Ini: Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Julius von Voss
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СКАЧАТЬ andere Kugel gefügt, wodurch denn hundert Meilen, in weniger als einer Viertelstunde, erreicht waren.

      Die Citadelle bei Konstantinopel war, als die vorzüglichste im Reiche, auch am sorgsamsten gebaut. Ihre Wälle glichen Gebirgen, die Kellerstadt, mit ihrem unterirrdischen Leben, bot den sehenswürdigsten Anblick dar. Es fehlte nicht an Tempeln, Marktplätzen, Bühnen; die Genüsse hatten auch ihren Sitz in der Tiefe errichtet, und die treffliche Erhellung ließ das Tageslicht nicht vermissen. Um vorbereitet auf den Belagerungsstand zu sein, mußte auch fortwährend im Frieden, die Besatzung hier wohnen, und, indem sie zahlreich und gut belohnt war, hatte das viele Bürger gelockt, sich unten anzusiedeln, und ihr Leben zu gewinnen, indem sie jenen das ihrige bequemer machten. So wuchs die Bevölkerung nach und nach dort ziemlich an.

      Bei der Vervollkommnung des Pulvers hatte man auch den Minenkrieg weiter ausgedehnt. Es war nun nicht allein ausführbar, einen großen Ort auf Einmal in die Luft zu sprengen, sondern man legte auch außerhalb Minen in schiefer Richtung an, warf durch sie Massen von Erde dahin, und bedeckte die Festung in kurzer Zeit mit einem ganzen Berg, wobei die Alterthumskundigen bewogen wurden, an die Fabel der Giganten zu denken, welche einst den Ossa, Pelion und Olimp auf einander thürmten. Allein die Gegenanstalten mangelten auch hier nicht. Der Feind ward nicht dazu gelassen, die Festung unterhöhlen zu können. Weit hinaus vor den Festungswerken liefen Straßen unter der Erde hin, an Größe und Dauer vergleichbar den altrömischen Wasserleitungen. Von ihnen gingen kleinere Gassen aus, welche mit ihren Nebensteigen ein weitläuftiges Gewebe bildeten. Hier zogen die Streifwachen rastlos umher, und erspähten zeitig, was der Gegner unter dem Erdhorizont beabsichtete. Dann drückte man, nach ihm hin, die Erde ein, seine Arbeiter erstickend. Warf der Feind einen Berg auf die Festung, so war diese reichlich genug mit dem Ammoniak- und Knallsilber-Pulver versehn, um sich davon zu befreien, indem sein Schutt wieder auf der Feinde Häupter geschleudert wurde. Diese hatten daher auch auf Laufgräben zu denken, welche in der Tiefe Sicherheit gewährten.

      Guido sah alle diese Anordnungen bewundernd. Sein Gemüth ward entflammt, der Ruhm eine solche Feste einst glorreich zu vertheidigen, oder glorreich einzunehmen, gewann einen hohen Reiz für ihn. Sein mathematischer, erfindungreicher Kopf wußte auch von einer Menge Verbesserungen zu reden, die man am Geschoß, an den Minen und anderen Kriegverrichtungen gültig machen könne. Gelino lobte dies feurige Umfassen eines hohen Gegenstandes, setzte hinzu: ihn könne leicht der Kaiser einst beim Heere beschäftigen, und lobenswerth müsse es dann sein, wenn er sich des hoffenden Vertrauens würdig mache. Bei dem allen sei aber nichts lebhafter zu wünschen, als daß die Völker des gesammten Erdbodens dem Beispiele jener von Europa folgten, und, ein Welttribunal zum Schlichten aller Streitfälle unter Nationen errichtend, die Kriege für ewig aufhöben.

      Dies ist auch einer von Inis Gedanken, versetzte Guido, aber wodurch soll dann die Kraft Ruhm erwerben? Dann ist keine so hohe Gestalt mehr auszubilden, wie jene, die das Gemälde von Wallhalla in Athen zeigt. Nur die Heldenseele prägt die erhabenste männliche Schönheit aus.

      Auch die Seele des Tugendhaften, entgegnete sein Lehrer. Es giebt Feinde genug in der eigenen Brust zu überwinden, der Sieg über sie ist eben so glorreich, ja vielleicht noch mehr.

      Die Reise ging jetzt zu der nördlichen Provinz hin, vor Zeiten das europäische Rußland genannt. Man bediente sich dazu einen von den Frachtwagen, die südliche Erzeugungen dorthin, und nördliche nach den mittäglichen Gegenden brachten.

      Zu dem Ende waren hier, wie meistens im ganzen Staate, herrliche Kunststraßen angelegt. Sie hatten eine Breite von zweihundert Schuhen, und waren in der Tiefe von funfzig Schuhen, mit gestampftem Granit festgerammt. Je mehr größere und kleinere Straßen der Art es schon gab, je leichter fiel es auch, deren neue zu bahnen und die Steine nach den Gegenden zu schaffen, wo sie mangelten.

