Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten. Böhlau Helene
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СКАЧАТЬ und lacht, und dabei glänzen ihr die Thränen in den Augen.

      Die Mädchen müssen noch mit aufräumen, alles an Ort und Stelle bringen; sie sind zu diesem Behuf aus ihren weißen Kleidern in die grauen Ginghamalltagskleider geschlüpft und wirtschaften mit wahrem Feuer und so ordentlich und vernünftig, daß Frau Rat ihre Freude hat und bei sich denkt: »Was für ein paar flinke Mädchen sind sie doch, pflichttreu und brav!«

      »Jesses, Röse,« flüstert Marie, »mach zu! Wenn du so trödelst, wann denkst du denn, daß wir fortkommen?«

      »Erst müssen doch alle im Bett sein,« sagt Röse bang, »was hilft's denn sonst? – Poltere doch nicht so!« Marie ging darauf hin auf den Fußspitzen.

      Drüben bei Thons war schon alles dunkel.

      »Ach Gott!« brummte Marie, »weshalb dauert's denn bei uns so lang?«

      Die Magd schlürfte noch draußen herum; der Vater sah nach diesem und jenem; die Mutter schloß das gespülte und geputzte Silberzeug in den Schrank.

      Röse beguckte sich noch einmal nachdenklich die silbernen Füße und Hälse der Fasanen.

      Nach und nach zog aber auch in das Kirstensche Haus Dunkelheit und Nachtruhe ein.

      Die beiden Mädchen waren hinauf in die Kammer geschickt; die Magd, Vater und Mutter, jedes war schlafen gegangen, und keine Maus rührte sich.

      Es schlug elf Uhr. – Da war es, als wenn auf der dunklen Treppe sich vorsichtig etwas bewege. Es knarrte eine Stufe; es huschte und schlich etwas. Zwei Stimmen wisperten vorsichtig. »Ach Gott im Himmel,« sagte Röse tief erregt, dicht am Ohr Maries, »mir ist's ordentlich angst, – so was haben wir noch nie gethan! Glaubst du, daß der Vater bös sein würde?«

      »Röse,« erwiderte Marie mit Herzklopfen und verhaltenem Atem, »jetzt ist's zu spät! – Mach nur leise, – du trampelst ja!«

      »Na,« murrte Röse, »wenn das Trampeln is! Gar nich!« Aber da krachte die alte Stufe so entsetzlich. Den beiden kam es wie ein Kanonenschuß vor. – Sie standen ganz starr und hatten nicht den Mut, sich wieder zu regen. – »Ach Gott!« klagte Marie.

      Dann aber schlichen sie langsam und vorsichtig weiter.

      »Ich höre da draußen wen,« brummte Herr Rat in seinen Kissen.

      Frau Rat war schon am Einschlafen und entgegnete undeutlich: »Der Wind; auch wohl die Katze.«

      Das leuchtete Herrn Rat ein, denn der Wind rasselte draußen an den Dachrinnen, klirrte mit den Fensterscheiben, sang und jodelte in den Schornsteinen. Es war eine wilde, stürmische Osternacht. Zerrissene Wolken fuhren über den Himmel.

      Unten an der Hausthür fingerten jetzt ein paar ängstliche, zitternde Händchen vorsichtig, um den großen Hausthürschlüssel geräuschlos ins Schlüsselloch zu stecken.

      Röse und Marie hatten diesen Schlüssel, pochenden Herzens, aus der Mutter Speisekammer stibitzt.

      Nun standen sie draußen, im Sturm aufatmend, und schauten mit ängstlichem Blicke nach dem Fenster oben. Sie seufzten beide tief, denn es war ihnen nicht geheuer zu Mute. Sie hätten's nicht thun sollen! So heimlich fortzuschleichen war das Rechte nicht, das fühlten sie. Und sie dachten beide mit einem Gefühl bangen Seelendruckes an Frau Geheimderat Thon, vor der sie den denkbar größten Respekt hatten. Was die wohl dazu meinen würde?

      »Donnerstag!« rief Röse, »ist das ein Wetter! – Himmlisch!«

      Sie faßten sich an den Händen und ließen sich von dem Winde treiben. »Glaubst du wirklich, daß es was gibt, wenn sie's oben merken?« fragte Röse.

