Название: Soll und Haben
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Wenn Sie die Büchse von dem lebendigen Fink annehmen wollen«, erwiderte Fink, »so werden Sie ihn sehr glücklich machen.«
»Teufel!« rief der gutmütige Leutnant fast erschrocken. »So war es nicht gemeint. Ich weiß doch nicht, ob ich das mit gutem Gewissen annehmen darf.«
»Tun Sie es immerhin«, sagte Fink freundlich, »ich habe das Rohr satt, es wird bei Ihnen in guten Händen sein.«
»Es ist ein kostbares Geschenk«, warf der Leutnant mit Gewissensbissen ein.
»Es ist ein altes Rohr«, sagte Fink, »und morgen müssen Sie es ohne Widerrede annehmen, denn heut werden Sie mich nicht los, Sie sollen mit mir zu Feroni. Was aber die geheimnisvolle Abtretung der Güter betrifft, so handle ich hier nicht ganz freiwillig. Es ist eine Art politisches Geheimnis dabei, das ich auch Ihnen nicht mitteilen kann, schon deshalb nicht, weil mir die Sache selbst noch nicht klar ist.«
»Ist denn das Gut groß, welches Sie abgetreten haben?« fragte Herr von Tönnchen.
»Ein Gut?« fragte Fink und sah nach dem Himmel. »Es ist gar kein Gut. Es ist eine Bodenfläche, Berg und Tal, Wasser und Wald, ein freilich kleiner Teil von Amerika. Und ob dieser Besitz des Herrn Wohlfart groß ist? Was nennen Sie groß? Was heißt groß auf dieser Erde? In Amerika mißt man die Größe des Landbesitzes nach einem andern Maß als in diesem Winkel von Deutschland. Ich für meinen Teil werde schwerlich je wieder eine solche Besitzung mein Eigentum nennen.«
»Wer ist denn aber dieser Herr Wohlfart?« fragte auf der anderen Seite der Leutnant.
»Sie sollen nächstens seine Bekanntschaft machen«, antwortete Fink. »Er ist ein netter Junge aus der Provinz, über dem ein merkwürdiges Schicksal schwebt, von dem er selbst zur Zeit noch gar nichts weiß und nichts wissen darf. Doch genug von den Geschäften. Ich habe für diesen Winter etwas mit Ihnen vor. Sie sind zwei alte Knaben, aber Sie müssen doch noch einmal Tanzstunde nehmen.«
Bei diesen Worten traten sie in die Weinstube des Italieners, wurden von Feroni mit tiefen Bücklingen empfangen und vertieften sich schnell in Untersuchungen über die Reize der schweren Weine von Portugal.
Frau von Baldereck war eine Hauptstütze der allerbesten Gesellschaft, welche durch die Familien des Landadels, einige höhere Beamte und Offiziere gebildet wurde. Es war schwer zu sagen, welche Vorzüge der Dame eine solche achtunggebietende Stellung verschafft hatten, sie war weder sehr vornehm noch sehr reich, noch sehr elegant, noch sehr geistreich, noch sehr medisant, aber sie besaß von allen diesen Eigenschaften etwas. Sie hatte in ihrem Privatleben stets soviel als irgend möglich auf Grundsätze gehalten und hatte das Selbstgefühl gehabt, sich den Anspruchsvollen niemals aufzudrängen. Wegen dieser konstanten Mäßigung war sie von der öffentlichen Meinung erhöht worden. Sie besaß eine sehr ausgebreitete Bekanntschaft, war vertraut mit allen Heiraten und Verwandtschaften aller Familien der Provinz, stand in allen distinguierten Häusern auf der ersten Seite der Einzuladenden und machte als Witwe selbst ein mäßiges Haus, welchem der Hahnfederbusch eines Jägers und zwei fette Rappen zu anständigem Schmuck gereichten. Frau von Baldereck war zu alledem eine regelrechte Dame, welche Personen und Ereignisse genau nach den Vorurteilen der Gesellschaft, in welcher sie lebte, zu beurteilen wußte; deshalb wurde ihr Urteil überall mit großer Achtung angehört. Daß sie außerdem nicht ohne Gutmütigkeit war, rechnete ihr die Gesellschaft, für welche sie lebte, wahrscheinlich nicht so hoch an als der alte Engel des Gerichts, welcher im Himmel über die Taten der Menschen Buch führt und welcher, nebenbei bemerkt, nach der Usance seines heiligen Geschäfts oben auf die Seiten des Buches statt des irdischen Kredit und Debet die Wörter Schaf und Bock zu schreiben pflegt und alle Kreditposten auf die rechte Seite, die Böcke aber auf die linke setzt. – Frau von Baldereck hatte eine junge Tochter, welche ihr sehr ähnlich zu werden versprach, und bewohnte einen ersten Stock mit großen Zimmern, worin seit einer Reihe von Jahren häufig Proben von Aufzügen, dramatischen Vorstellungen und lebenden Bildern abgehalten wurden.