      Auf der Straße von Konstantinopel waren Wagen mit zwei Rädern gebräuchlich. Jedes Rad hatte aber einen Durchmesser von funfzig Schuhen. Jede seiner Speichen bestand aus einem mäßigen Fichtenbaum, und war mit Eisen reichlich verstärkt. Die übrigen Theile hatten angemessene Verhältnisse. Durch die gewaltige Hebelkraft solcher hohen Räder ließ sich nun eine außerordentliche Last fortbringen. Die von mehreren Eichenstämmen zusammengefügte und mit zentnerschweren Eisenringen verbundene Achse hatte eine Breite von funfzig Schuhen, und an dicken Ketten hing ein Prahmen im Gleichgewicht, etwa sechs Schuh von der Erde, über hundert Schuh lang, gegen dreißig breit, und gegen funfzehn tief. Hierein wurde die ansehnliche Menge von Waaren geladen, und die Kajüte des Prahmens diente Reisepassagieren zum angenehmen Aufenthalt, wie auch über den Waaren ein Verdeck zum Lustwandeln eingerichtet war. Bäumchen auf Töpfen und Blumen gewährten einen lachenden Anblick und erhöhten das Vergnügen der Reisenden.

      Die Art, in welcher die riesenhaften Karren gezogen wurden, hatte viel Einfachheit. Zwölf Pferde waren genug. Diese gingen einige hundert Schritte voraus, an lange dicke Taue gespannt, welche von der Achse ausliefen. Die Räder gaben, wie schon bemerkt wurde, die mechanische Leichtigkeit.

      Es versteht sich aber, daß die Kunststraßen horizontal fortliefen. Tiefen zu füllen und sich durch Höhen zu brechen, war ja auch nur ein unbedeutend Werk, seitdem die Menschheit sich mit dem neueren Pulver vertraut gemacht hatte, das, außer den Kriegen, noch so mannichfachen Nutzen in Sprengungen gewährte.

      Was konnte angenehmer sein, als auf einem solchen, durch Pferde bewegten Prahmen, zu reisen. Zwar ging die Luftpost schneller, zwar konnten die Meerfahrzeuge schwimmenden Pallästen verglichen werden, allein hier genoß man doch die Erheiterung, stets die nahe Landschaft und die Merkwürdigkeiten der Gegend zu sehen. Auch war die Sicherheit die vollkommnere, was immer das Gemüth ruhiger läßt. Unfälle blieben nicht denkbar, da auf allen Stationen der Zustand des ganzen Wagens geprüft, und das etwa Schadhafte hergestellt wurde. Das Schlimmste, was sich hätte ereignen können, wäre ein Durchgehen der Pferde gewesen. Aber dies hätte nur um so zeitiger an Ort und Stelle gebracht, denn aus der Bahn dieser Kunststraßen konnten die Thiere nicht weichen. Sie waren zu beiden Seiten mit hohen Gittern eingeschlossen, und nöthigenfalls schnitten die vorn reitenden Fuhrleute die Stränge ab.

      Es ging immer in vollem Sprung. Auf jeder geographischen Meile befand sich ein Pferdewechsel, durch Schüsse und Flaggen zeitig benachrichtigt, in der Nacht durch Feuersignale. So war das Abschirren und Anspannen das Werk einer Minute, in der man auch einen Wasserstrom über die erhitzten Räder leitete, und sie inwendig mit einem schlüpfrigen Oele versah. Reverberen brannten in der Dunkelheit zu beiden Seiten des Wegs. So kam man in vier und zwanzig Stunden gegen zwei geographische Grade weiter, aß, trank und schlief im Prahmen. Das einzige vorenthaltene Vergnügen blieb, daß man nicht die Städte und Dörfer inwendig sehen konnte, denn allerdings mußten die Kunststraßen umweg laufen.

      Nach einigen Tagen langte der Wagen in Moskau an, wo sich sogleich viele gierige Käufer zu den Südfrüchten drängten, welche er geladen hatte, und die meistens frisch überkamen.

      Der Umfang, die zahlreichere Bevölkerung dieses Orts, seine großen Fabriken gaben die Vorwürfe, welche nun Guidos Aufmerksamkeit fesselten. Die meiste Betriebsamkeit war auf die Anfertigungen für die Heere gegründet, welche in der Nachbarschaft in ihren Uebungslägern standen. Hier waren die meisten Soldaten versammelt, theils der Gränze gegen Asien halber, theils, weil die rauhe Gegend sich zu ihrer Abhärtung eignete.

      Mit der Werbung, Unterhaltung, Verfassung der Krieger, hatte es folgende Bewandniß:

      Es galt Regel, daß jeder europäische gesunde Jüngling sich ein Jahr lang an den Waffenplätzen einzufinden hatte. Nicht Geburt, nicht erkornes Gewerbe, verstatteten eine Ausnahme. Gegen das achtzehnte oder zwanzigste Jahr, wurden sie in ihren Provinzen aufgerufen, und folgten dem Zuge zu den ihnen angewiesenen Lägern.

      Sie zählten hier schon den Vortheil der Reise, und konnten bei ihrer Heimkehr sich mancher Erinnerung freuen, auch das gesehene Merkwürdige auf ihren anderweitigen Lebensberuf nützlich anwenden.

      Im Lager wurden sie zunächst geprüft, СКАЧАТЬ