Soll und Haben. Gustav Freytag
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Название: Soll und Haben

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ kleidete sich Anton nach dem Schluß des Kontors an und trat in Finks Zimmer, diesen abzuholen. Der Mentor untersuchte mit prüfendem Blick den Anzug des Novizen. »Zeige dein Taschentuch«, sagte er. »Bunte Seide? Schäm dich. Hier ist eines von den meinen. Gieß dir etwas Parfüm darauf. Wo sind deine Handschuhe?«

      Mit solchen Lehren führte er den Freund vor das erleuchtete Haus der Baronin.

      Als Anton die Treppe des Hinterhauses hinabschritt, öffnete sich die Tür von Jordans Zimmer, und Herr Specht steckte seinen Kopf am Ende eines langen Halses über die Treppe und sandte dem Kollegen seinen neugierigsten Blick nach.

      »Er geht«, rief er in die Stube zurück, »es ist unerhört. So etwas hat sich noch nicht ereignet, solange die Welt steht. Es sind lauter Adlige dort. Das wird eine schöne Geschichte werden.«

      »Zuletzt, warum soll er nicht gehen, wenn sie ihn einladen?« sprach der gutmütige Herr Jordan, um den stummen Vorwürfen der Kollegen zu begegnen. Keiner wußte etwas dagegen zu sagen, nur Herr Pix rief ärgerlich vom Sofa: »Mir aber gefällt’s nicht, daß er eine solche Einladung annimmt. Er gehört in das Kontor und zu uns. Etwas Gutes wird er unter den Schwadronierern nicht lernen. Fensterglas ins Auge kneifen und Süßholz raspeln, und das wird noch nicht das Schlechteste sein.«

      »Es soll merkwürdig bei diesen Tanzgesellschaften zugehen«, rief Specht. »Äußerst frivol, Liebesgeschichten und Duelle jeden Tag. Aber Wohlfart hat immer einen Tick auf solche Dinge gehabt. Nächstens wird er an einem Morgen mit seinen Pistolen unterm Arm ausgehen, und wie er zurückkommen wird, das will ich gar nicht sagen. Auf seinen Füßen nicht, das ist sicher.«

      »Unsinn«, erwiderte Pix ärgerlich, »es gibt dort nicht mehr Händel als bei andern Leuten.«

      »Und französisch muß er sprechen«, fuhr Specht unaufhaltsam fort.

      »Warum nicht russisch?« rief Herr Pix.

      Hier gerieten Herr Pix und Herr Specht in einen Streit über die Sprache, durch welche man sich im Salon der Frau von Baldereck verständlich mache. Aber alle Kollegen waren darin einig, daß dieser Besuch der Tanzstunde für Wohlfart ein äußerst gewagter und verhängnisvoller Schritt sei, der unaussprechliches Unheil bereite und die gesamte menschliche Ordnung störe.

      »Er ist gegangen«, rief die Tante, von einer Konferenz mit dem Bedienten zurückkehrend.

      »Das ist wieder ein Streich seines Freundes Fink«, sagte der Prinzipal.

      Sabine sah auf ihre Arbeit nieder. »Mich freut’s«, sagte sie endlich, »daß Fink seinen Einfluß dazu benutzt, dem Freunde ein Vergnügen zu machen. Er selbst tanzt nicht gern, und ihm persönlich ist dies Kränzchen gewiß eher ein Opfer als eine Freude.« Der Bruder sah die Schwester prüfend an, sie nickte ihm leise zu. »Und wie gönne ich’s Wohlfart, daß er unter Menschen kommt! Er ist am meisten von allen Herren zu Haus. Fast jeden Abend, wenn ich zu Bett gehe, sehe ich bei ihm die Lampe brennen. Die andern haben Verwandte oder gute Freunde von früher her, er ist ganz allein, er hat nichts, als was dieses Haus einschließt. Es ist hart, das ganze Jahr so zu leben.«

      »Er hat sich bis jetzt brav gehalten«, sagte der Prinzipal, »wollen sehen, ob das Dauer hat.«

      »Aber wie war es möglich, daß er in diese Gesellschaft…« rief die Tante. »Bedenkt doch, diese Frau von Baldereck…«

      Sabine tippte mit dem Fingerhut auf die Tischplatte. »Fink hat’s ihnen befohlen«, sagte sie, »und das war hübsch von ihm. Und zum Dank dafür soll er morgen trotz dem ernsten Gesicht meines Chefs sein Lieblingsgericht erhalten.«

      »Also Schinken mit Burgundersoße«, rief die Tante. »Aber ich bitte dich, wie wird sich Wohlfart unter diesen Uniformen ausnehmen? Und wie wird er mit diesen Lebemännern fertig werden? Er kann’s ihnen nicht gleichtun. Dazu gehört doch wenigstens Geld.«

      »Dafür laß ihn sorgen«, erwiderte Sabine fröhlich. »Um den grämen wir uns nicht.«

      »Er ist gegangen«, sagte Karl am Abend zu seinem Vater. »Kleine lackierte Glanzstiefel, ich habe sie geholt. Herr von Fink verbot ihm, Schuhe anzuziehen. Und ein neuer Hut, alles vom Kopf bis zu den Füßen neu. So also sieht man aus, wenn man bei vornehmen Leuten tanzen will.«

      »Du möchtest wohl auch tanzen gehen?« fragte der Vater.