      Marie antwortete nicht. Der Wind hatte ihren wollenen Longshawl gefaßt und sich darin verfangen.

      »Weißt du,« sagte sie nach einer Weile, »ich glaub' schon. Aber wenn alles gut ausgeht, und wir haben sie wirklich gesehen, und wir sagen's, dann – dann …«

      Der Wind nahm ihr den Atem.

      Sie wollten nicht quer über den Markt laufen, sondern lieber gedeckt, wie die Diebe an den Häusern hin; und so eilten sie Hand in Hand vorwärts. Ihre engen Kleiderröcke flatterten wild im Westwinde; die Stirnlöckchen, selbst die schweren hängenden Zöpfe wehten und peitschten um sie her. »Diese Scheusäler!« brummte Röse, als ihr Maries Zopf übers Gesicht gefahren war.

      Jetzt mußten sie am »Elefanten« vorbei. Aus der Gaststube schimmerte Licht in die Dunkelheit; es trat jemand aus der hellerleuchteten Thorfahrt. Röse und Marie drückten sich atemlos, erschreckt in den Schatten an die Mauer. Dann liefen sie weiter, mit halb zugekniffenen Augen, weil der Sturm Sand und Staub aufrührte.

      Das Wolkengeschiebe riß auseinander, und der Vollmond schaute auf einen Augenblick ungeheuer glänzend, als wäre er von den Wolken eben erst wieder blank gewischt worden, auf die dunkle, windgepeitschte Erde hinab.

      »Gucke, der Mond!« bemerkte Röse im Rennen.

      Als sie am Schlosse vorbei zur Burgmühle kamen und die Ilm nächtlich an ihnen vorbeirauschte, blieben sie stehen und lauschten ins Dunkel hinaus.

      Ihre Herzen hämmerten, ihre Wangen glühten; der Sturm hatte sie wie ein paar Rosenbüsche zerzaust.

      »Die andern werden in der Fähre stecken,« flüsterte Marie, »wenn sie uns nur nicht erschrecken!«

      Ja, sie fürchteten sich sehr! Das grelle, plötzlich hervorbrechende und wieder verschwindende Mondlicht, die schweren, schwarzen Wolken, der Sturm, der in den hohen Bäumen sauste, und dazwischen die unheimliche Stille, ohne menschlichen Laut, nur von entferntem Hundegebell unterbrochen, das Kreischen der uralten, verrosteten Wetterfahne auf der Mühle, – alles bedrückte sie!

      Röse versuchte einen kleinen rhythmischen Pfiff, dem ähnlich, den der Wind vorhin durch die Wünschengasse getragen hatte; aber er kam so zaghaft zu stande, daß er wie ein Hauch verflog.

      »Bis hierher wird sie doch nicht kommen?« fragte Marie kaum hörbar.

      »Ach gar!« wehrte Röse mit geheucheltem Mute, und beide schmiegten sich fest aneinander.

      »Sie sitzen gewiß in der Fähre und schaukeln sich,« meinte Marie. »Wir müssen ein bißchen näher. Ob der Müller ihnen wohl die Fähre los gemacht hat?«

      Sie gingen vorwärts, aber sehr, sehr langsam.

      »Wie die Ilm rauscht!« sagte Marie.

      Jetzt pfiffen sie beide. Budang würde erklärt haben: »Scheußlich falsch.«

      »Oho!« hörten sie laut rufen.

      Und es kam wirklich aus der Fähre. Es dauerte nur ein paar Augenblicke, da standen ihre drei Freunde Budang, Horny und Ernst Schiller vor ihnen.

      »Trödelbüchsen!« rief Budang.

      »Gottlob, daß ihr da seid!« sagte Marie aufatmend.

      Horny und Budang halfen den Mädchen auf die dunkle Fähre. Das Ilmwasser rauschte und gluckste um die groben Bretter und schien eine eisige Kälte zu verbreiten.

      Budang und Ernst Schiller stießen vom Ufer, die Fähre zwischen den geteerten Tauen lenkend. Die vier Räder, woran die schweren Taue liefen, schnurrten; der Wind klappte und rasselte damit. Röse und Marie saßen aneinander СКАЧАТЬ