Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Mühle zu Husterloh - Adam Karrillon страница 6

Название: Die Mühle zu Husterloh

Автор: Adam Karrillon

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ Frieden allen Herzen.«

      Da mit einem Male, was war denn das? Von draußen her ein fürchterliches Brüllen, mitten hinein in den frommen Gesang der Gemeinde.

      »Suse, die Esel,« flüsterte Liese und sank tief in sich zusammen. »Auch das noch,« gab Suse leise zurück und zog ihren Bruder, der die Sache von der heitersten Seite nehmend bereits auf die Bank gestiegen war und Faxen machte, zu sich herunter und hielt ihm den Mund zu, als er stoßweise Versuche machte, laut hinauszulachen. Mutter Höhrle fing mit ihrem breiten Rücken all die höhnenden Blicke auf, die wie Pfeile von allen Seiten nach ihnen geschossen wurden. Aber die Mädchen, die armen Mädchen, sie hatten das Gefühl, als ob sie nackt im prasselnden Hagelwetter ständen. Was konnten sie mehr tun, als die Augen zu schließen? O, hätten sie doch auch die Ohren schließen können, um nicht die Esel hören zu müssen, die schrecklichen Esel und das Zischeln giftiger Zungen neben sich.

      Endlich ward’s draußen stille. Der Kirchendiener war hinausgeeilt. Er fand den Vater Höhrle bereits bei der Arbeit, und die zwei brachten die Tiere nach einem entfernten Stalle, wo sie sich aus Mangel an Anregung wieder schweigsam verhielten. Hans, den seine Schwestern unter die Bank gedrückt hatten, war da unten eingeschlafen, und nun hätten auch diese wieder ruhig werden können, wenn sie nicht der Gedanke an den Heimweg in qualvoller Aufregung gehalten hätte. Wer gab ihnen ein Gewand, das sie, der Menge unsichtbar, meinetwegen durch die Nacht des Hades in ihre stille Dachkammer entführte?

      Ach das Geschick ist grausam, und wem es einmal übel will, dem spart es keine Demütigung und keine Schande. Umsonst blieben die verschüchterten Tauben nach dem Gottesdienst noch eine geraume Weile auf ihrem Platze, endlich mussten sie doch hinaus. Draußen stand die steifgewordene Menge, die es sonst so eilig hatte, zum Mittagstische zu kommen, fest wie eine Mauer, und achtete nicht der glühenden Sonne, welche die Partei der Mädchen ergreifend, unbarmherzig niederbrannte. Es half nichts, auch dieses Spießrutenlaufen musste noch ausgehalten werden. Mit niedergeschlagenen Blicken gingen die Kinder durch die lachende Gasse, die man so gefällig für sie geöffnet hatte. Sie sahen nichts als den Fußboden, aber sie hörten leise höhnendes Kichern und wieder das schreckliche Wort: die »Bachprinzessinnen«.

      Vater Höhrle hatte für seine Töchter vorausgedacht. Er trat neben sie, nahm sie bei der Hand und führte sie in den Flur eines befreundeten Hauses. Das Hinzutreten des schlichten Alten gab den armen, durch Putz verunzierten Mädchen wieder Ansehen und Würde. Man hörte keine Zurufe mehr.

      Hans blieb der Mutter überlassen, die Mannes genug war, für ihn zu sorgen und sich über alles hinwegzusetzen.

      Den ganzen Tag über hielten die Töchter zusammen mit dem Vater sich im Hause des Gastfreundes, und erst am Abend, als der Neumond über den Bergen stand und ein fahles Zwielicht, das alles in graue Schleier hüllte, über das Tal hin ausgoss, wagten sie es, eng an den Vater geschmiegt, der Mühle zuzustreben. Ohne die Wohnstube noch einmal zu betreten, schlichen sie die Holzstiege hinaus zu ihrer Kammer, wo der Gott des Schlafes die Müden und Vergrämten in seine Arme nahm, sie leise wiegte und sie vergessen ließ, was der Tag ihnen Schweres zugefügt hatte.

      5. Kapitel

      Der folgende Montag war in der Familie Höhrle ein kritischer Tag erster Ordnung. Lange vor dem Hahnenschrei donnerte die Müllerin in der Küche herum. Zuweilen schlug es ein, und Blechkannen und zinnerne Löffel tanzten klirrend auf dem Wasserstein. Alles, was im Hause als Schmarotzer lebte, machte, dass es unter den Füßen fortkam. Das Volk der Mäuse floh in die Löcher hinter die Lamperien, die Katzen dehnten sich wie die Gummischläuche und verzogen sich durch einen Türspalt hinaus nach dem Kornboden, und Röse Ricke, die gekommen war, ihre Kaffeemilch zu holen, entfernte sich in eiligen Sprungschritten wie ein Wiedehopf.

