Husterloh war zu der Zeit noch groß genug, um die arme Nähkatherine umzustimmen. Sie zog mit ihrem Gefolge von Nahsichtigen und Halbgelähmten in die Mühle ein. Mutter Höhrle hatte einen staunenswerten diplomatischen Erfolg zu verzeichnen, und ihr Siegerauge glühte über den bleichsüchtigen Mädchengestalten, wie das des Pompejus über seinen Legionen.

      Nun begann ein gewaltiges Nadeleinfassen, Garnwickeln, Sticheln und Steppen, und bald blähten sich die Kleider der Mädchen über Puppen von Rohr und Weidengeflecht wie Festwimpel dem großen Tage entgegen, der ihrer harrte. Gehörten die Tagesstunden der Schneiderei, so war der Abend der Reiterei aufgehoben. Der Mühlbaschel mit seinem Anflug von Triefaugen musste den Kindern im Grasgarten die Kunst des Reitens beibringen.

      Hans ließ sich das gern gefallen, die Mädchen aber beugten sich mit verschämten Gesichtern dem Willen der Mutter. So hätte Frau Höhrle vorerst glücklich sein können, wenn nicht zuweilen die Chaise der Firma Groß und Moos vor ihrem Fenster vorübergerasselt wäre und wenn nicht Röse Ricke die Neuigkeit gebracht hätte, dass der Sattler im Dorfe Husterloh eine phänomenale Sache – »Lamperkins« für genanntes Haus in Arbeit habe.

      So hatte denn die Woche ihre sechs Werkeltage heruntergearbeitet und Mutter Höhrle ihre Vorarbeiten, um den Kirchenstuhl zu erstürmen, den die Firma Groß und Moos widerrechtlich usurpiert hatte. Diese Leute sollten sehen, dass es vor Gottes Angesicht keine Logenplätze gibt, auch für den nicht, der viel Geld in den Klingelbeutel werfen kann. Die Müllerin hatte große Aussichten in diesem Ringen zu siegen, zumal da sie noch mit gewandter Kavallerie ins Feld rücken konnte, denn die Kinder sollten zum ersten Male auf den roten Plüschsätteln zur Kirche traben. Suse und Liese wollten nicht recht, sie fürchteten aufzufallen. Sie hatten vom Vater die Demut geerbt und den Verstand, und der Wert der Mutter war in ihren Augen gesunken, gerade da, als sie ihren Willen durchgesetzt und sie mit harten Worten in die Sättel gezwungen hatte. So ritten sie denn verschämt und mit niedergeschlagenen Augen die Straße entlang, ihren Bruder in der Mitte. Kam irgendjemand des Weges, so spornten sie ihre Tiere, um rasch vorbeizukommen. Sie hatten das Gefühl, dass sie sich lächerlich machten, und sie fürchteten irgendeinen, der ihnen das geradezu ins Gesicht schleuderte. Richtig, eben hatten sie einen Trupp langsam schreitender Kirchgänger überholt, als sie hinter sich die Bemerkung hörten: »Die Bachprinzessinnen. Die Bachprinzessinnen.« Ach, was war das für die Mädchen ein hartes Wort. War damit nicht ausgedrückt, dass man sie der Überhebung beschuldigte, dass man sie für halbverrückt hielt? Hatten sie das verdient, weil man sie einen Meter über das Niveau erhob, auf dem andere sich fortbewegen, indem man sie zwang, auf einen Esel zu steigen? Am liebsten wären sie heruntergerutscht und zu Fuß weitergegangen, aber die Mutter, die eigenwillige, schreckliche Mutter! Und dann ihr Bruder Hans, der sich auf dem Esel wie ein Maharadscha fühlte. Von all dem Herzeleid, das die Schwestern bedrückte, hatte er nicht die mindeste Unbequemlichkeit. Er freute sich der frischen Morgenluft, die mit seinen Locken spielte, war ausgelassen, quälte seinen Esel und wollte vor Lachen vergehen, wenn das Tier allerlei Kapriolen machte, um seinen Quälgeist in den Sand zu setzen. So hatten die Mädchen auch noch die Sorge, dass ihm ein Unfall zustoßen könne, und sie waren wie erlöst, als sie bei einer Biegung des Weges ihren guten Vater vor sich sahen. Still und gedrückt ging er dahin in seinem Sonntagsanzuge, der in seiner stellenweisen Fadenscheinigkeit nicht vermuten ließ, dass sein Träger der Ernährer sein könne so hochtrabender Kinder. Ach wie schnitt die armselige Erscheinung des Vaters wie ein giftiger Vorwurf in das Herz der Töchter ein, ganz anders noch als vorhin der Spottname: »Bachprinzessinnen«. Und gar als er zu ihnen aufsah mit den staunenden stillen Augen, da fühlten sie, dass ihr Platz am Boden sei, bei dem einsamen unscheinbaren Fußgänger, und beide rutschten mit einem Schlage aus den Sätteln und schmiegten sich an seine Seite. In diesem Augenblicke war die Familie Höhrle zerrissen in zwei Teile, von denen der eine weiches Eisen war, der andere ein harter Hammer, der mit permanenter Gefühllosigkeit niederfuhr und die Masse nach seinem Willen formte.