Die einflußreiche Dame war gerade in vertraulicher Beratung mit einer Schneiderin, sie überlegte, wie tief der Ausschnitt der Kleider eingerichtet werden dürfe, um die tadellose Büste ihrer Tochter im besten Lichte zu zeigen und doch wieder in der Tanzstunde keinen Anstoß zu erregen, als Fink, ihr Liebling, gemeldet wurde. Eilig schob sie die Tochter, die Schneiderin und die Kleider beiseite und erschien in dem Besuchszimmer mit der Gemütlichkeit einer Hausfrau, welche für sich selbst nicht mehr übermäßige Ansprüche macht.
Nach den einleitenden Bemerkungen über die Ereignisse der letzten Abendgesellschaft und die langen Hängelocken der Komtesse Pontak sagte Fink, indem er angelegentlich einen Fußschemel malträtierte, auf welchem ein schlafender Pinscher, von der Tochter des Hauses gestickt, unter den Fußbewegungen des Gastes stöhnte: »Ich habe Ihren Auftrag ausgerichtet, Lady Patroneß, und bringe Ihnen vorläufig drei Herren.«
»Und wer sind diese?« fragte die Dame vom Hause erwartungsvoll, vergaß die Leiden des gestickten Pinschers und rückte näher an ihren Verbündeten.
»Zuerst Leutnant von Zernitz«, sagte Fink.
»Eine gute Akquisition«, rief die gnädige Frau erfreut, denn der Leutnant war, was man einen geistreichen Offizier nennt, er machte niedliche Verse in Familienalbums und zu verlorenen Vielliebchen, war unübertrefflich im Arrangement von mimischen Darstellungen und stand in dem Ruf, irgendeinmal in ein Taschenbuch eine Novelle geschrieben zu haben. »Herr von Zernitz ist ein liebenswürdiger Gesellschafter.«
»Ja«, sagte Fink, »aber Portwein kann er nicht vertragen. Der zweite ist Herr von Tönnchen.«
»Eine alte Familie«, bemerkte die Frau vom Hause. »Ist er nicht etwas wild?« fügte sie schüchtern hinzu.
»Behüte«, sagte Fink, »die Familie hat immer viel Grundsatz gehabt; er ist gar nicht wild, nur zuweilen hat er die Eigenschaft, andere wild zu machen.«
»Und der dritte?« fragte die Dame.
»Der dritte«, sagte Fink, »ist ein Herr Wohlfart.«
»Wohlfart?« fragte die gnädige Frau befremdet und sah ihren Besuch unruhig an. »Die Familie kenne ich nicht.«
»Das ist sehr möglich«, erwiderte Fink kaltblütig, »es gibt zu viele Leute mit und ohne Namen, als daß man sich um alle kümmern könnte. Herr Wohlfart ist vor einigen Jahren aus der Provinz hierhergekommen, um vorläufig die Geheimnisse des Handels durch eigene Anschauung kennenzulernen; er arbeitet im Geschäft des Kaufmanns Schröter, gerade wie ich.«
»Aber lieber Fink!« schaltete die Dame ein.
Fink ließ sich nicht stören, er legte sich in den Armstuhl zurück und blickte nach dem Grau der Arabesken an der Decke. »Herr Wohlfart ist ein merkwürdiger und interessanter Gesell. Es hat mit ihm eine eigene Bewandtnis. Er selbst ist der bescheidenste und bravste Mann, der mir je vorgekommen, er ist hier aus einer Ecke der Provinz, aus Ostrau, der Sohn eines verstorbenen Beamten. Aber es schwebt ein Geheimnis über ihm, von dem er selbst noch nichts weiß.«
»Aber Herr von Fink«, versuchte die Dame wieder einzufallen.
Fink sah eifrig nach den Schnörkeln der Decke und fuhr fort: »Er ist bereits in diesem Augenblick Eigentümer eines Landgebiets СКАЧАТЬ