Ini: Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Julius von Voss
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СКАЧАТЬ Himmel wölbte sich über Gefilde von unsäglich rührender Pracht. Blumen, Rasen, Bäume, waren zwar aus der uns bekannten Natur genommen, aber in sich so verschönt, so reitzend zusammengestellt, daß das Auge an die Natur einer andern Welt glaubte. Man sah die ostindische Oelpalme, den antillischen Kampah-Baum, die peruanische Balsamstaude, Cipressen, Granaten, Lorbeeren, Platanen, aber die Massen in welche sie gefügt waren, machten einen unweit anmuthigeren Eindruck, als er in irgend einer wirklichen Gegend empfunden wird. In den mannichfachen Blumen lebte eine Wahrheit, daß man an ihren Duft in süßer Täuschung glaubte, und zum Triumph des Urhebers, viele streitend behaupteten, der Maler habe sie mit den Essenzen ihrer Gerüche versehen, so wie andere die Hand in die berückende Tiefe des Gemäldes ausdehnen wollten, und sie beschämt von der Leinwand wegzogen. Was aber dem Ganzen am meisten das Fremdartige, übersinnlich, selig Erscheinende gab, war die zarterfundene Beleuchtung. Eine tief am Horizont schwebende Sonne sandte ihr Licht sparsam durch dunkel gedrängte Waldung an einer Seite. Ihre Scheibe zeigte aber kein hellleuchtend Goldfeuer, sondern eine weiße sanftstrahlende Diamantenglut. Hiedurch wurden alle Tinten verändert und nahmen einen ätherischen Charakter an, der mit süßem Rausch erfüllte, und die Abscheidung von Schmerz und Erdenwahn freudigahnend empfinden ließ. Auch auf die menschlichen Gestalten wirkte das Zauberlicht so wunderbar, daß sie bei der uns verwandten Natur ihrer Formen, geistiges Leben zu athmen schienen. Den eben angelangten Helden, in Kraft und Stattlichkeit, den vollen Ausdruck edler Seelenhoheit im Antlitz, verklärte die staunende überraschende Wonne der ihn rings umfangenden Glorie. Die Jungfrauen von Wallhalla nahten ihm in der lieblichsten Anmuth, der holdesten Freundlichkeit, brachten ihm den Trank der Unsterblichen und krönten sein Haupt mit ewig blühenden Rosen. Ihre heiligen Reitze geboten zugleich Liebe und schalten das Gefühl Verwegenheit. Die erhabenen Züge forderten knieende Anbetung, die kindliche Unschuld untersagte ihnen göttlich zu huldigen.

      So war dies Gemälde angethan, von dem Guido sich nicht abzuwenden vermochte. Erst nach manchen Erinnerungen ging er weiter und trug die Totalidee eines Helden in seiner Seele davon, der sich glorreich über alle Schrecken der Gefahr erhoben und eines unsterblichen Lohnes werth gemacht hat.

      Ihm wurde nun ein Christus gezeigt, der Jairus Tochter erweckt. Des Heilands Gesicht zeigte keine Spur von allem was an Leidenschaft erinnert, das reine menschliche Gepräge stand da, doch von erhabner Liebe und festem Götterwillen unaussprechlich heilig beseelt. Das: „Stehe auf!“ gebot sein hohes Auge mit ruhiger Majestät, mild lächelte die männliche durch Anmuth bewegende Wange. Der Uebergang vom Tod ins Leben war an dem Mädchen mit bezaubernder Kunst ausgeführt. Ein leichter Rosenhauch goß sich über das noch starre Antlitz. Der Augenaufschlag war frommer Lichtgruß, kindlicher Engelsinn. Die kaum wieder regen Hände strebten, sich zum Gebet zu erheben. Ihr Vater, ihr Geliebter, sanken neben dem Sarge aufs Knie. Die ganze siegende Haltung des Gemäldes zwang jeden Zuschauer, der fühlenden Sinn mitbrachte, die Anbetung in der nehmlichen Lage zu theilen. So geboten hier die Maler dem Herzen. Guido nahm von dieser Staffelei einen noch weit erhabneren Begriff von Tugend mit sich, als er bisher in ihm gelegen hatte.

      Noch viele andere meisterhafte Werke wurden ihm gezeigt, von denen er schwelgende Erinnerungen bewahrte. Er schrieb durch ein Täubchen an Ini von seinem Entzücken, setzte aber hinzu: Du bist dennoch schöner als jedes Mariabild, jede Muse oder Valkire, die ich sah.

      Gelino zeigte ihm nun das Parthenon, genau dem alten nachgeahmt, dessen Säulengänge einst so große Summen gekostet hatten. Phidias alte Meisterstatue der Minerva aus Elfenbein, ward durch eine Heilandsmutter in gediegenem Golde vertreten, der dieser Tempel nun geheiligt war.

      Gelino, indem er ihm diese und andere Merkwürdigkeiten zeigte, hub an: Du siehst Athen der Welt in seinen Schönheiten wiedergegeben, doch die Sklavenhorden von Ehedem, das wilde, mit den Archonten kämpfende, den Pnix mit Geschrei und Streit erfüllende Volk der Vorzeit nicht. Diese Erscheinungen dulden unsere besseren Tage nimmer. Wir könnten noch das Odeon besuchen, wo die Meister der Tonkunde wetteifern, die Bühnen, wo man Sophokles, Euripides und Aristophanes Schöpfungen darstellen sieht, doch in diesen Vorwürfen wird Athen anderweitig übertroffen, und die Reise eilt. Wir wollen jetzt nach der Gränzfestung des Staats, lerne dort, wie man mächtig der Feinde Angriffe wehrt. Nicht immer kannst du bei den lieblichen Künsten weilen.

