Название: Старик-годовик
Автор: Владимир Даль
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 978-5-699-47121-8
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Il y a donc une beauté et un héroïsme moderne!
Ein knappes Jahrzehnt später geht Baudelaire das Problem des Schönen von einer anderen Seite an. Im Einleitungskapitel seines Berichts über die Pariser Weltkunstausstellung 1855 weist er darauf hin, dass das Schöne kosmopolitisch, vielfältig und vielgestaltig sei wie das Leben („multiforme et versicolore [et] se meut dans les spirales infinies de la vie“9). Wenn es sich in ein einheitliches System von Regeln fassen ließe, wie etwa der von Winckelmann begründete Neoklassizismus, so wäre es längst aus der Welt verschwunden, weil alle Ideen und Empfindungen in einer endlosen Gleichförmigkeit aufgehen würden und die Verschiedenartigkeit dahin wäre. Tatsächlich gebe es aber in allen Kunstäußerungen immer etwas Neues, das sich den Schulregeln entziehe. Diese Vielfalt („variété“) von Typen und Empfindungen verursache Staunen, das eines der großen Vergnügen sei, die Kunst und Literatur bereiten:
Tout le monde conçoit sans peine que, si les hommes chargés d’exprimer le beau se conformaient aux règles des professeurs-jurés, le beau lui-même disparaîtrait de la terre, puisque tous les types, toutes les idées, toutes les sensations se confondraient dans une vaste unité, monotone et impersonnelle, immense comme l’ennui et le néant. La variété, condition sine qua non de la vie, serait effacée de la vie. Tant il est vrai qu’il y a dans les productions multiples de l’art quelque chose de toujours nouveau qui échappera éternellement à la règle et aux analyses de l’école! L’étonnement, qui est une des grandes jouissances causées par l’art et la littérature, tient à cette variété même des types et des sensations. (S. 578)
Dann geht er noch einen Schritt weiter und erklärt, das Schöne sei immer auch „bizarr“:
J’irai encore plus loin, n’en déplaise aux sophistes trop fiers qui ont pris leur science dans les livres […]. Le beau est toujours bizarre. Je ne veux pas dire qu’il soit volontairement, froidement bizarre, car dans ce cas il serait un monstre sorti des rails de la vie. Je dis qu’il contient toujours un peu de bizarrerie, de bizarrerie naïve, non voulue, inconsciente, et que c’est cette bizarrerie qui le fait être particulièrement le Beau. (Ebd.)
Die „bizarrerie“ dürfe freilich nur gering sein und dazu „naïve, non voulue“, weil Regelmäßigkeit und Symmetrie Grundbedürfnisse des menschlichen Geistes seien10. Eine Feststellung, die dies verstehen hilft, findet sich in Fusées VIII:
Ce qui n’est pas légèrement difforme a l’air insensible; – d’où il suit que l’irrégularité, c’est-à-dire l’inattendu, la surprise, l’étonnement sont une partie essentielle et la caractéristique de la beauté. (S. 656)
Demnach zieht das, was nicht „légèrement difforme“ ist, also nicht leicht von der Norm abweicht, keine Aufmerksamkeit auf sich und wird nicht wahrgenommen – „(in)sensible“ ist hier Synonym von „(non) perceptible“. Um wahrgenommen zu werden muss das Schöne eine „irrégularité“ oder „bizarrerie“ oder, wie es an anderer Stelle unter Hinweis auf Poe heißt, eine „étrangeté“ aufweisen.