      Vater Höhrle, der im Stalle unter der Küche seine Kühe putzte, bekreuzte sich, als er zu seinen Häupten das Unwetter brausen hörte. Es gab wohl niemand auf der Welt, der ihn für einen tapferen Mann gehalten hätte, aber seiner Frau gegenüber war er geradezu ein Feigling. Mit Zittern stieg er die Treppe hinauf, als er zwischen mancherlei unartikulierten Lauten kurz und scharf akzentuiert den Namen »Höhrle, Höhrle!« unterscheiden konnte. Er fand die Küche leer und bemühte sich nach der Wohnstube hinüber. In dieser war das Tageslicht durch das Zuziehen der Vorhänge etwas abgetönt, und da Mutter Höhrle unbeweglich und mit strengem Antlitz am Kopf des Tisches saß, so gewann das sonst so anspruchslose Gemach die ernste Würde eines Gerichtssaales. Vater Höhrle wusste wohl, dass er der Angeklagte, ja der Verurteilte war, ob die Verhandlungen sich in die Länge zogen oder nicht, und deshalb wollte er wenigstens Zeit sparen und unterbrach das verlegene Schweigen mit den Worten: »Warum hast du mich hierher gerufen?«

      »Das fragst du noch,« wetterte die erregte Frau los, »wer hat all die Schmach von gestern über unser Haus gebracht?«

      Vater Höhrle hätte einfach sagen können: »Dein Hochmut;« aber er schwieg, und sie fuhr fort, die ganze Anklage in immer neuen Fragesätzen aufbauend: »Wer drückt seine Familie, dass sie sich beugen muss vor hergelaufenem Volk? Wer bleibt an altem Herkommen kleben und lässt sich von dem ersten besten Hereingeplackten aus dem Sattel heben? Könnten nicht auch wir wie andere Menschen Geld verdienen und in einer Chaise fahren? Wer isst seine Suppe mit dem Kaffeelöffel und glaubt mit seinem alttestamentlichen Eselbetrieb siegen zu können über die Planwagen der Firma Groß und Moos, die eine Schiffsladung Weizen auf ihrem Rücken tragen?«

      Mit dem letzteren Satz hatte sie das Geschäftsinteresse vor ihre eitlen Wünsche als Vorspann gekoppelt, und der Wagen rutschte in der Tat in die Höhe.

      Vater Höhrle in seiner stillen Art seufzte tief und sagte nachgiebig: »So gib denn das Einlagebüchelchen von der Sparkasse heraus.«

      Die Müllerin erhob sich großartig, und wie die Hand einer Fürstin irgendeinem Subalternen gnädig ihre Photographie überreicht, so überreichte sie ihrem Manne das kleine Heftchen mit dem blauen Umschlag. Vater Höhrle nahm’s entgegen, und wenige Minuten später sah man ihn bedrückten Herzens und schleppenden Ganges dem Pfarrdorfe zuschreiten, wo die Sparkasse ihren Sitz hatte. Er wusste, dass mit dem heutigen Tage das Geschick der Mühle zu Husterloh entschieden war. Er wusste, dass der Weg, den er und die Seinen seither, wenn auch langsam aufwärtssteigend gegangen waren, jetzt abwärts führte. Er sah ihn tief unter sich steiniger werden, sich zu einem Pfade verschmälern, aber er sah nicht, wo er endete. Es war das erste Mal, dass Vater Höhrle von seiner Kasseneinlage Geld zurückverlangte, und wie er so vor den abgeblendeten Scheiben des Büros stand, hinter denen er die Kassenbeamten wie schwarze Schattenrisse an einer Wand sich bewegen sah, stieg ihm die Schamröte ins Gesicht, und er wollte umkehren. Doch er klopfte zaghaft und ganz leise, fast so, als ob er wünschte, dass man ihn drinnen nicht hören solle. Ihm war’s, als ob noch irgendetwas sich ereignen würde zu seinen Gunsten. Konnte nicht der Strahl irgendeiner überirdischen Erleuchtung seiner Frau gezeigt haben, dass sie einen Irrweg ging? Konnte nicht noch in letzter Sekunde ein Bote hinter ihm nachkommen und ihn von dem verhassten Schalter hinwegreißen?

      Ach nein. Nichts von alledem geschah. Die Leute da drinnen mit ihren Dividendenohren hatten nicht bloß gehört, dass überhaupt einer klopfte, sie hatten auch gehört, dass einer klopfte, der gekommen war, Geld zu holen. Im Nu klapperten die Goldfüchse auf dem hellackierten Zahltisch, und Vater Höhrle war sein blaues Büchlein los.

      Jetzt, wo die Würfel gefallen waren, auf dem Heimwege, redete der Müller sich selber Mut zu. War denn das Geld, das er in seiner Tasche trug, nun wirklich schon verloren? Ach nein, es wechselte ja nur den Namen. Aus dem Rentenkapital wurde Betriebskapital, das reiche Zinsen tragen konnte. So sprach er zu sich selber wie ein Makler, der ein Geschäft machen will, aber er glaubte auch wieder sich selber so wenig, wie er einem wildfremden Geschäftsvermittler geglaubt haben würde.

      Wie er so blinzelnd seines Weges ging, erregte die Auslage СКАЧАТЬ