Der Widerspenstigen Zähmung. Ettlinger Karl
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Название: Der Widerspenstigen Zähmung

Автор: Ettlinger Karl

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ gewesen, hätte ihm Hera nicht immer Nektar und Ambrosia vorgesetzt.

      Aber Adolf Borges war kein gewöhnlicher Sterblicher. Dieser kleine

      Konfektionsgeschäftsauslaufer war ein Gefühlsmensch, und diese

      Menschengattung ist unter den Sterblichen in der verschwindenden

      Minderheit. Wenn sie einen hohlen Zahn haben, ja, dann sind sie alle

      Gefühlsmenschen, aber viel weiter reicht ihr Gefühl nicht.

      Der Kauf des Parfüms lohnte sich für Katharina. Der Schwerenöter Hippenstiel hatte sie nicht betrogen. Adolf atmete den süßen Duft mit unbewußtem Wohlbehagen und hätte es unter keinen Umständen geglaubt, daß er selbst für zwei Mark fünfzig hätte ganz genau so gut riechen können.

      Ach, die Liebe verleiht dem Menschen Schwingen, die ihn emportragen über alles Alltagsungemach, die Erde entschwindet dem Blick, der König vergißt seinen Palast, der Bettler seine Hütte, der Feinschmecker seinen Quetschekuche; im reinen Äther schwimmt er und atmet die wonnigen Düfte, die es bei keinem Hippenstiel zu kaufen gibt.

      Schon fühlte Adolf die Flügel auf seinem Rücken knospen. Er spürte das

      Bedürfnis, sich den Buckel zu kratzen, aber »des schickt sich doch net!«

      »Fresse Se, Herr Borges!« ermunterte Meister Bindegerst.

      Und auch Katharina lud ein: »Fresse Se, Herr Borges, – odder derf ich

      #Herr Adolf# zu Ihne sage?«

      Und um jede Antwort abzuschneiden, schob sie ihm ein großes Stück Kuchen in den Mund. Und hätten statt der süßen blauen Zwetschen dicke Rhizinuspillen auf dem Hefenteig gelegen, Adolf hätte dennoch die Gabe mit allen Zeichen des Entzückens geschluckt.

      In dieser Nacht schlief der arme Adolf sehr unruhig.

      Er träumte von einem Gewächshaus, darin dufteten die herrlichsten Blüten und zwitscherten die wunderlichsten Vögel. Adler sangen wie Nachtigallen, und auf einem Rosenzweig schaukelte sich eine Gans und flötete kwiwitt, kwiwitt. Und mitten in dem Gewächshaus wuchs ein großer Baum, das war der Quetschekuchebaum, und wie im Aschenbrödel ließ dieser Baum mit sich reden, und Herr Bindegerst stand davor und sang:

      »Bäumche, rüttel Dich unn schüttel Dich,

      Werf Quetschekuche iwwer mich!«

      Und es erschien ihm der Trompeter aus Stolzenfels am Rhein, mit einer Pfauenfeder am Hut und frischgeputzten Stulpenstiefeln, und blies auf seinem Horn ein herzerweichendes Solo, bis sich das Burgfenster öffnete und Katharina heraussah und mit einem Putzlumpen winkte und fragte: »Herr Trompeter, derf ich zu Ihne #Herr Adolf# sage?«

      Da blies der Trompeter ein so begeistertes Fortissimo, daß Adolf erschrocken aus dem Bett hochfuhr. Er hörte noch im Wachwerden das schmelzende Lied, – nur war es kein Trompetensolo, sondern es waren die verfluchten »Katzeviecher«, die gerade wieder einmal Sinfoniekonzert hatten.

      Der Mann im Mond aber schüttelte den Kopf und meinte: »Schon wieder einer! Immer das Gleiche! Hoffentlich kommt mir keine Mondfinsternis dazwischen, damit ich sehn kann, wie die Geschichte ausgeht!«

      Und nun begann für Adolf jener Lebensabschnitt, den Schiller als der ersten Liebe goldene Zeit bezeichnet, wobei er freilich schwerlich an einen Zweiundvierzigjährigen Offenbacher Ausläufer gedacht haben wird. Adolfs welkes Herz erblühte, und er geriet somit in jenen seltsamen Zustand, dem gegenüber selbst die erfahrensten Ärzte ratlos sind, und den nur die großen #Menschheitsärzte# beschreiben können: nämlich die Dichter.

