Benno Stehkragen. Ettlinger Karl
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Название: Benno Stehkragen

Автор: Ettlinger Karl

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ da sin Se ja gleich in de richtige Affe’stall komme! Se wer’n Aage mache! Also gehn Se enuff in de erste Stock, Zimmer dreiunzwanzig! Un viel Glück!«

      Binder hatte schon eine große Arbeit hinter sich: das Sortieren der eingetroffenen Post. Natürlich durfte er die Briefe nicht öffnen, aber er hatte die Privatbriefe an das Personal herauszusuchen, die er dann den Empfängern beim Passieren der Portierloge überreichte.

      Es gab da Privatbriefe jeden Formats, auch parfümierte kleine Briefchen, deren Inhalt leicht erratbar war, Ansichtskarten mit verliebten Bildern und – wie sich Binder beim Lesen überzeugte – ebenso verliebten Mitteilungen, Kuverts mit Firmenaufdruck, die auf unbezahlte Rechnungen schließen ließen – o, Binder war eine Art Vertrauensperson für alle Angestellten. Mancher kleine Roman hatte sich vor seinen Augen abgespielt, manche Katastrophe hatte er ahnend miterlebt.

      Da war zum Beispiel der »schöne Adolf« vom zweiten Kassenschalter gewesen, der eine Zeitlang jeden Morgen ein blaues und ein rotes Brieflein – »mit ere Kron’ druff« – bekommen hatte. Bis eines Tags die roten Brieflein ausblieben und sich statt dessen in längeren Zwischenpausen Kuverts mit dem Aufdruck »Kgl. Amtsgericht« einstellten. Damals hatte der »schöne Adolf« den alten Binder instruiert: »Wenn mich eine Dame am Telephon verlangt, sagen Sie, ich bin in Urlaub.« Und dann war eine dicke, keineswegs hübsche Madam’ in der Industriebank erschienen und hatte in der Schalterhalle einen derartigen Lärm geschlagen, daß das ganze Haus alarmiert wurde. Und der »schöne Adolf« wurde in die Direktion gerufen und ging nun wirklich in Urlaub, aber gleich für immer.

      Der alte Binder, der seine Portierloge durch das Haustelephon mit dem Privatzimmer der Direktoren verbunden hatte, hatte deutlich den Direktor Hermann sagen hören: »Nur aus Rücksicht auf Ihre arme Frau und Ihre bedauernswerten Kinder sehen wir von einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft ab!«

      Eine Viertelstunde später war der »schöne Adolf« an der Portierloge vorbeigekommen, sorglos sein Spazierstöckchen schwingend, und hatte gerufen: »Adiö, Binder! Ich hab’ gekündigt!«

      Und der alte, erfahrene Torhüter hatte gedacht: So e Lump! So e ganz gemei’ Dreckviech! Pfui Deiwel!

      Aber als ihn am nächsten Tag die neugierigen Beamten frugen, was denn eigentlich mit dem »schönen Adolf« sei, und was das für eine geräuschvolle Dame gewesen sei, antwortete er nur: »Waaß ich’s? Gekindigt hat er halt!«

      Martha ging in das Wechselbureau und stellte sich dem Bureauchef Rittershaus vor. Das war ein verrunzelter, knöcherner Zahlenmensch, der sich langsam auf diesen Posten emporgearbeitet hatte, und dem im Laufe der Dienstjahre das bißchen Verstand und Daseinsinteresse eingetrocknet waren.

      Die eigentliche Herrschaft im Wechselbureau führte denn auch nicht er, sondern der dicke Rehle, der Inhaber des Schalterplatzes. Ein gemütlicher Epikureer, beliebt im ganzen Hause ob seiner ewig guten Laune.

      Drei Leidenschaften besaß Rehle: gut essen, gut trinken und gut schnupfen. Und wegen dieser dritten Leidenschaft führte er seit nun bald dreißig Jahren mit seiner lieben Alten, die die verschnupften Taschentücher waschen mußte, einen humorreichen häuslichen Krieg.

