Название: Handbuch des Aktienrechts
Автор: Hans-Peter Schwintowski
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811443150
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2.6.6 Gerichtsstandsvereinbarungen
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Manche Satzungen enthalten Bestimmungen über den Gerichtsstand, der bei Auseinandersetzungen zwischen der Gesellschaft oder deren Organen und den Aktionären gelten sollen. Derartige ergänzende Regelungen können in der Satzung vereinbart werden; sie müssen jedoch, um wirksam zu sein, den Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO und dem nationalen Recht entspr.[168] Regeln sie auf dem Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre beruhende Streitigkeiten mit der Gesellschaft oder auch Rechtsstreitigkeiten mit den Gesellschaftsorganen, handelt es sich um eine körperschaftsrechtliche, d.h. echte Satzungsbestimmung.[169]
4. Kapitel Satzung › II. Inhalt der Satzung › 3. Auslegung der Satzung
3. Auslegung der Satzung
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Seit langem ist anerkannt, dass Satzungsbestimmungen, denen körperschaftsrechtlicher Charakter zukommt, nur nach objektiven Gesichtspunkten aus ihrem Inhalt heraus einheitlich ausgelegt werden dürfen.[170] Von Bedeutung sind der Wortlaut der Regelung, ihr Sinn und Zweck sowie ihr systematischer Zusammenhang mit anderen statutarischen Regelungen. Umstände oder Sachzusammenhänge, die sich nicht aus der Satzung ergeben, können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie allgemein bekannt oder erkennbar sind, wie z.B. Regelungen aus einer früheren Fassung der Satzung[171] oder aus den Registerakten ersichtliche Sachzusammenhänge.[172] Stimmt eine bestimmte frühere Regelung einer Satzung einer Vorratsgesellschaft[173] mit der Regelung nach der „wirtschaftlichen Neugründung“ überein, ist objektiv und auch aus Sicht späterer Aktionäre davon auszugehen, dass die betreffende Satzungsregelung uneingeschränkt gilt und nicht dergestalt ausgelegt werden kann, dass sie nur gelte „soweit gesetzlich vorgeschrieben“.[174] Die Verwendung unbestimmter Rechtsgriffe in der Satzung verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, es sei denn, den Tatbestandsvoraussetzungen können unter Beachtung der herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden keine konkreten Beurteilungsgrundsätze entnommen werden.[175]
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Etwaige Willensäußerungen oder Interessen der Gründer sowie sonstige Umstände der Errichtung der Gesellschaft dürfen zur Auslegung der Satzung grds. nicht herangezogen werden. Nur soweit es sich um individualrechtliche Satzungsregelungen[176] handelt, können die subjektiven Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB herangezogen werden,[177] wie z.B. die Interessenlage der Parteien.
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Umstritten ist die Frage, ob sich die Auslegung des Satzungsinhalts vor der Handelsregistereintragung der Gesellschaft nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB richtet oder die objektiven Auslegungsgrundsätze schon in diesem Stadium anzuwenden sind.[178]
Anmerkungen
BGHZ 142, 116, 123 f.; Henze/Born/Drescher Rn. 6; Großkommentar/Röhricht/Schall § 23 Rn. 15 ff.
S. nachfolgende Rn. 85.
S. 9. Kap. Rn. 309.
BGH ZIP 2003, 1544, 1546; weitere Abgrenzungsmerkmale zu den unechten Satzungsbestimmungen s. Großkommentar/Röhricht/Schall § 23 Rn. 20 ff. sowie K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 Rn. 5 ff.
BGHZ 123, 347, 350.
S. Großkommentar/Röhricht/Schall§ 23 Rn. 20. Zu den Folgen fehlender Festsetzungen in der Satzung über Sacheinlagen oder Sachübernahmen s. im Einzelnen 3. Kap. Rn. 57.
Nach BGHZ 123, 347, 350 aber nur, wenn die Klausel für alle gegenwärtigen und zukünftigen Aktionäre gilt.
Hüffer/Koch § 23 Rn. 3; Großkommentar HGB/Pöschke § 240 Rn. 38; Großkommentar/Röhricht/Schall § 23 Rn. 22; MünchKomm AktG/Pentz § 23 Rn. 40.
MünchKomm AktG/Pentz § 23 Rn. 40. Zur Zulässigkeit des aktienrechtlichen Entsendungsrechts s. OLG Hamm AG 2008, 552 mit Anm. Ogorek EWiR 2008, 449; EuGH Rs. C-122/05, BB 2007, 2423 (VW-Urteil). Zum Entsendungsrecht allgemein s. ferner 8. Kap. Rn. 25, 54, 59; zu staatlichen Sonderrechten in AG s. Lieder ZHR 2008, 306.
S. Ziff. 2.3.2 und 2.3.3 DCGK mit einem Umsetzungsbeispiel in Anh. 5 § 17. Weitere Beispiele s. Henze/Born/Drescher Rn. 8.
S. Henze/Born/Drescher Rn. 9 f m.w.N.; MünchKomm AktG/Pentz § 23 Rn. 41; Großkommentar/Röhricht/Schall § 23 Rn. 21 ff.
Münch. Hdb. GesR IV/Sailer-Coceani§ 6 Rn. 2, 13; Hüffer/Koch § 179 Rn. 5.
S. nachfolgend Rn. 85.