[…] ses […] compositions étranges qui semblent avoir été créées pour nous démontrer que l’étrangeté est une des parties intégrantes du beau.11
Poe hatte diesen Gedanken in der – von Baudelaire übersetzten – Erzählung Ligeia geäußert:
There is no exquisite beauty […] without some strangeness in the proportion.12
Mit dem aus seiner „strangeness“ oder „novelty“ resultierenden Überraschungselement („l’inattendu, la surprise“) bewirkt das Schöne Staunen („l’étonnement“), das Baudelaire daher zu einem weiteren wesentlichen Bestandteil erklärt: „une partie essentielle et la caractéristique de la beauté“. Im Salon de 1859 stellt er folgerichtig fest: „le Beau est toujours étonnant“13, und in der Exposition universelle 1855 gibt er den Künstlern den Rat:
Toute la question, si vous voulez que je vous confère le titre d’artiste ou d’amateur des beaux-arts, est donc de savoir par quels procédés vous voulez créer ou sentir l’étonnement. (S. 578)
Der Begriff des ‚Staunens‘ („étonnement“) hat in der europäischen Ideengeschichte eine lange Tradition14, die mit der philosophischen Erkenntnislehre beginnt, in der das Staunen Antrieb der Erkenntnis war und durch diese überwunden werden musste – so Aristoteles – oder – so Platon – in der erkennenden Schau der Ideen eine Steigerung erfuhr. Bei den antiken Rhetorikern interessierte Staunen als wirkungsästhetische Größe der Publikumspsyche. In der Neuzeit ist der Begriff durch die dem nachchristlichen Rhetor Kassios Longinos zugeschriebene anonyme Schrift Peri hypsus poetologisch fruchtbar geworden, die nach ihrer Wiederentdeckung in der Renaissance in der Übersetzung durch Boileau die ästhetische Diskussion im 17. und 18. Jh. mitgeprägt hat. Vom Pseudo-Longinos wird dem Menschen ein natürliches Streben nach dem Ungewöhnlichen, dem Großen und Schönen zugeschrieben (35, 2ff.) und diesem werden als Wirkung das Staunen (ékplexis) und die Ekstase (ékstasis) zugeordnet (1, 4). Edmund Burke hat in seiner Schrift A Philosophical Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful von 1757 die Wirkung des Erhabenen („sublime“) als „delightful horror“ beschrieben, als eine Mischung aus Faszination und Schrecken, die Kant wenig später mit den menschlichen Erkenntnisvermögen der Sinne einerseits und des reinen Denkens andererseits erklärt hat. Im 19. Jahrhundert hat diese Diskussion an Bedeutung verloren, doch ist ihr Echo in Baudelaires Überlegungen zur künstlerischen Ekstase und zum ästhetischen Staunen unüberhörbar. In jüngster Zeit hat man Baudelaires Verwendung des Begriffs ‚Staunen‘ als Bestandteil einer „Poetik des Stupors“ zu deuten versucht und mit dem psychiatrischen Diskurs des 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht15. Auch wenn Baudelaire zweifellos die einschlägigen medizinischen Diskussionen seiner Zeit kannte, ist ‚Staunen‘ für ihn aber zuallererst ein ästhetischer Begriff mit positiver Bedeutung. Staunen und staunen machen sind, wie es kurz vor der zitierten Stelle heißt, ein legitimes Bedürfnis des Menschen, weil sie einen Glückszustand („bonheur“) schaffen, wie er, wiederum unter Bezugnahme auf Poe, erklärt:
Le désir d’étonner et d’être étonné est très légitime. It is a happiness to wonder, „c’est un bonheur d’être étonné“; mais aussi, it is a happiness to dream, „c’est un bonheur de rêver“.16
Neben dem Staunen wird hier auch das „Träumen“ („rêver“) als glücklicher Zustand17 bezeichnet. Dass die „rêverie“ für Baudelaire eine ästhetische Qualität hat, geht aus einer Bemerkung in der Exposition universelle 1855 hervor, sein Urteil über Bilder werde davon bestimmt, wie viele Vorstellungen und „Träumereien“ sie in ihm auslösten:
Il m’arrivera souvent d’apprécier un tableau uniquement par la somme d’idées ou de rêveries qu’il apportera dans mon esprit. (S. 579)
Die „rêverie“ ist daher auch ein wesentlicher Bestandteil seines persönlichen Schönheitsbegriffs, den er um dieselbe Zeit in einer Notiz der Journaux intimes festgehalten hat.
J’ai trouvé la définition du Beau, – de mon Beau. C’est quelque chose d’ardent et de triste, quelque chose d’un peu vague, laissant carrière à la conjecture. Je vais, si l’on veut, appliquer mes idées à un objet, par exemple, le plus intéressant dans la société, à un visage de femme. Une tête séduisante et belle, une tête СКАЧАТЬ