Название: Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea
Автор: Hans-Peter Schwintowski
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811437579
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Wann ein wichtiger Grund vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und wird durch die bereits dargestellte Interessensabwägung festgestellt. Das Gesetz nennt als Beispiele die grobe Pflichtverletzung und die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.
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Eine ausführliche oder gar abschließende Darstellung, wann eine grobe Pflichtverletzung vorliegt, ist an dieser Stelle nicht möglich. Als solche wurden ein grundlegender Vertrauensbruch, unrichtige Buchführung, Handeln zum Nachteil der Gesellschaft, Bestechlichkeit, unzulässige Kreditgewährung, Verweigerung von Berichten, nachhaltige Weigerung der Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems sowie die Aneignung von Gesellschaftsvermögen angesehen.[24]
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Die Unfähigkeit zur Geschäftsführung kann in persönlichen Gründen, wie z.B. einer langandauernden Krankheit oder dem Fehlen der notwendigen Kenntnisse für die Vorstandstätigkeit in der konkreten Gesellschaft liegen.[25]
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Ein Verschulden des Vorstandsmitglieds ist für die Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes nicht erforderlich.[26]
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Unabhängig vom Verschulden des Vorstands und seinem Verhalten gibt das Gesetz in § 84 Abs. 3 S. 2 AktG als wichtigen Grund für den Widerruf der Bestellung auch den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung vor, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Einer besonderen Begründung des Hauptversammlungsbeschlusses bedarf es nicht. Selbst wenn dem Vorstandsmitglied keinerlei persönlicher Vorwurf zu machen ist und es sogar objektiv im Recht ist, genügt der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung.[27]
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Die Möglichkeit der Hauptversammlung, dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen und damit den Widerruf seiner Bestellung zu ermöglichen, ist letztendlich Ausdruck der Machtbalance zwischen den Gesellschaftsorganen. Die eigenverantwortliche Stellung des Vorstandsmitglieds zur Leitung der Gesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG und damit Wahrung fremder Vermögensinteressen ist nur zu rechtfertigen solange das Vorstandsmitglied vom Vertrauen der Hauptversammlung getragen wird.[28]
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Der Vertrauensentzug bedarf, um Grundlage für den Widerruf sein zu können, eines Beschlusses der Hauptversammlung, der vor Ausspruch des Widerrufs gefasst wird. Eine Genehmigung des Widerrufs ist ebenso wenig möglich wie der außerhalb der Hauptversammlung ausgesprochene Vertrauensentzug durch den Mehrheitsaktionär. Auch die Entlastungsverweigerung durch die Hauptversammlung reicht als Vertrauensentzug noch nicht aus. Eine Entlastungsverweigerung bedeutet nur, dass die Hauptversammlung mit den Maßnahmen des Vorstands in der Vergangenheit nicht einverstanden ist, muss aber noch nicht bedeuten, dass die Hauptversammlung die zukünftige Zusammenarbeit mit dem Vorstand grundsätzlich ablehnt.[29]
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Gem. § 84 Abs. 3 S. 4 AktG ist der Widerruf mit Zugang der Erklärung, die meist durch den Aufsichtsratsvorsitzenden erfolgt, beim Vorstand wirksam. Durch diese Norm soll die Unsicherheit über das Bestehen des Organverhältnisses beseitigt und Rechtssicherheit geschaffen werden.[30] Der Vorstand kann auf Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufs vor den ordentlichen Gerichten klagen. Die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts kann nicht vereinbart werden. Die Klage ist gegen die AG, vertreten durch den Aufsichtsrat, zu richten. Es handelt sich um eine Gestaltungsklage. Das Gericht erklärt im Tenor die Abberufung für unwirksam.[31]
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Eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz kann der Vorstand gegen die Abberufung nur herbeiführen, wenn Formfehler gerügt werden. Das Fehlen eines wichtigen Grundes kann wegen § 84 Abs. 3 S. 4 AktG nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geltend gemacht werden.[32]
2.2.3 Sonstige Beendigungsgründe
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Außer durch den Widerruf kann die Organstellung des Vorstands auch in sonstiger Weise enden.
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Das Vorstandsamt endet unproblematisch durch Fristablauf. Gem. Art. 46 Abs. 1 SE-VO kann die Bestellung des Vorstands nur für höchstens sechs Jahre erfolgen.[33] Wenn nach diesem Zeitraum keine Wiederbestellung erfolgt, endet das Vorstandsamt automatisch. Eine Beendigung nach sechs Jahren tritt auch ein, wenn die Vorstandsbestellung – entgegen Art. 46 Abs. 1 SE-VO – unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als sechs Jahre erfolgte.[34]
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Unproblematisch ist auch die einvernehmliche Aufhebung der Bestellung. Sie erfolgt im Rahmen eines Aufhebungsvertrages mit dem Vorstand, in dem regelmäßig auch sein Anstellungsverhältnis aufgehoben wird. Die einvernehmliche Beendigung bedarf gem. §§ 108, 112 AktG eines Beschlusses des Aufsichtsrats. In dem Beschluss wird der Aufsichtsratsvorsitzende in der Regel ermächtigt, den Aufhebungsvertrag mit dem Vorstand zu unterzeichnen.[35]
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Im Gesetz nicht geregelt ist die einseitige Amtsniederlegung durch den Vorstand als Gegenstück zum Widerruf der Bestellung. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass der Vorstand das Recht haben muss, sein Organverhältnis jederzeit mit sofortiger Wirkung durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zu beenden.[36]
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Unproblematisch ist die Amtsniederlegung, wenn ein wichtiger Grund für die Amtsniederlegung vorliegt, z.B. eine unberechtigte Entlastungsverweigerung.
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Problematisch ist, ob der Vorstand für die Amtsniederlegung entsprechend § 84 Abs. 3 S. 1 AktG einen wichtigen Grund haben oder zumindest angeben muss. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss analog § 84 Abs. 3 S. 4 AktG unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes mit Zugang der Niederlegungserklärung bei einem Aufsichtsratsmitglied die Bestellung enden.[37] Die Rechtsprechung hat zumindest für den GmbH-Geschäftsführer bei der Amtsniederlegung auf die Berufung auf einen wichtigen Grund verzichtet.[38] Für den Vorstand einer AG sollte aus Gründen der Rechtssicherheit entsprechend verfahren werden. Es ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft in aller Regel ohnehin kein Vertrauen in einen Vorstand hat und kein Interesse mehr an dessen Tätigkeit hat, wenn er sein Amt niederlegt. Daher kommt es nicht darauf an, ob er für die Niederlegung wichtige Gründe hat oder nicht. Eine Ausnahme sollte lediglich in Missbrauchsfällen gemacht werden, insbesondere bei der Amtsniederlegung zur Unzeit. Bei einem funktionsfähigen Aufsichtsrat dürften diese Fälle jedoch eher selten sein.[39]
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Das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Amtsniederlegung wird allerdings im Hinblick auf den Anstellungsvertrag relevant. Es ist anerkannt, dass eine gleichzeitige Kündigung des Anstellungsvertrages bei der Amtsniederlegung durch den Vorstand nicht erforderlich ist, weil der Anstellungsvertrag die materielle Absicherung des Vorstands darstellt. Legt der Vorstand somit sein Amt aus wichtigem Grund nieder, kann er weiter die Vergütung aus seinem Anstellungsvertrag verlangen. Die Amtsniederlegung ist dann kein wichtiger Grund für die Gesellschaft, das Anstellungsverhältnis gem. § СКАЧАТЬ