      Gnädig und kalauergesegnet führte Rehle sein Zepter, ein kleiner Schlaraffenkönig. Mit den Damen des Hauses stand er auf einem gemütlichen Papafuß und durfte sich manchen Scherz erlauben, den sie sich von anderer Seite ernstlich verbeten hätten. Nur wenn er, unbekümmert um die anwesende Weiblichkeit, gar zu derbfrankfurterische Stammtischwitze zum besten gab, entstand ein kleiner Aufruhr, so daß sich der Bureauchef Rittershaus auf seine Amtswürde besann und in den Raum krähte:

      »Ruhe!! Während der Arbeit darf nicht geschwätzt werden!«

      Worauf Rehle regelmäßig mit lauter Stimme zu rezitieren anhub: »Und es entstand eine große Stille im ganzen Lande, und jegliches Volk lauschte den Worten des erhabenen Königs!«

      Dann warf ihm Rittershaus einen bösartigen Blick zu. Aber er sagte nichts, denn Rehle hatte ebensoviele Dienstjahre auf dem Rücken wie er selbst und war »oben« gut angeschrieben.

      Natürlich wußte der dicke Rehle ebensogut wie der alte Binder, daß ein neues Fräulein engagiert war, und er wußte auch bereits, daß sie eine appetitliche Blondine sei.

      Aber so hübsch hatte er sie sich nicht vorgestellt.

      Er bemerkte daher bei Marthas Eintritt beifällig: »Da hawwe se endlich emal in der Direxio’ en gescheite Gedanke gehabbt, daß se so ebbes Hibsches angaschiert hawwe!«

      »Oho!« protestierten die anderen Beamtinnen, »sind wir vielleicht nicht hübsch?«

      »Ruhe im Schdaate Dennemark,« begütigte Rehle die Wortführerin. »Du waaßt doch, ich habb’ derr ewige Treu geschworn, von morjens Acht bis abends Sechse mit zwei Schdund Mittagspaus’!«

      Er duzte grundsätzlich jedermann.

      Martha wunderte sich keineswegs über den Ton, der im Wechselbureau herrschte. Sie fand sich mit ihrem unbefangenen Sanguinismus in alle Lebensverhältnisse, griff überall gleich den rechten Ton.

      Wo hatte das junge Mädel nur diese Gewandtheit, diese instinktive Menschenkenntnis her?

      Nachdem sie ihren näheren Arbeitsgenossen vorgestellt worden war, begann unter der Führung Rittershausens ein Rundgang durch sämtliche Bureaus, bis dicht unter das Dach, wo die Buchhalter der Revisionsabteilung saßen, deren Arbeitszimmer mehr einer Frühstücksstube glich als einem Bureau. Denn dort oben hinauf verirrte sich selten ein Aufsichtsorgan.

      Hunderte von Namen glitten an Marthas Ohr vorüber, hundert Male nickte sie freundlich mit dem Kopf oder gab ein paar gleichgültige Antworten auf gleichgültige Fragen.

      Und immerfort krähte Rittershausens monotone Stimme:

      »Fräulein Böhle, unsere neue Kollegin – Herr Soundso! Fräulein Böhle, unsere neue Kollegin – Fräulein Soundso!..«

      In etlichen Bureaus wurden von den Herren renommierend die Sonntagserlebnisse erzählt, in anderen gab es schon am frühen Morgen Streit um nichtige Angelegenheiten. In jenen Räumen, die unmittelbar mit dem Posteinlauf zu tun hatten, herrschte schon rege Betriebsamkeit.

      »Fräulein Böhle, unsere neue Kollegin – Herr Soundso!« Herrgott, nahm das denn gar kein Ende! Von Tür zu Tür ging es, treppauf, treppab. Auf den Stufen gingen zuweilen Beamtinnen an ihnen vorüber, die Briefe oder Notizzettel in andere Bureaus trugen. Es war eine stillschweigende Übereinkunft zwischen dem männlichen Personal, daß alle untergeordneten Arbeiten, die in anderen Betrieben von den Lehrlingen verrichtet zu werden pflegen, den Damen aufgehalst wurden.

      Da Martha hübsch und offenen Blickes war, schwirrten bald galante, bald neidisch-hämische Glossen hinter ihr her.

      »Alle Hochachtung, ’n niedliches Tierchen!«

      »Scheint auch mehr Prinzessin als Arbeitskraft zu sein!«

      »Fesch, tipp-topper Kerl!«

      »Für ’ne Neue dürfte sie sich schon ein bißchen weniger selbstbewußt aufführen!«

      »Fräulein Böhle, unsere neue Kollegin – Herr Wittmann!«

      Wittmann machte eine leichte Verbeugung. »Wir haben uns schon vorige Woche auf der Galatreppe gesehen, wenn ich nicht irre? Ich hielt Sie allerdings damals für ’ne Gräfin oder so was! Weil Sie so würdevoll an mir vorbeirauschten! Na, auf gute Kollegenschaft!«

      Es СКАЧАТЬ