Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten. Böhlau Helene
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СКАЧАТЬ hob ihr Glas und stieß mit Herrn Rat und Frau Rat an, dann mit Apothekers, und mit Röse ganz besonders.

      »Gott segne dich, mein liebes Kind!« sagte sie.

      Ihr Sohn trat auf sie zu und küßte ihr die Hand; darauf küßte er Röses Hand wieder tief bewegt.

      Frau Rat traten Thränen in die Augen. »Du wilder Schlingel!« flüsterte sie Röse zu.

      Aber ausgesprochen wurde das große Wort nicht. Das war auf Vater Kirstens Befehl hin so eingerichtet.

      Die jungen Leute sollten noch mit der Heirat warten, und er wollte in seinem Hause Ruhe haben, und vorderhand keinen »Verlobungstrafik«, wie er sich ausdrückte. Das Geküß und Gethu sollte möglichst eingeschränkt werden.

      Das fehlte ihm jetzt: auf Schritt und Tritt über ein verliebtes Paar zu stolpern!

      Er war Herr im Hause, damit basta!

      Der Apotheker erstickte fast an einer Rede, und die Apothekerin mußte ihren Mann zweimal am Rockschoß zupfen, als sie bemerkte, daß ihm der schönste gewürzte Verlobungstrinkspruch auf der Lippe saß.

      Einmal hatte er sich schon erhoben; da war aber der Wind mit solcher Gewalt gegen die Scheiben gefahren und hatte an den wackeligen, alten Fenstern gerüttelt, daß der Apotheker ordentlich zusammengefahren und wieder zur Besinnung gekommen war. Ihm war Wind greulich zuwider.

      Röse vermißte das Aussprechen des großen Wortes durchaus nicht. Es war gut so. Sie wünschte sich's nicht anders. Nichts schreckte sie aus ihrem süßen Traume auf. Sie fühlte sich so unaussprechlich glücklich! Und es war nichts Beängstigendes bei diesem Glück. Zugleich erschien es ihr aber auch noch fremd. Sie mußte sich erst daran gewöhnen.

      Ja, wie es ihr Vater eingerichtet hatte, so war es gut!

      Sie kannte auch Onkel Apothekers Verlobungs- und Hochzeitssprüchlein und gab ihrem Vater, als sie mit ihm anstieß, extra einen Kuß dafür, daß der in der schön gestickten, seidenen Weste nicht reden durfte.

      Der junge Adjutant Thon sah das wundervolle, blonde, kindliche Geschöpf vor sich, wie es so süß träumte. Und sie gehörte ihm, war sein eigen, sie war ihm versprochen!

      Er war wie verdurstet, wie verschmachtet. Ein Kuß auf diese junge Wange, auf den kecken, rätselhaft schweigenden Mund schien ihm Erlösung, – das seidenweiche Haar zu streicheln Erquickung!

      Und daß sie an seiner Seite so bräutlich verschämt schwieg, erschütterte ihn.

      Er empfand ihre junge Liebe wie den Duft einer Blume. Ein berauschender Duft! –

      Marie flüsterte Rösen ins Ohr: »Du, Röse, sie wird doch heut auch wirklich spuken?«

      »Wer?« fragte Röse.

      »Ach geh!«

      »Wenn das so werden soll, wenn du ewig nur vor dich hin gucken willst! – Na dann –!« Marie sprach sich nicht weiter aus, schien aber entrüstet zu sein.

      »Jesses,« flüsterte Röse, »wenn ich nicht gleich aufpaß! Mich freut's grad so wie dich, wenn sie spukt; vielleicht noch mehr!«

      Der noch nicht offizielle Bräutigam hörte die beiden zankend miteinander tuscheln.

      »Ich denke, die Demoisellen sind immer ein Herz und eine Seele?«

      »Sind wir auch!« sagte Röse.

      Er lächelte und sprach eifrig mit seiner jungen, zukünftigen Braut; etwas würdig, wie er es mit jedem jungen Mädchen that, aber jedes Wort bebte und zitterte und war beladen mit allem möglichen, und die Blicke beider hingen aneinander, – forschend, ergründend und scheu den Anblick genießend.

