Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon
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Название: Die Mühle zu Husterloh

Автор: Adam Karrillon

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Höhrle nahm derlei Streiche ihres Lieblings keineswegs tragisch. Sie lachte höchstens und entließ die Ankläger mit dem Stachel des beleidigten Rechtsgefühles im Herzen.

      »Euch werden wir’s einbrocken,« sagten die Leute, und sie wären lieber Hungers gestorben, als dass sie von dem Mehle der Mühle zu Husterloh gegessen hätten. So arbeitete Hans früh zum Nachteil des väterlichen Geschäftes.

      Zuweilen nahm Suse den Wildfang vor und erklärte ihm: »Dass sie Liese den Auftrag geben werde, über Hansens Streiche mit dem Vater zu reden.« Der Strolch lachte und sagte höhnisch:

      »Du wirst es der Liese sagen, die wird es dem Vater sagen und dann werde ich, wenn Gott will, die Prügel bekommen! Höre Suse, das ist ein weiter Umweg, da kann sich sogar ein Landbriefträger verirren. Glaubst du wirklich, Schwester, dass die Prügel an ihre richtige Adresse kommen?«

      Suse musste lachen, aber sie konnte ihrem Bruder nicht Unrecht geben. Leider war die Methode, nach der man den Stammhalter des Hauses Höhrle erzog, so, dass ihm jede Unart ungestraft hinging, weil die Nemesis niemand finden konnte, der den Strafvollzug bewerkstelligen wollte. Das wusste der Bengel sehr wohl, und deshalb stellte er sich mit souveräner Würde über Gesetz und Recht. Er war angesehener Leute Kind. Er ging in die Schule, wenn es ihm gerade passte, wenn es ihm nicht passte, lag er auf dem Anger und ließ sich die Sonne in den Magen scheinen. Aus dem Nachbargarten holte er jeden Apfel, der ihm gefiel, und nur einmal, als er zur Kirmeszeit von dem Marktstand einer Zuckerbäckerin ein süßes Herrgöttle aus Lebkuchen heruntergenascht hatte, ereilte ihn die Rache. Wie’s Gewitter war die resolute Frau mit einem Staubbesen hinter ihm her, und nun bezog er in einer großen Generalabrechnung, was er sich ratenweise im Laufe der Jahre verdient hatte. Arg durchwalkt kam er nach Hause, ja er lahmte sogar ein wenig, aber all den mitleidsvollen Fragen der Seinigen setzte er ein stoisches Schweigen entgegen. Er hatte Gerechtigkeitssinn genug, um zu wissen, dass er nicht schuldlos leide, und sein von der Mutter ererbtes Selbständigkeitsgefühl ließ es nicht zu, dass ein anderer sich seiner wie eines Mündels annahm.

      Auch klagte er zu Hause niemals über ein Ungemach, das ihm die Schule einbrachte. Seine Lehrer behandelten ihn wie eine kleine Respektsperson, und dieser Umstand gerade, sowie das bessere Aussehen seiner Kleider, seiner Bücher, seines Ranzens schufen ihm Gegner unter seinen Mitschülern, die nun einmal von historischen Vorurteilen nicht beschwert, kein anderes Vorrecht anerkannten, als das der stärkeren Faust. So war der kleine Hans nicht selten gezwungen, wenn seine Mitschüler die Ehrfurcht vor dem Dackelmaler vergaßen, gegen ein ganzes Rudel anzukämpfen, und er tat es ohne Empfindsamkeit mit Mut und ohne Klage, wenn er einmal den Kürzeren zog. Es übte der Verkehr mit seinen Altersgenossen auf ihn eine gute erziehliche Wirkung aus, und es hätte zu seinem Segen ruhig noch ein paar Jahre so fortgehen können, wenn er nicht eines Tages einen blutigen Hemdenkragen nach Hause gebracht hätte.

      Seine sonst so starknervige Mutter, die sich in der letzten Zeit immer mehr aus dem Weibe heraus zur Dame entwickelt hatte, fiel mit erkünstelter Grazie in eine komfortable Ohnmacht auf das neue Kanapee, und als es dem Duft geriebenen Meerrettichs endlich gelungen war, sie aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückzurufen, überhäufte sie den unglücklichen Vater Höhrle, der mit Gelassenheit das Doppelweh von Frau und Kind zu tragen schien, mit einer Flut von Vorwürfen. Sie sprach von Rabenvätern, die mit ansehen könnten, wie ihr eigenes Fleisch und Blut von einer entmenschten, – entmenschten, – entmenschten– offenbar suchte sie hier nach einem Substantivum, das stark genug wäre, ihrer Indignation Ausdruck zu verleihen, aber sie fand es nicht, – und als nun Röse Ricke, die von der blutigen Tat Kunde bekommen hatte und herbeigesprungen war, mit »Rotte Kora« aushalf, wurde sie mit einem dankbaren Blicke belohnt, und die Müllerin seufzte tief auf, als ob ihr ein Stein vom Herzen gefallen wäre. Dann aber, als ihr die hohe Würde, der ihr Sohn langsam entgegenreifte, einfiel, faselte sie von einem Sakrilegium, vor dem die blöde Menge bewahrt werden müsse, indem man den Gegenstand ihres Hasses dem Bereiche ihrer Fäuste entzöge.

