Die große Gauklerin. Brachvogel Carry
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Читать онлайн книгу Die große Gauklerin - Brachvogel Carry страница 12

Название: Die große Gauklerin

Автор: Brachvogel Carry

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ gesehen, aber die Fürstin war nur ein einziges Mal auf- und abgefahren und dann in ihren Palast zurückgekehrt. Auch die Priuli hatten eigentlich schon genug von der Blumenschlacht und wollten nur den Augenblick abwarten, wo die Schöttlings zu ihrem Hotel fuhren. Sie hielten sich dicht hinter ihnen, und als die Gondel vor dem Hotel anlegte und ein alter Bettler sie mit dem Enterhaken herangezogen hatte, sprang Ettore behend aus der seinen und schüttete, noch ehe Elisabeth den Fuß auf die erste Stufe gesetzt hatte, den Rest seiner Rhododendren, die er eigens zu diesem Zweck aufgespart hatte, vor ihr auf die Stufen hin, daß sie wie über einen Blütenteppich schritt. Am nächsten Tag speiste das Geschwisterpaar auf der großen Terrasse des Hotel Bauer-Grünwald an einem Tisch, den Ettore schon morgens hatte belegen lassen, und der dicht neben dem der Schöttlings stand. Im Verlauf des Dejeuners ließ Eleonore ganz zufällig und geschickt nach der Schöttlingschen Seite hin ein Armband fallen, das der Oberst dienstbeflissen aufhob und mit etlichen verbindlich geradebrechten Worten zurückgab. So war unschwer die von den jungen Leuten ersehnte Gelegenheit zur Anknüpfung gefunden, und kaum vierzehn Tage später verkündete Ettore auf dem Lido seinen erstaunten Freunden, daß er sich nun wirklich mit Fräulein von Schöttling verlobt habe.

      5

      Nun kamen für Elisabeth Tage so voll Glück, daß sie beinahe schwer daran trug und vor der Buße bangte, die sie dem Schicksal dafür späterhin zahlen mußte. Wie bei anderen das Unglück, so kam bei ihr das Glück Schlag auf Schlag. Zuerst der Reichtum, dann die Italienfahrt und als deren Krönung nun die Vermählung mit einem Mann, den sie wie in einem Märchen sich zu eigen gemacht hatte, kaum daß er sie erblickt hatte. Wie jedes verliebte Mädchen hätte natürlich auch sie mit dem Geliebten freudig ein bescheidenes Los geteilt, wäre mit ihm, wenn es die Notwendigkeit erfordert hätte, in ein kleines Nest gegangen oder von einer Provinzgarnison zur anderen, aber dies eben erschien ihr so wunderbar, daß der Mann ihres Herzens sie auch noch einem Geschlecht, einem Hause zuführte, das ihre Einbildungskraft lebhaft beschäftigte, und daß sie nun zeitlebens in der Stadt wohnen sollte, in der ihr jeder Tag wie ein Feiertag erschien. Wie sie als Braut zum erstenmal mit ihrem Vater am Palazzo Priuli vorfuhr, war sie blaß und ernst, und als Ettore sie zärtlich über die Marmorstufen durch die dunkle Erzpforte geleitete, überlief sie ein kleiner Schauer, den sie selbst nicht begriff, und über den Ettore lachen mußte.

      »Sie friert, die arme, kleine Deutsche. Sie friert schon jetzt, im Sommer, weil keine Zentralheizung da ist und kein Kachelofen.«

      Elisabeth lächelte einen Augenblick, wurde aber gleich wieder ernst.

      »Nein, das ist es gewiß nicht! Aber ich bin doch heute zum erstenmal in Deinem Hause, denn früher war ich doch nur in Deiner Galerie. Und siehst Du, in solch einem Palast steckt so viel Altes, Ueberkommenes, Bindendes, – ein großer Name legt auch große Verpflichtungen auf, und ich frage mich, ob ich sie alle erfüllen kann.«

      Ettore, der sich niemals mit solchen Ideen trug und in seinem ganzen Leben noch nicht über die Beziehungen zwischen seinem Namen und seiner Lebensaufgabe nachgedacht hatte, war zuerst ein wenig verblüfft, küßte dann aber Elisabeths Hand und meinte heiter:

      »O, la carina, was sie für Gedanken im Kopf hat! Das mußt Du Dir abgewöhnen, Schatz, oder vielmehr, ich werde Dir's abgewöhnen. Eine schöne, junge Frau muß immer lachen und fröhlich sein und soll keine Dinge denken, bei denen sie zwei Falten auf der Stirne ziehen muß, wie Du jetzt!«

      Elisabeth entgegnete nichts. Es war nicht leicht, Ettore alles auseinanderzusetzen, was in ihr vorging, denn er sprach kein Wort Deutsch, und die Konversation mußte also entweder französisch geführt werden, von dem er wenigstens ein paar Brocken wußte, oder italienisch, das wiederum Elisabeth doch nicht genügend beherrschte, um für alle Empfindungen oder Dinge stets den rechten Ausdruck zu finden. Sie durchschritten die Bildergalerie, um zuerst in eine kleine Flucht früherer Prunkräume zu gelangen und dann hinaufzusteigen zu den Wohnräumen der Familie und etlichen Gesellschaftszimmern, die aber seit dem Tode des alten Priuli nicht mehr oder nur selten benutzt wurden. Vor der ›Dogaressa‹ blieb Elisabeth stehen, während der Oberst als taktvoller Brautvater sich in die Betrachtung einer uninteressanten, aber entfernt hängenden Landschaft vertiefte. Elisabeth, die eben in diesen Tagen einen neu erschienenen Essay über das Bild gelesen hatte, fragten ihren Bräutigam:

      »Hast Du das schon je gehört, daß die ›Dogaressa‹ eigentlich Venedig selbst darstellen soll?«

      Ettore schüttelte den Kopf. Nein, er hatte es nie gehört. Es interessierte ihn auch gar nicht.