      Diese Gränzfestung war jetzt die Citadelle bei Konstantinopel. Die ehemalige Bevölkerung der Stadt hatte durch den politischen Wechsel um mehr als die Hälfte abgenommen, und die Lage daneben, eignete sich zu ihrer gegenwärtigen Bestimmung. Lange zwar hatte Europa keinen Krieg mit dem Morgenlande geführt, aber die Neu-Perser geboten ungeheurer Macht, und die Vorsicht empfahl, nicht unbereitet zu sein.

      Doch über der Meerenge winkte auch eine Feste von ähnlichem Umfang, und beim Ausbruch eines Krieges ließ sich voraussehen, daß sie einander wechselseitig beschießen würden; denn der Abstand der Citadelle von Konstantinopel bis Neu-Troja, so nannte man jenen Ort, wurde von der nunmehrigen Artillerie bequem abgereicht.

      Schon lange hatte man dem Schießpulver neue Bestandtheile gegeben. Seine Wirkung ging nicht mehr von der Elastizität des sich entbindenden Stickstoff- und Kohlenstoff-sauren Gases allein aus, man mengte dem Salpeter noch Ammoniakgas und Knallsilber bei, deren unzeitigem und zu leichtem Entbinden eine chemische Gegenkraft abhalf. Furchtbar traf dieses Pulvers zerstörende Gewalt.

      Die Metallröhre schossen Kugeln von funfzig bis zu dreihundert Pfunden auf zwei oder drei Meilen, die Mörser warfen noch weiter, und schwerere Lasten. Da aber der Erdkrümmung halber die Fläche kaum eine Meile sichtbar ist, so mußten die Stücke auf hohe Berge geschafft werden, wenn sie in weiter Entfernung ihr bestimmtes Ziel treffen sollten. Ein gutes Sehrohr war dann an den Visirpunkt befestigt, und bei der scharfen Genauigkeit der Drehewerke, womit sich die Richtung vollzog, konnte man das Ziel nur selten verfehlen. Die Bomben, von ungeheurem Umfang, trugen deren andere in sich, die abermal mit kleineren gefüllt waren, welche zuletzt unvertilgbar Feuer in sich trugen. Der Artillerist wußte die Bahn, welche sie zu durchfliegen hatten, dem Raume und der Zeit nach, auf die Sekunde zu berechnen, besonders da auch ein Windmesser ihn von dem Widerstande, mit welchem die Luft ihm entgegen streben würde, vollkommen unterrichtete. Weil daneben, bei Verfertigung des neuen Pulvers, mit einer so großen Gewißheit verfahren wurde, daß ein davon bereiteter Zünder, jedesmal die Explosion in dem Augenblicke vollzog, den der Konstabler wünschte, (eine Fertigkeit, welche man Ehedem nicht errang), so ward, indem man nach einer feindlichen Stadt warf, die Entzündung gemeinhin bewirkt, wenn die Bombe in der Höhe von einigen hundert Schuhen über den Dächern angekommen war. Nun breiteten sich die größeren Granaten der Füllung, deren Explosion nach Maaßgabe der Größe des Orts erfolgte, so aus, daß dieser mit den letzten Kugeln und den Trümmern der schon gesprungenen, überdeckt wurde, wobei das nach allen Richtungen sprühende Feuer die Verwüstung vollendete.

      Der nahe Ruin jeder belagerten Festung war unter diesen Umständen unvermeidlich. Allein die Festungen wurden dermalen auf Höhen angelegt, wo, ohne Wasser zu finden, tief zu graben war. Man wölbte dann hundert Schuh unter der Erde Straßen aus, die durch Zuglöcher von oben Luft empfingen, und beständig durch Laternen erleuchtet wurden. Von diesen waren höhlenartige, doch gut gemauerte und mit Bequemlichkeit versehene, Wohnungen seitwärts eingebrochen, in welchen die Soldaten, und was zu ihnen gehörte, hausen konnten. Da genoß man Sicherheit, mochten oben die Bomben einschlagen. Auch alle Wälle hatte man ausgehöhlt und mit Felsenlagen hinlänglich gedeckt, damit sich die Wachen inwendig aufhalten konnten. Uebrigens traf die Besatzung mit eben so furchtbaren Schlünden auch ihre Widersacher, und so waren die Dinge sich wieder gleich; denn der menschliche Geist entdeckt, wie das Zerstörungsmittel, auch die Gegenwirkung.

      Noch ist hier der schnellen Art zu denken, in der aus einer Festung, oder aus einem Lager, nach dem Hauptquartiere irgend eines fernen Heeres, oder auch nach der Hauptstadt, Briefe geschafft wurden. Luftposten, Telegraphen, akkustische Anstalten, blieben dagegen, entweder an Geschwindigkeit, oder Ausführlichkeit, zurück. In erreichbaren Abständen befanden sich nehmlich auf befestigten Höhen Kanonen, und Zielwände. Nun sandte man eine Kugel ab, an welcher eine Stahlkette und an dieser ein dichtes Kästchen geheftet war, das die Briefe oder andere zu übermachende Gegenstände СКАЧАТЬ