Название: Handbuch IT-Outsourcing
Автор: Joachim Schrey
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811438064
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Ein Business Process Outsourcing (BPO) erfordert von Providern erhebliche Branchenkenntnisse aus dem Geschäftsfeld, in dem der Kunde tätig ist, da der Provider ggf. die Geschäftsprozesse des Kunden anpassen oder sogar neu modulieren muss.[304] Sicherlich stellt das BPO die größte Abhängigkeit von einem Provider da, bietet aber auch gleichzeitig die größten Chancen, um Synergien auszuschöpfen. Der Kunde muss sich darüber im Klaren sein, dass die Fertigungstiefe (beim BPO die Tiefe hin bis zur IT-Infrastruktur), die er einem Partner anvertraut, auch wesentlich mehr Verkettung als beim normalen IT-Outsourcing bedeutet und dass hiermit der gesamte Kommunikations- und Abstimmungsbedarf (insbesondere die Schnittstellen) mit dem BPO-Anbieter zu berücksichtigen ist.
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Besonders interessant erscheinen dabei Konstellationen wie im HR-Outsourcing, wenn sich eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatergesellschaft wie PriceWaterhouseCoopers (PWC), deren Kernkompetenz sicherlich die Geschäftsprozesse im HR-Bereich sind, mit einem IT-Provider wie Siemens Business Services heute Atos IT Solutions and Services) zusammen tut, deren Kernkompetenzen die IT-Services sind.[305] Hierbei kann dann der Mehrwert auf allen drei Layern (Schichten) generiert werden.
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Dabei bilden Geschäftsprozesse (wie alle übrigen Prozesse) eine abgeschlossene Menge in dem Sinne, dass die Vernetzung zweier oder mehrerer Geschäftsprozesse wieder einen Geschäftsprozess ergibt und zusammengesetzte Geschäftsprozesse in Subgeschäftsprozesse aufgelöst werden können, falls sie nicht schon einen einfachen, sinnvollerweise nicht weiter aufzulösenden Geschäftsprozess darstellen. Das Verbuchen einer Rechnung könnte man als einfachen Geschäftsprozess ansehen. Dieser einfache Geschäftsprozess ist Teil einer Kette von weiteren einfachen Geschäftsprozessen, die dem übergeordneten zusammengesetzten Geschäftsprozess vom „Angebot zur Bezahlung“ angehören und die natürlich untereinander vernetzt sind.[306]
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Das britische Haus Xchanging übernimmt beim BPO ganze Geschäftsbereiche inkl. Mitarbeitern und Prozessen (wie etwa der Personalabteilung). Dazu gründet es zusammen mit dem Partner ein Joint Venture, wobei Xchanging die unternehmerische Leitung beansprucht, um im weiteren Verlauf mit den erworbenen Ressourcen auch Drittkunden bedienen zu können. Andere spezialisierte Unternehmen sind Exult, Vertex und E-Peopleserve. Bekannte deutsche Beispiele sind die Datev (unter anderem Lohnabrechnungen) oder die Deutsche-Bank-Tochter ETB (European Transaction Bank), die Dienstleistungen für den Zahlungsverkehr sowie Wertpapier-, Derivate-, Geld- und Devisengeschäfte anbietet.
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Innerhalb Europas ist gerade der Wirtschaftsstandort England starker Vorreiter beim Outsourcing. Dies umfasst nicht nur das klassische IT-Outsourcing, sondern auch die Bereitschaft, den gesamten Geschäftsprozess inkl. der IT-Services auf einen Provider/BPO-Provider zu übertragen. Dies gilt insbesondere für den BPO-Markt im Bereich des Transaction Banking.[307]
d) Geschäftsprozesse des BPO
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Das BPO hat in den letzten Jahren wesentlich an Bedeutung gewonnen. Daher sind BPO-Projekte heute in vielen Bereichen zu finden. Zu den häufigsten ausgelagerten Geschäftsprozessen zählen:
– | HR-Outsourcing |
– | Transaction Banking |
– | Beschaffung |
– | Customer Care & Billing Prozesse |
– | Facility-Management |
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Sicherlich ist die Anzahl der Auslagerungsbereiche als sehr groß zu betrachten, da viele Auslagerungsbereiche zwar die Anforderungen einer Auslagerung von Geschäftsprozessen erfüllen (BPO), sich selbst aber nicht als eine Auslagerung von Geschäftsprozessen verstehen. Hierzu zählen z.B. (nicht abschließend):
– | Übernahme von Beschaffungsprozessen (ebusiness) |
– | Revenue-Management-Services für Airlines[308] |
– | Lagerhaltung inkl. dem gesamten Management |
e) Risiken
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Dass die Auslagerung von Geschäftsprozessen kein Allheilmittel sein kann, haben Insolvenzen der jüngeren Vergangenheit gezeigt: Der Ölhändler Enron hatte nahezu sämtliche Abläufe inklusive einiger grundlegender Buchungsprozesse externen Dienstleistern übertragen. Zudem haben viele Dotcoms die Konzentration auf das Kerngeschäft zwar zum Prinzip erhoben. Außer dem Buchhändler Amazon.com gibt es jedoch kaum erfolgreiche New-Economy-Firmen. Zwar sind weder Dotcoms noch Enron letzten Endes über ihre Outsourcing-Entscheidungen gestolpert. Die Beispiele haben aber gezeigt, dass die Koordination und Verwaltung von sehr vielen Serviceverträgen eine kaum zu beherrschende Aufgabe ist.
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Dennoch wendet sich auch die Old Economy jeglicher Branche und Größe zunehmend diesen Angeboten zu: Großunternehmen wie Cable & Wireless, British Telecom (BT) oder BP Amoco haben ihre Lohnabrechnung einem externen Dienstleister übergeben; Xerox lässt die Rechnungsstellung von GE Capital erledigen. T-Systems übernimmt für die Dachorganisation der internationalen Fluglinien Iata die Ticketabrechnung mit den Partnern und druckt Rechnungen und Reisedokumente. Der Dienstleister Telefactory, ein Joint Venture des Stadtnetzbetreibers Citykom Münster und Siemens IT Solution und Services (SIS), heute Atos IT Solutions and Services, betreibt die Abrechnung und Kundenbetreuung für lokale Carrier wie Mnet (München), Osnatel (Osnabrück) oder Hamcom (Hamm).[309]
f) Rechtliche Betrachtung und Vertragsgestaltung
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Da der Provider nicht Betriebsteile übernimmt, sondern ganze Geschäfts- oder Businessprozesse neu gestaltet, könnte hierbei über eine fehlende Anwendbarkeit des § 613a BGB nachgedacht werden. Dies würde zu einem entscheidenden Vorteil des BPO gegenüber dem klassischen Outsourcing führen. Der Gesetzgeber hat aber die Definition des Betriebsteils im § 613a BGB so weit gefasst, dass er auch im BPO in der Regel eine Übernahme eines Betriebsteils sehen würde. Im Ergebnis lässt sich daher eine Anwendung des § 613a BGB durch BPO nicht ausschließen.[310]
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I.d.R. wird der BPO-Anbieter (Provider) beim Business Process Outsourcing auch an personenbezogene Daten des Kunden gelangen (gerade beim HR-Outsourcing), die dem Persönlichkeitsschutz des Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) unterliegen. Hierbei wird es dem BPO-Anbieter aus der datenschutzrechtlichen Sicht nicht mehr möglich sein, als weisungsgebundener Auftragsdatenverarbeiter für den Kunden tätig zu sein, sondern nur noch im Wege der Funktionsübertragung СКАЧАТЬ