Benno Stehkragen. Ettlinger Karl
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Читать онлайн книгу Benno Stehkragen - Ettlinger Karl страница 6

Название: Benno Stehkragen

Автор: Ettlinger Karl

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ … Ach, wenn man ihm die dumme Geschichte doch gar nicht erzählt hätte!

      Als Benno Stehkragen sich dermaßen den Wuschelkopf zerbrach, war Martha bereits nicht mehr im Wechselbureau beschäftigt.

      Es war zwischen ihr und Rittershaus zu einem Krach gekommen. Rittershaus hatte sie, die er ihrer Lebhaftigkeit wegen nicht leiden konnte, angeschrien, Martha hatte ihm eine zwar zutreffende, aber reichlich kecke Antwort gegeben, und das Ende vom Lied war, daß Rittershaus, vor Wut an allen Gliedern zitternd, in die Direktion lief, um die Entlassung »dieser Person« zu verlangen.

      »Des hast de gut gemacht!« ermunterte Rehle, indessen Martha die Tränen in den Augen standen. »Endlich hat er’s doch emol zu heern krieht, was er for e Dreckspatz is!«

      Und zu den übrigen Beamtinnen gewandt: »Nemmt euch e Beispiel draa! Aach du, Madamm Ungnädig! Des is gescheiter, als ehrwerdige Familjevätter uff de Backe zu haage!«

      Fünf Minuten später saß Rittershaus triumphierend wieder auf seinem Platz, und Martha wurde in die Direktion befohlen.

      Direktor Hermann empfing sie sehr ungnädig.

      »Wie können Sie sich unterstehen, einem alten verdienten Beamten eine solche Antwort zu geben! Sie sind wohl nicht recht bei Troste?«

      Martha blickte ihm gerade ins Gesicht. Ihre Tränen waren versiegt. Sie war völlig mit sich im reinen und sagte mit ruhiger Stimme, mehr um den Fall aufzuklären als zu ihrer Verteidigung: »Er hat mich in einem Ton angeschrien, den ich nicht gewöhnt bin! So schreit man keine Dame an!«

      »Wir haben hier keine Damen, sondern nur Beamtinnen!« erklärte Hermann schroff. »Merken Sie sich das gefälligst! Sie werden Herrn Rittershaus um Entschuldigung bitten.«

      »Nein!« rief Martha lebhaft, »das werde ich nicht tun!«

      Der Direktor zerbiß seinen Schnurrbart. Es war schwer zu entscheiden, geschah es, um seinen Ärger oder um eine aufkeimende Vergnügtheit zu verbergen? Er erhob sich jäh und kreuzte in langsamen Schritten das Zimmer.

      »Wir pflegen Disziplinlosigkeit unbarmherzig mit Entlassung zu beantworten,« sprach er heftig. »Unbarmherzig! Verstehen Sie, Fräulein Böhle? Unter keinen Umständen lassen wir so was einreißen! Unter keinen Umständen!«

      Er wandte sich nach Martha und schien eine Einwendung zu erwarten.

      Martha stand mit trotzig aufgeworfenen Lippen da. Ihre Augen funkelten, aber sie antwortete nichts.

      Hermann setzte seine Wanderung durch das Zimmer fort, blieb am Fenster stehen, schob die Gardine zurück, sah auf die Straße hinunter und sagte nach einer Weile, mehr zur Fensterscheibe als zu Martha: »Aber diesmal wollen wir in Anbetracht Ihrer Unerfahrenheit eine Ausnahme machen. Aber nur dieses eine Mal!«

      Und plötzlich drehte er sich um, ging auf Martha zu und sprach mit beinahe väterlichem Wohlwollen: »Sie müssen sich nicht gleich so aufregen, Kindchen! Meinungsverschiedenheiten gibt es überall auf der Welt! Auch hier in der Bank! Ausgenommen natürlich in der Direktion!«

      Dabei streifte sein Blick mit leisem Lächeln die Glatze des Direktors Birron, der in das Kursblatt vertieft dasaß und überhaupt keine Notiz davon genommen hatte, daß jemand in das Zimmer getreten war.

      Als Martha immer noch nichts entgegnete, nahm er unvermittelt wieder seinen schneidenden Geschäftston an: »Sie werden von heute mittag ab im Couponbureau arbeiten! Melden Sie sich bei Herrn Wittmann! Und jetzt gehen Sie sofort nach Hause!«

      Er setzte sich grußlos wieder an seinen Schreibtisch.

