Название: Handbuch IT-Outsourcing
Автор: Joachim Schrey
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811438064
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(b) Interessenausgleichsverfahren
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In der Regel kann der Kunde ein Outsourcing-Projekt ohne die Zustimmung des Betriebsrats durchführen, dennoch verlangt das BetrVG, dass der Kunde über den Interessenausgleich zumindest eine Einigung mit dem zuständigen Betriebsrat versucht. Der Zweck des Interessenausgleichs liegt darin, Maßnahmen zwischen den betrieblichen Sozialpartner zu vereinbaren, um wirtschaftliche Nachteile für die vor der geplanten Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Interessenausgleich umschreibt die Umsetzung, ob, wann und in welcher Weise die vorgesehene unternehmerische Maßnahme der geplanten Betriebsänderung durchgeführt werden soll.[220]
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Dabei ist der Interessenausgleich mehr als ein bloßes Unterrichten und Beraten i.S.v. § 111 Satz 1 BetrVG, da er eine Willensübereinstimmung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat voraussetzt. Bei einer Einigung über einen Interessenausgleich entsteht eine Kollektivvereinbarung besonderer Art, welche nach h.M. keine Betriebsvereinbarung darstellt.[221] Kommt zwischen Unternehmern (Kunden) und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser gem. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben. Der Interessenausgleich enthält keine Normwirkung und kann daher nicht ordentlich gekündigt werden.[222] Ferner kann der Betriebsrat nicht auf die Erfüllung bestehen.[223]
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Nach der Rechtsprechung werden strenge Anforderungen an die Inhalte eines Interessenausgleichs gestellt.[224] Dabei müssen konkret geplante Maßnahmen mit dem Betriebsrat verhandelt und schon eine Einigung über das „ob“ und „wie“ angestrebt werden. Der Interessenausgleich ist von seiner Natur her auf einen Einzelfall bezogen und schließt daher nach Auffassung des BAG eine Regelung für künftige, in ihren Einzelheiten noch nicht absehbare Maßnahmen aus.[225]
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Ein Interessenausgleich sollte gem. § 95 BetrVG die Auswahlrichtlinien beinhalten, die für die eventuell im Rahmen des Outsourcing-Projekts zu versetzenden oder zu kündigen Mitarbeiter relevant sind.[226] Ferner sollte ein Interessenausgleich daher Auskunft geben können, welcher Bereich (z.B. Stilllegung eines RZ-Standorts im Rahmen einer Rechenzentrumskonsolidierung) zu einem bestimmten Zeitpunkt stillgelegt und welcher Bereich (anderes Rechenzentrum) die entsprechenden Aufgaben mit übernimmt. Folgende Gliederung kann für einen Interessenausgleich verwendet werden:[227]
– | Art und Umfang der Betriebsänderung |
– | Geltungsbereich des Interessenausgleichs |
– | Umsetzung des Interessenausgleichs |
– | Weiterbeschäftigung |
– | Beendigung des Arbeitsverhältnisses |
– | Verfahrensgrundsätze |
– | Auswahlrichtlinie – soziale Auswahl – berechtigte betriebliche Interessen |
(c) Sozialplan
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Bei einer Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG hat der Betriebsrat i.d.R. ein erzwingbares und damit ein echtes Mitbestimmungsrecht zur Aufstellung eines Sozialplans, während der Interessenausgleich nicht erzwingbar ist, ist der Sozialplan gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erzwingbar. Dabei ist der Sozialplan unabhängig vom Interessenausgleich. Nach der Auffassung des BAG ist der Sozialplan überwiegend in die Zukunft gerichtet und erfüllt deshalb eine Überbrückungs- und Vorsorgefunktion.[228]
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Der Sozialplan knüpft an die wirtschaftlichen Nachteile für den Arbeitnehmer aus der Betriebsänderung an.[229] Vorrangiger Sinn und Zweck des Sozialplans ist es, den Ausgleich bzw. die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer zu gewährleisten. Hierbei soll die Betriebsänderung möglichst schonungsvoll durchgeführt werden.[230] Dabei soll der Sozialplan keine bloße Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes leisten. Durch den Sozialplan soll eine unternehmerische Entscheidung zur Betriebsänderung mit finanziellen Lasten verbunden sein, die eine Betriebsänderung erschweren, und dabei möglichst geringe wirtschaftliche Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer bieten.[231]
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Beim Inhalt eines Sozialplans ist zwischen formellen und materiellen Regelungen zu unterscheiden:[232]
– | Formelle Inhalte – Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs – Vereinbarung von Stichtagen für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit – Festlegung von Berechtigungszeiträumen und Lohn- und Gehaltsarten für die Abfindungsermittelung – Fälligkeitstermine für Leistungen aus dem Sozialplan – Festlegung von Anrechnungsmöglichkeiten anderer Leistungen auf die Sozialplanleistungen – Vereinbarungen über Auskunftspflichten – zeitlicher Geltungsbereich des Sozialplans – Verfallsfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen |
– | Materielle Inhalte – Abfindung für den Verlust den Arbeitsplatzes – Höchstbeträge für Abfindungen – Überbrückungszahlungen für ältere Mitarbeiter – Differenzzahlung im Falle von längerer Arbeitslosigkeit – Ausgleichszahlungen für Lohn- und Gehaltseinbußen – Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung – Jahressonderzahlungen – Rückzahlung von Arbeitgeberdarlehen – Sonstige Aufwandsentschädigungen – Wohnbeschaffungskosten – Bildung und Dotierung eines eigenen Härtefonds – Rückkehrgarantie bzw. Wiedereinstellungsansprüche |
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Mit der Regelung in § 112 Abs. 5 Nr. 2a BetrVG soll bei der Erstellung des Sozialplans insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen werden.[233] In der Praxis wurden hierzu sog. „Transfersozialpläne“ entwickelt. Ziel dieser Transfersozialpläne ist es, den von einem Arbeitsplatzabbau betroffenen Arbeitnehmer Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten und vor allem die Motivation zur eigenverantwortlichen Stellensuche zu fördern.[234] Hierzu werden vor allem Orientierungs- und Existenzgründungsberatung sowie Vermittlungshilfen angeboten.[235] Zur Umsetzung solcher Maßnahmen werden dann sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (sog. „BQG“) gegründet, die mittels der Sozialplanmittel und anderer Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Struktur-Kurzarbeitergeld) eine Weiterqualifizierung der betroffenen Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt aus einer Angestelltensituation heraus betreiben können. Ziel der sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQG) ist es, im Auftrag von Personal abbauenden Unternehmen wie dem ehemaligen Joint Venture neue Betriebseinheiten СКАЧАТЬ