Название: Halbtier
Автор: Böhlau Helene
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
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Jede seiner Bewegungen zeugte davon, daß er sich hier sicher und wohl fühlte, daß er sich seines Werts bewußt, daß er ein berühmter Mann war.
Als Marie und Isolde in den eigentümlichen englischen Stühlen Platz nahmen, empfanden sie ein lebendiges Behagen, wie sich das glatte zarte Holz an den Körper schmiegte. Unwillkürlich strich Isolde wie liebkosend über die Armlehne auf der ihre Hand ruhte. Sie fühlte sich so geborgen.
Wie robust lebte es sich daheim, wie häßlich und grob.
Ihren Vater ließ sie nicht aus den Augen. Er war hier wie ein anderer Mensch. Wie zu einem Heiligen neigte sich die schöne Frau zu ihm und fragte ihn, ob er Rum oder Citrone in den Thee wünsche. Eigenhändig reichte sie ihm das Gewünschte und er schaute wie ein Halbgott um sich.
Isolden war etwas wie Weinen und Lachen nah. Ein erschrecklich verquicktes Ding von einem Gefühl. Sie dachte an die Mutter daheim. Der Thee war so duftend, die Tassen so zart, alles Gerät auf dem Tisch als stammte es aus einer vollkommeneren Welt.
Die Mädchen saßen ganz still in ihren hellgrauen Lodenkostümen, wie zwei graugefiederte Tauben.
Sie dachten beide an ihre Kleider, die sie im Köfferchen mitgebracht hatten und fühlten eine wahre Sehnsucht danach.
Mrs. Wendland fuhr im leichten Plaudern fort, in dem sie, durch das Eintreten der neuen Gäste, unterbrochen worden war. „Lu,“ wendete sie sich an die junge Frau, „man hat mich gefragt, was ich habe an dir? Was hast du an ihr? Ich habe gesagt: das, was du hast an mir, hab’ ich an ihr. Ich bin wärmer als du, sie ist wärmer als ich. Es ist immer die Wärme.
Und weißt du, wer hat gefragt?
Dieser Öfling!“ Mrs. Wendland blickte auf den kleinen dicken Baron.
Die junge Frau sah groß auf und lachte.
„Ja,“ sagte sie, „ich stehe nicht in Gnaden bei dem Baron.“
„Verehrteste!“ der kleine dicke Baron machte eine wahrhaft entsetzte Bewegung und steckte seinen goldnen Kneifer auf die Nase. „Verzeihung, gnädigste Frau, da muß ich allerdings einen absolut anderen Zusammenhang …“
„Mußt dich nicht bemühen, lieber Freund.“
Mrs. Wendland stand vor dem Kamin, ihre hohe schlanke Gestalt nachlässig hingelehnt.
Sie schaute mit unergründlichen Augen auf die Gesellschaft. Über ihr lag eine eigentümliche Ruhe, wie sie gewöhnlichen Menschen nicht eigen ist. „Merkwürdigerweise,“ fuhr sie fort, „sagte Lu dasselbe von dir, lieber Baron: Wie kannst du verkehren mit diesen dummen Baron?“
„Mary!“ rief die junge Frau ganz entsetzt.
Mrs. Wendland aber erzählte ruhig weiter: „Ich habe gesagt: Es ist ein alter Liebhaber von mich und ich frag’ ihn: Wo kaufst du das beste Kaiseröl und ob er seine Leute auch Werktags Wein giebt – solche Dinge – aber das ist das Gemütliche nicht wahr, Baron?“
„Du bist heut ja wieder von fabelhafter Freimütigkeit!“
Die junge Frau war tief errötet und etwas nervös geworden.
„Und schließlich, ist denn diese Freimütigkeit so notwendig?“
„Meine liebe Lu, Freimütigkeit ist nie unnötig. Denke, was für ein schönes Wort: Frei! – Mutig! – Zum Beispiel: Ich habe das Unglück, unter deutschen Frauen zu leben. Ich weiß nicht, womit ich das verdient habe. Die, mit denen ich muß leben, die werd’ ich nicht in ihrem Dunkel sitzen lassen. Alle deutsche Frauen sind Kühen,“ sagte sie aufseufzend.