      »Ich halte es für gar nicht unwahrscheinlich, gerade weil man im Hintergrund den Dogen auf dem Bucentauro sieht. Ich finde diese neueste Deutung sehr hübsch, nur sollte die Venezia dann strahlender aussehen, nicht so, als ob sie sich heimlich über ihre Hochzeit kränke.«

      Ettore fand dies Kunstgespräch sehr langweilig. Er legte den Arm um Elisabeths Schultern, küßte sie mit kleinen Küssen hinter das Ohr, wo das Haar in einem blonden Flaum endete, und meinte überzeugt:

      »Laß Dir doch keine solchen Dinge einreden! Die ›Dogaressa‹ ist ganz gewiß eine Priuli. Aber selbst wenn sie keine ist, was kümmert's uns? Sie hält einen Ring, und sie wartet gewiß mit derselben Ungeduld wie ich darauf, daß ich ihn meinem gelehrten Fräulein anstecke und sie als Gräfin Priuli hierherführe!«

      Er zog sie fester an sich, redete ihr tausend süße, heiße Dinge vor, so daß sie am liebsten alle beide immerfort hier vor dem Bild geblieben wären, statt die Gemächer zu besichtigen, die für das junge Paar eingerichtet werden sollten.

      Elisabeth sah alles mit verliebten Augen, und darum kam ihr alles schön und richtig vor, zudem ja auch die Priuli sich Mühe gegeben hatten, den allzu sichtbaren Verfall zu verkleistern und zu verstecken. Man hatte vom Speicher alte Bilder und Waffen geholt und sie über die allergrößten Risse der Seidentapeten gehängt, ein billiger Hausarbeiter hatte in Eile ein paar klaffende Sprünge der Plafonds ausgefüllt, der elegante Diener, der sonst nur für die Besuchsstunden der Galerie vorhanden war, stand jetzt als Kammerdiener in Ettores Dienst, die alte Magd war, wie ein Möbel, dessen man sich schämte, in die Küche gedrängt, und so machte alles, wenn auch nicht einen reichen, so doch einen anständigen Eindruck. Die Schöttlings wußten wohl, daß hinter den Priuli kein Reichtum mehr stand, Ettore hatte bei seiner Werbung daraus kein Hehl gemacht, wenngleich er die Armut seiner Familie wie seine Schulden verschwieg und so tat, als ob immerhin ein festes, wenn auch kleines Einkommen vorhanden sei.

      Auch die Familie Priuli gefiel den Schöttlings. Eleonore hatte schon durch ihre Schönheit gewonnenes Spiel, und die Gräfin-Mutter, die sich vor den neuen Verwandten natürlich weder unfrisiert noch im Schlafrock, sondern nur im würdigen Seidenkleid mit altem Familienschmuck sehen ließ, erschien Elisabeth verehrungswürdig, weil sie Ettores Mutter war. Von weitläufigeren Verwandten lernte sie zunächst nur Carlo Priuli kennen und fand ihn nicht unangenehm, obschon Ettore ihn als Egoisten und Geizkragen geschildert hatte. Ettore hatte guten Grund, seine Braut gegen den Vetter einzunehmen, denn er fürchtete, daß Carlo am Ende von den Darlehen sprechen könnte, die er Ettore so oft gegeben hatte, und von noch manch anderem dazu, was nicht gerade für die Ohren einer Braut, noch dazu einer deutschen Braut bestimmt war. Er war jetzt Carlo gegenüber um so unsicherer, weil der Ingenieur leidlich Deutsch sprach und es tadellos verstand, so daß er selbst in Ettores Gegenwart Dinge hätte erörtern können, die jenem unverständlich blieben. Carlo dachte aber gar nicht daran, die Befürchtungen seines schönen Vetters zu erfüllen. Er hielt Ettore zwar für einen ausgemachten Tunichtgut, – aber welchen Sinn hätte es gehabt, ein verliebtes Mädchen zu warnen, oder einen Vater, der schon freudig seine Einwilligung gegeben hatte und nicht zu ahnen schien, was sich hinter Venedig und seinen Palästen bergen konnte! Zudem hätte man ja auch nichts wirklich Belastendes gegen Ettore vorbringen können, denn die Liebesgeschichten und Schulden, die er auf dem Konto hatte, zählten ja nach der landläufigen Auffassung von Junggesellen- und Kavaliersgepflogenheiten nicht mit, und daß er ohne Beruf und Arbeit in der Welt umherlief, СКАЧАТЬ