      Die Liebe ist jener märchenhafte Fortunatussäckel, aus dem man unendlich schöpfen kann, ohne ihn je zu leeren. In einer Märchenwelt taumelt der Verliebte, und in dieser Märchenwelt war Adolf Borges der verwunschene Prinz, den eine böse Hexe dazu verdammt hatte, unter Mißachtung seiner hohen Abkunft bei Feldmann & Schröder Pulte abzustauben und Pakete zu schnüren.

      Woher sollten es die Herren Feldmann und Schröder wissen, daß sie einen leibhaftigen Prinzen beschäftigten?

      »Adolf, Se sin e Kamel!« sagte Herr Feldmann. Und Adolf dachte sich:

      »Wann des Kamel nor #glicklich# is!«

      »Adolf, Se sin e Rindviech!« versicherte der dicke Herr Schröder. Und

      Adolf lächelte: »O selig, o selig, ein Rindviech zu sein!«

      Wie alle Verliebten fing auch er an, kindisch zu werden und selige Närrischkeiten zu treiben, und so erwischten ihn die Putzfrauen der Firma eines Morgens dabei, wie er vor einer Modellfigur auf den Knieen lag und indem er sie mit dem Federbesen abstaubte, verzückt flüsterte: »Bistde kitzlich, mei Zuckerschnutche? Ach, Kättche, was bistde for e sieß Oos!«

      Und weil die Putzfrauen ebensowenig wie die Chefs wußten, daß sie es mit einem verzauberten Prinzen zu tun hatten, hielten sie sich die Bäuche vor Lachen, und – klatsch – hatte Adolf einen nassen Putzlumpen auf dem Buckel.

      Abends, nach acht Uhr, aber, wenn er von der Post zurückgekommen war und die Rolläden herabgelassen hatte, wich der schlimme Zauber von ihm, er war nicht mehr das »scheppe Adolfche«, wie ihn der eklige Kassierer nannte, sondern Prinz Adolf der Liebeglühende von Träumershausen, und Seine Durchlaucht geruhten nach dero Märchenschloß zu wandeln, welchselbiges dicht unter dem Dach lag.

      Der alte wackelige Stuhl war der Thronsessel, der Schrank mit dem kaputenen Schlüssel, die Schatzkammer, in der als funkelndes Geschmeide seine Sonntagshose hing. Und vom Dachfenster aus hatte der Prinz die herrlichste Aussicht auf sein Reich; da wimmelten seine Untertanen, und jeden, den er mit einem Liebchen am Arme spazieren sah, ernannte er zu seinem Pagen.

      Hörte er aber jemanden das schöne Lied »Du bist verrückt, mein Kind« singen, so sagte er mit gutmütiger Selbstironie: »Des is mei Nationalhymne!«

      Oh, S. Durchlaucht Prinz Adolf hatten einen großen Hofstaat! Der

      Kassierer, der ihm allmonatlich seinen Gehalt auszahlte, war sein

      Finanzminister, der Herr Schröder war sein Zeremonienmeister, der

      Schutzmann unten an der Ecke seine Leibgarde, der Lehrling sein Hofnarr und die Aufwaschweiber seine Hofdamen.

      Ein Stockwerk unter ihm aber, da war das Allerköstlichste: da residierte Prinzessin Katharina, die Märchenfee, die er zu erlösen hatte. Es ist im Märchenreich üblich, daß ein Prinz, ehe er die Hand der Holdseligsten erringt, erst einige Drachen ins bessere Jenseits befördert, – in #diesem# Märchen begab es sich leider, daß der kurzsichtige Held nicht die Prinzessin, sondern den Drachen selbst freite.

      Oft des Abends sahen nun die Mainnixen den kleinen Adolf mit Katharina am Ufer auf und ab wandeln, sie kicherten zwischen den großen Kähnen hervor und zählten die Küsse nach. Es gingen dort viele verliebte Pärchen spazieren, aber auf unser Duo hatten es die Nixenfrechdächse ganz besonders abgesehen. Denn in der Maingegend haben auch die Elementargeister Sinn für Humor. Und wie oft wisperten sich im Offenbacher Stadtwald die Sträucher und Büsche verschmitzte Randbemerkungen zu, bis eine uralte Tanne sie zurechtwies: »Still, klaa Gezäppel! Is ja doch bloß der griene Neid von Euch!« Denn in der Offenbacher Gegend sprechen auch die Vegetabilien Dialekt.

      Katharina war bei diesen Abendwanderungen viel zu folgsam, schweigsam und nachgiebig, als daß diese Tugenden hätten echt sein können. Wenn der kleine Adolf zu schwärmen anfing: СКАЧАТЬ