      Doch als die Tür ins Schloß gefallen war, blickte er nochmals auf und schmunzelte: »Ein famoser Racker! Meinen Sie nicht auch, Kollege Birron?«

      »Es wird schon recht sein!« brummelte es hinüber. »Ganz wie Sie wollen, Herr Kollege!«

      Martha holte ihr Jackett und ging nach Hause.

      »No?« frug der alte Binder. »No, Fräulein Böhle? So frieh schon haam? Hat’s was gewwe?«

      Und nachdem er ohne Erregung Auskunft erhalten hatte, meinte er: »Des hätt’ ich Ihne im voraus sage könne! E Mädche wie Ihne läßt merr net so mir nix, dir nix fort! Also zum Wittmann komme Se? Schad’! Des dhut merr laad! Nemme Se Ihne in acht vor dem! Des is e Heimticker! Unner uns Parrersdöchter gesacht!«

      »Na, sehen Se,« begrüßte Wittmann am Mittag Fräulein Böhle. »Na, sehen Se: Schöne Seelen finden sich zu Wasser und zu Lande! Die Götter haben mein Flehen erhört.«

      Ganz wie damals, als Rittershaus vorgestellt hatte: »Fräulein Böhle, unsere neue Kollegin – Herr Wittmann,« machte er eine leichte Verbeugung und streckte ihr die Hand hin:

      »Auf gute Kollegenschaft, Fräulein!«

      Und diesmal ergriff Martha herzhaft die dargebotene Hand und lächelte:

      »Auf gute Kollegenschaft!«

      Sie hatte in der Zwischenzeit manches gelernt und fühlte aus dem Ton salopper Vertraulichkeit, den sich die meisten Beamten im Verkehr mit den weiblichen Angestellten erlaubten, kaum mehr die Ungezogenheit heraus.

      Wittmann sah sich im Bureau um. »Wohin plazieren wir Sie denn? Dahinten, gegenüber von Herrn Stehkragen, is noch ’n Sitz frei. Also nehmen Se Platz, und schmücken Se unser Heim!«

      Und so kam es, daß Benno Stehkragen, wenn er von seinem Drehstuhl nicht nach rechts, nicht nach links, sondern geradeaus schaute, das höchst sehenswerte Fräulein Böhle erblickte.

      Und er guckte jetzt öfter von seiner Arbeit auf, als es sonst seine Gewohnheit gewesen war, und seine beweglichen dunklen Augen nahmen dabei einen ruhigen, beschaulichen Blick an.

      Etwa so, als betrachte ein Kunstfreund aufmerksam ein seltenes Meisterwerk, das immer neue Wunder offenbarte.

      Das erstemal am Tag schaute Benno Stehkragen des Morgens, wenige Minuten nach acht Uhr, empor, wenn Martha sich niedersetzte.

      »Guten Morgen, Herr Stehkragen!« sagte sie dann, indem sie die Schreibärmel überstülpte.

      »Guten Morgen, Fräulein Tulpe!« erwiderte Benno und erntete ein freundliches Lächeln.

      Er begrüßte sie jeden Vormittag mit einem anderen Blumennamen, und ihm schien an jedem Tag, daß just der heute gewählte Name am besten für sie passe.

      Das zweitemal hoben sich seine altmodischen Brillengläser gegen zehn Uhr, und dann sahen Bennos Augen zwei stattliche Schinkenbrote hinter Marthas kerngesunden Zähnen verschwinden.

      Sein Blick frug ermunternd: »Schmeckt’s?«, und ein Gegenblick antwortete vergnügt: »Danke, ausgezeichnet!«

      Und einmal phantasierte Benno vor sich hin: Wenn ich jetzt das Schwein wär’, von dem der Schinken abstammt – und ich wär’ gemästet – und ich tät’ drei Zentner wiegen, Gott behüt’ – und es käm’ der Metzger – und tät’ sagen: »Benno Schwein,« tät’ er sagen – »du mußt jetzt sterben! – Denn da ist ein reizender Gaumen – ein Gaumen von einer Königin – und die Königin muß notwendig zwei Schinkenbrote essen – sonst kann se kein Kopierbuch registrieren« – dann …

      Er brach die Phantasie jäh ab, denn der Gedanke, ein Schwein, ein verbotenes, unreines Tier zu sein, war seinem strenggläubigen Gemüt doch zu schreckhaft.

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