      »Nein«, erwiderte Karl, »aber ich möchte sehen, wie sie’s auf einem Balle machen.«

      »Sieh in den ›Blauen Mond‹ nebenan, da kannst du es alle Sonntage sehen; es ist bei den Vornehmen auch nicht anders, nur daß sie einander behutsamer anfassen und außerdem mit Handschuhen.«

      »Na, morgen wird’s einen guten Staub in den Kleidern geben«, sagte Karl.

      »Es ist ein staubiges Vergnügen«, bestätigte der Riese. »Es besteht im Umwenden, es besteht im Springen, man dreht sich zuerst auf die eine Seite und hernach auf die andere. Man versucht, sich selber von der Erde zu erheben, was immer unmöglich ist. Man wird heiß, man trinkt ein Glas oder auch mehrere, und zuletzt wird eine Kußpolonäse getanzt. Wenn man heiraten will, ist das Ding notwendig. So weit bist du noch nicht, bis dahin hat’s noch manches Jahr Zeit.«

      »Aber Herr Wohlfart ist auch noch nicht soweit«, erwiderte Karl. »Das wäre eine schöne Geschichte, wenn der jetzt ein Fräulein heiratete mit zwei Schimmeln und versilbertem Pferdegeschirr.«

      »Ja, da wird wohl nichts helfen«, sagte der Vater kopfschüttelnd, »mit Tanzen fängt’s an, mit der Hochzeit hört’s auf. Es ist mir auch so gegangen.«

      »Dich hätte ich auch sehen mögen«, rief Karl.

      »Oho«, rief der Riese, »ich habe zu meiner Zeit getanzt wie ein Kreisel, Walzer, Hopswalzer, russischen Walzer, und im Großvatertanz hatte ich nicht meinesgleichen.«

      Karl sah den Vater mißtrauisch an. »Ja«, fuhr der Riese vergnügt in der Erinnerung fort, »wenn der Fußboden fest ist und gute Kameraden dabei, so lasse ich mir die Arbeit schon gefallen. – Es war ein großer Ball im Bürgerverein, ich war geladen, der Wilhelm mit, welcher damals noch ein schmächtiger Junge war. Ich gedenke es wie heute, ich hatte einen blauen Rock an mit blanken Knöpfen und stand mitten im Saal und sah auf die Gesellschaft, die sich um mich herumdrehte. Da fiel mir deine Mutter in die Augen, ach, ein niedliches Ding, wie eine Puppe saß sie da; neben ihr saß ihr Vater, der Schlossermeister. ›Guten Abend, Hans‹, rief der Schlosser mich an, ›bist du auch da?‹

      ›Ich sollt’s denken, Gevatter‹, sagte ich und trat näher, und je mehr ich mir die Puppe besah, desto besser gefiel sie mir. ›Dies ist meine Tochter‹, sagte der Schlosser, ›du kennst wohl das Mädel gar nicht mehr? Sie ist zwei Jahre auf dem Lande bei der Muhme gewesen.‹ ›Wie sie hübsch geworden ist!‹ sagte ich. ›Sie ist rund und sie ist nett, wie gedrechselt.‹ Die Kleine wurde rot und auch ich feurig. ›Na‹, sagte der Schlosser, ›wenn du mit ihr tanzen willst, immer zu! Greife sie nur nicht zu hart an.‹ ›Nur zart‹, sagte ich und führte sie zum Tanz. Wir mochten wohl konträr ausgesehen haben, das kleine Blitzmädel und ich, und ich glaube, die Leute lachten.«

      »Das hättest du nicht leiden sollen«, rief Karl, der sich ihm gegenübergesetzt und die Arme untergeschlagen hatte.

      »Es war nicht böse gemeint«, sagte der Alte, »und deine Mutter gestand mir nach den ersten Tänzen, sie mache sich nichts daraus, wenn auch die Leute lachten. Ja, und sie sagte, es tanze sich gut mit mir. Natürlich tanzte ich den ganzen Abend mit ihr, nun erst recht. Und beim letzten Tanz gab es ihretwegen noch einen Handel mit Wilhelm; denn wie er sah, daß ich mit ihr tanzte, wollte auch er mit ihr СКАЧАТЬ