      Draußen fauchte in langen Zügen unvermindert der Wind und trug jetzt, wie es schien, einen merkwürdig hellen, rhythmischen Pfiff auf seinen Flügeln.

      Röse, die eben im lebhaftesten Gespräche mit ihrem Anbeter war, spitzte die Ohren, erhob sich wie im Traume, ging dem Fenster zu, blieb aber zögernd, wie unverrichteter Sache stehen und begab sich wieder auf ihren Platz.

      Der junge Thon beobachtete sie.

      »Schaf!« flüsterte Marie ihr zu. »Wenn sie's merken, lassen sie uns bei dem Wetter nicht fort!«

      Es war etwas übermütig Glückseliges in Röses Gesicht gekommen.

      Die Ratsmädel kniffen sich gegenseitig versteckt in die Arme.

      Frau Rat aber hatte auch den Pfiff gehört und dachte bei sich: »Das war ja Budangs Pfiff; was lauert denn der?«

      Jetzt schellte es unten.

      Das sind sie! dachten Röse und Marie gleichzeitig erschreckt und sprangen beide auf, um die Hausthür zu öffnen. Was ihnen denn nur einfiele! Waren sie denn des Kuckucks!

      Sie trafen aber ganz etwas andres, als sie vermuteten.

      Die Schopenhauerin schickte als Dessert nach dem Fasanenschmaus für Röse ein weißsamtenes Ridikül mit Perlenstickerei und mit einem Veilchenbouquet daran gebunden, etwas unsagbar Schönes, Bräutliches. Sie hatte jedenfalls nicht anders gedacht, als daß die Verlobung doch bei einem Gläschen Wein trotz alledem feierlich abgesprochen worden sei.

      Röse und Marie wußten nicht recht, was sie damit beginnen sollten; sie beratschlagten und hielten sich deshalb ziemlich lange auf der Treppe auf. Marie kam auf den schlauen Gedanken, das wundervolle Ding mitsamt den Veilchen in ihr Schnupftuch zu wickeln; so wollten sie es aufheben, bis die Gäste fort wären, denn beide fürchteten, es möchte dem Vater nicht recht sein, wenn sie das Verlobungsgeschenk der Schopenhauerin jetzt mit hereinbrächten. Und es geschah so, wie sie sich vorgenommen.

      »Was war denn?« fragte Frau Rat ernst, als die Mädchen wieder eintraten.

      Röse errötete und flüsterte ihrer Mutter etwas ins Ohr.

      Der junge Thon fand, daß die beiden Mädchen seit einiger Zeit von einer merkwürdigen Unruhe befallen waren. Es war ihm, als müsse er mit Röse ein feierliches, großes Wort reden.

      Eine bange Unruhe überfiel ihn. Liebte sie ihn auch wirklich? War er ihrer sicher?

      Die beiden Mädchen hielten sich, während sie ganz vernünftig und liebenswürdig sprachen, unter dem Tisch an den Händen fest.

      »Heut wär' eine schöne Nacht für meinen Fuchs!« dachte der junge Thon mitten in seinem Herzensrausch. Er hat bereits gestern die halbe Nacht platt auf dem Bauche vergeblich vor dem Fuchsbau gelegen und sieht sich schon, wie er an der nur ihm bekannten Stelle abermals auf den Fuchs paßt. Er hört im Geiste die knospenden Bäume über sich rauschen, fühlt wohlthätig den kühlenden, weichen Sturm. Und das Lauern, das scharfe Hinhorchen, – das Spannen, – die Naturlaute, die nachts hie und da geheimnisvoll auftauchen, – da wird's ihm wohl werden!

      Die Gäste empfehlen sich zur Bürgerstunde. Alle machen Frau Rat Kirsten Komplimente über das splendide Gastmahl, und Frau Geheimderat Thon drückt Röse mütterlich zärtlich an sich und flüstert ihr etwas ins Ohr. Röse errötet tief und küßt ein wenig zaghaft und verlegen die Hand ihrer künftigen Frau Schwiegermutter.

      Und wieder ist sie durchschauert von etwas Ungeahntem, Unbekanntem, als Ottokar Thon ihr zum Abschied die Hand drückt, СКАЧАТЬ