      Zuerst war alles still. Die drei fühlten, dass sie in ihrem Empfinden zusammengehörten und freuten sich, dass niemand da war, die Harmonie ihrer Seelen zu stören. Ach! Wer war der niemand? Sie alle wussten es, und doch wäre ihr Geheimnis nie über ihre Lippen gekommen. So wollen wir es sagen. Die Mutter war es, die eitle Mutter, die kein Verständnis hatte für das zartere Fühlen ihres Mannes und ihrer Töchter, und die Furcht vor ihr war es, die aus dem schwachen Vater redete, als er die verschüchterten Mädchen aufforderte, so schnell wie möglich ihre Tiere zu besteigen und dem wilden Bruder nachzutraben, der in toller Ausgelassenheit seinen Esel tummelte und eben auf dem Punkte war, an einer Straßenbiegung sich den kontrollierenden Augen seiner Schwestern zu entziehen. Die Sorge um den Wildfang verdrängte jetzt jedes andere Empfinden. Es begann eine wahre Hetzjagd hinter ihm her, und wie ein Wirbelsturm sauste die kleine Kavalkade die Straße von Husterloh hinauf. Als man vor der Kirchentür angekommen und die Mädchen abgestiegen waren, begann die Verlegenheit erst recht. Was sollte man mit den unleidlichen Eseln machen inmitten der stechenden Blicke aller derer, die um das Gotteshaus standen und auf das Zusammenläuten warteten? Hans Höhrle kam nicht aus der Fassung. Er blieb auf dem Grauen sitzen, und als die Leute lachten, schnitt er ihnen von dem Rücken des Kreuzträgers herunter Fratzen. Die Mädchen aber standen beschämt da und legten die Köpfe mit den verschüchterten Rehaugen auf den Hals ihrer Tiere, rat und hilflos und warteten, wie führerlose versprengte Soldaten, auf irgendjemand, der kommen und ihnen befehlen möchte.

      Die Mutter hatte heute wieder ihren großartigen Tag. Sie hatte die Amtschaise bestellt, saß geschwollen darin, überholte gleichfalls ihren nominellen Gebieter und kam nach einer Weile glücklich bei ihren Sprösslingen an. Nun kam Leben in die Gruppe. Man band die Esel an kleine eiserne Ringe, die an der Mauer des Wirtshauses angebracht waren, und großartig, als ob sie zu einer Krönung schritte, sah man die Müllerin, die drei Kinder hinter sich, unter dem Spitzbogen des Kirchenportals verschwinden.

      Das Gotteshaus war noch wenig gefüllt. Nur hier und da saß einer, der sich die Zeit mit dem Anschauen der Stationsbilder vertrieb, ein anderer gähnte und ein dritter benutzte die Zeit, bevor die Orgel anfing, störend dreinzureden, zu einem kleinen Schläfchen. Mutter Höhrle erregte Aufsehen bei diesen wenigen, als sie mit ihrem Gefolge zwischen den Bänken dahinschritt, mit einem Schlüssel, den ihr der Schlosser angefertigt hatte, den Stuhl der Firma Groß und Moos aufschloss und sich mit herausfordernder Stirne umsah, als ob sie sagen wolle: »Hier bin ich, und ich will den sehen, der mich da hinauswirft.« Vor dieser Haltung verduftete der Kirchendiener in die Sakristei, und Röse Ricke, die von dem Kitzel, etwas zu erleben, hergetrieben, gedankenlos einen Rosenkranz zöpfte, weckte ihre Nachbarin, deutete mit dem Finger nach der Müllerin und flüsterte leise: »Das kann gut werden.« –

      Indessen fingen die Glocken an zu läuten, und alles, was draußen seither stumpfsinnig herumgestanden hatte, drängte sich nun wie eine Herde Kamelkälber in das Gotteshaus, stieß und drückte sich, trat sich auf die Hühneraugen und tat so, als ob es durchaus keine andere Gelegenheit mehr gebe, sich einen Unterstützungswohnsitz im himmlischen Jerusalem zu sichern. Getragen von dieser schwappenden Menschenwelle kamen auch die Damen der Firma Groß und Moos herangeschwommen und trieben auf ihre reservierten Plätze zu. Als sie diese schon zum Teil besetzt sahen, warfen sie hochmütig fragende Blicke um sich, die Mutter Höhrle mit einem grimmverbissenen Lächeln beantwortete. Suse und Liese wollten nichts sehen. Sie knieten da, drückten die Gesichter in ihre Gebetbücher. Der kleine Hans aber, der die Mimik richtig beurteilte, hoffte auf eine kleine Abwechslung und hätte zunächst nichts lieber gesehen, als eine kleine Balgerei zwischen den zwei feindlichen Firmen. Er glühte förmlich in dem Verlangen, zerfetzte Hauben zu sehen und heruntergerissene Zöpfe. Doch er sowohl wie Röse Ricke kamen nicht auf ihre Kosten. Die Orgel fing an zu präludieren, und ihre milden Töne lockten aus dem Gewölbe herab einen wahren Tauregen von Gottesfrieden, der Starres geschmeidig machte und allzu Sprödes leise niederbog. Dann fing man an zu singen, und es war, als ob das Herz den Schatz mild versöhnlicher Regungen nicht fassen könne und ihn hinauswerfen müsse in alle Lüfte. Suse СКАЧАТЬ