      Jetzt wusste Vater Höhrle, wohin die Wetterfahne zeigte, und er sah den Hauslehrer bereits hinter seinem Tische sitzen und mitessen, obwohl er noch lange nicht wusste, womit er ihn bezahlen sollte. Denn die Mühle ging schlechter von Jahr zu Jahr. Der Alte hatte versucht, die Qualität seines Mehles zu verbessern, um es Groß und Moos gleichzutun. Er hatte den Schälgang enger gestellt und eine hellere Farbe erzielt; aber damit hatte er die Quantität verringert, und die Bauern, bei denen Müller und Spitzbube ohnedies als gleichwertige Begriffe gelten, klagten, dass sie übervorteilt würden. Die Pferde fraßen wohl, aber sie produzierten nicht wie die Kühe, und was sie an Arbeit leisteten, nutzte ihre Kraft nicht aus und hätte billiger durch die Esel besorgt werden können. Dabei wurde Mutter Höhrle von Tag zu Tag anspruchsvoller. Ganz nach Belieben ergänzte sie Fehlendes in ihrem Hausrat und komplettierte ihn nach Laune. Die Pferde entzog sie dem Feldbau und Mühlenbetrieb durch gelegentliche Reisen, die sie machte, um sich und den kleinen Hochwürdigen bei Freunden und Bekannten in nah und fern zu zeigen.

      Kaum mehr gab es in der Umgegend eine Kindstaufe oder einen Leichenschmaus, bei dem nicht Mutter Höhrle wie Bankos Geist aus der Versenkung emporstieg.

      Als solch’ schwere Gewichte auf die Wage seiner pekuniären Leistungsfähigkeit geworfen wurden, sah Vater Höhrle mit Schrecken die Schale, auf der sein Haben lag, hoch in die Lüfte schnellen. Eine mit Verzweiflung verwandte Resignation erfasste ihn und lähmte seine Arbeitskraft. In die Träume seiner Nächte drängte sich eine unheimliche Gestalt mit einem blauen Streifen um die Mütze, einer kleinen Kokarde über dem Glanzlederschild und abgegriffenen Jackettaschen, aus denen gelbe Aktenkuverte vorlaut und aufdringlich hervorleuchteten –: der Gerichtsvollzieher. Am Tage sah er mehr, als ihm lieb war, den breiten Planwagen der Firma Groß und Moos, der seine Gedanken wie ein Leichenwagen auf trübe, unfriedliche Wege leitete. So wurde er immer einsamer, strich durch das Erlengebüsch seiner Wiesen mit der Sense, ohne dass er gewusst hätte, wo er mähen sollte. Am Wehr setzte er sich sinnierend nieder und sah seinem Knechte, dem Mühlbach, bekümmert in die ewig wechselnden Züge.

      Da geschah’s, dass eines Tages das sinnlose Murmeln des Baches sich für das Ohr des Grübelnden zu klaren Worten formte. »Was sitzest du ratlos da«, sprach der Bach. »Hab’ ich nicht seit Jahrhunderten deinem Hause treu gedient. Warum willst du meiner Kraft misstrauen, seitdem der windige Halunke Dampf da unten im Tal sein Wesen treibt? Fasse mich fester, Vater Höhrle, dass ich an Widerständen meine Kraft erneuere! Schleudere mich tiefer hinab in den Abgrund, dass ich die Wucht des Anpralls für mich habe, und lass meinen Zorn in der Turbine wüten, und du sollst sehen, dass ich mehr kann, als feiste Forellen füttern. Hinweg mit dem trägen Umtrieb des Wasserrades, das schwerfällig wie Samson in der Mühle zu Gaza die plumpen Steine wälzt. Kleine hurtige Porzellanwalzen schaffe herbei, raschelnde, wuselige Siebe will ich dir schwingen, tausend kleine Hebel will ich dir brechen, und unruhig muss es in der Mühle werden wie in einer Schachtel Maikäfer. Folge mir, der ich die Sache kenne, Vater Höhrle. Schaffe ich nicht oben in der Papiermühle eine ähnliche Arbeit, warum sollte ich bei dir versagen?«

      Das waren tröstliche befreiende Worte, und der bekümmerte Müller lauschte auf und dachte über ihren Sinn nach. Mit einem Male erschien ihm nun alles so klar, so selbstverständlich, und es war ihm fast, als ob die Ratschläge gar nicht von außen gekommen, sondern in ihm selbst entstanden wären. Ein nie geahntes Vertrauen zu der eigenen Kraft beseelte ihn. Ja, so musste es gehen. Die Mühle musste von Grund aus umgestaltet werden, dann, – dann musste sich alles – alles – noch zum Guten wenden. Vater Höhrle nahm seine Sense auf die Schulter und ging mit elastischen Schritten, fast wieder ein Jüngling, seinem Hause zu. An diesem Abend sahen Suse und Liese das sonst so trübe Gesicht des Vaters wieder einmal sonnig heiter, ohne den Grund zu kennen, und Scherz und Lieder fielen wie reife Erbsen von den Schoten aus ihren weit geöffneten dankbaren Herzen heraus. An diesem Abend war seit langer Zeit zum ersten Mal wieder das Glück auf seinem Rundgang zwischen geborstenen Hütten und morschen Heustadeln in der Mühle eingekehrt.

      Am nächsten Tage schon meldeten sich allerlei Bedenklichkeiten zur Stelle. Die Sache СКАЧАТЬ