„Das gehört eigentlich wieder unter vier Augen,“ meinte Frau Lu.
„Mit deinen, ‚unter vier Augen‘!“ Mrs. Wendland lächelte.
„Was man unter vier Augen sagt, ist so gut, als ob man gar nichts sagt – außer in Liebesdingen – ja dann – natürlich. Aber alles andre ist gut, wenn man aller Welt es sagt. Es wird bekannt. Ich sage alles, was ich denke.“
Der moderne Schriftsteller hatte eine zarte Applaudierbewegung mit den Spitzen seiner Finger gemacht, als Mrs. Wendland die eigentümliche Bemerkung über die deutschen Frauen vorbrachte. Mrs. Wendland hatte dies bemerkt.
„Und was soll ich von den deutschen Männern sagen, wenn ich muß sehen so etwas?“
Sie umgab den Schriftsteller wahrhaft mit der ruhigen Macht ihres Blickes. „Wenn ich sage, die deutschen Frauen sind Kühen, so ist das etwas Trauriges und ein schlechtes Zeichen für den deutschen Mann.
Wenn ich bin freimütig und sage, was Frau Lu von meinem guten Baron gesagt hat, so will ich, daß sie nicht soll erschrecken. Sie soll ganz ihr selbst bleiben – ganz ruhig in ihre Seele, nicht aus der Contenance kommen. Eine Frau, die gethan und gelebt hat, wie Frau Lu, die so gehandelt hat, muß souverain sein. Lu hat nie zu die Kühen gehört – nie. Lu nie.“
Das sagte Mrs. Wendland sehr bestimmt.
„Sie ist Ausnahme, first class.
Wenn ich denke an Lu, denke ich, daß sie genagelt ist an ein Kreuz mit tausend Rosen überdeckt, so ganz überdeckt von Rosen – ein Golgatha, ganz in Rosen.
Niemand sieht, daß sie genagelt ist – aber sie ist’s, mit Händen und Füßen, weil sie eine so glückliche Ehe hat, so ein Wunder von einer Ehe. Eine wirklich glückliche Ehe! – Nicht, was man so nennt glückliche Ehe, das ist eine Futterehe, was man im allgemeinen nennt „glücklich“.Aber Lus Ehe ist in Wahrheit glücklich – und das ist ein großes Unglück.“Mrs. Wendland ging auf ihre Freundin zu, strich ihr über das Haar. „Arme Lu!“Frau Lu schlang die Arme um sie und sagte: „Aber wie viel besser es ihm jetzt geht! – Und er arbeitet! Wenn Gott nur einmal ein bissel neutral bleibt.“„Übrigens, mir fällt ein,“ sagte Mrs. Wendland – „etwas ganz anders: Gestern geh’ ich meinen Spaziergang außerhalb meinem Park und begegne einer deutschen Familie – zwei Männern, Kindern und eine Frau.
Aber Lus Ehe ist in Wahrheit glücklich – und das ist ein großes Unglück.“
Mrs. Wendland ging auf ihre Freundin zu, strich ihr über das Haar. „Arme Lu!“
Frau Lu schlang die Arme um sie und sagte: „Aber wie viel besser es ihm jetzt geht! – Und er arbeitet! Wenn Gott nur einmal ein bissel neutral bleibt.“
„Übrigens, mir fällt ein,“ sagte Mrs. Wendland – „etwas ganz anders: Gestern geh’ ich meinen Spaziergang außerhalb meinem Park und begegne einer deutschen Familie – zwei Männern, Kindern und eine Frau.
Die Kinder liefen voraus und die Frau war zurückgeblieben. Sie hatte ’was an die Füße und war so eine dicke Bürgerin.
‚Schau,‘ sagt die eine Mann zu seinem Begleiter, ‚wie deine Alte nachhatscht.‘ —
‚Na, alter Kachelofen,‘ ruft ihr der Ehemann zu, ‚mach voran!‘
Und die Frau schaut auf mich und lacht so gutmütig und sagt:
‚So san die Mannersleut!‘
So sind sie alle, da liegt das ganze „Deutsch“ darin.
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