Название: Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea
Автор: Hans-Peter Schwintowski
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811437579
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Üblicherweise wird die Geschäftsverteilung in einer Geschäftsordnung des Vorstands geregelt. Die Geschäftsordnung gibt sich der Vorstand im Rahmen seiner Leitungsverantwortung selbst. § 77 Abs. 2 S. 1 AktG räumt allerdings die Möglichkeit ein, in der Satzung dem Aufsichtsrat die Kompetenz für den Erlass der Geschäftsordnung für den Vorstand einzuräumen. Von dieser Ermächtigung wird in der Regel in der Satzung Gebrauch gemacht. Die Geschäftsordnung für den Vorstand ist schriftlich niederzulegen. Wenn der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung erlässt, ergibt sich dies bereits aus der Protokollierungspflicht in § 107 Abs. 2 S. 1 AktG.[87]
2.6 Vertretung
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Während die Geschäftsführung bestimmt, was der Vorstand im Innenverhältnis darf, regelt die Vertretung, was der Vorstand im Außenverhältnis kann. Die Vertretung, die gem. § 78 Abs. 1 AktG ebenfalls dem Vorstand zugewiesen wird, regelt somit die organschaftliche Zurechnung des Vorstandshandelns für die SE. Die organschaftliche Vertretungsmacht beruht dabei unmittelbar auf der Bestellung.[88]
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Die organschaftliche Vertretungsmacht des Vorstands betrifft sowohl die außergerichtliche als auch die gerichtliche Vertretung und ist gem. § 82 Abs. 1 AktG nicht beschränkbar. In einigen gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen sind andere Organe anstelle des Vorstands oder gemeinsam mit dem Vorstand vertretungsbefugt. Namentlich sind dies die Fälle des Abschlusses von Rechtsgeschäften gegenüber dem Vorstand. Hier ist gem. § 112 AktG der Aufsichtsrat zuständig. Bei Anfechtungsklagen wird die Gesellschaft gem. § 256 Abs. 2 S. 1 AktG vom Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam vertreten. Unter bestimmten Voraussetzungen können Aktionäre auch einen besonderen Vertreter bestellen, der gem. § 147 Abs. 2 AktG Ersatzansprüche gegen Organe oder Dritte geltend machen kann.[89]
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Verfügt die Gesellschaft über einen mehrköpfigen Vorstand, gilt gem. § 78 Abs. 2 S. 1 AktG der Grundsatz der Gesamtvertretung. Danach sind alle Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur aktiven Vertretung, d.h. zur Abgabe von Willenserklärungen für die Gesellschaft befugt. Für die Entgegennahme von Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft (passive Vertretung) sieht § 78 Abs. 2 S. 2 AktG vor, dass die Abgabe der Willenserklärung gegenüber nur einem Vorstandsmitglied ausreicht. Durch das MoMiG ist in § 78 Abs. 2 S. 1 AktG eine neue Regelung hinsichtlich der Passivvertretung der AG hinzugekommen. Für den Fall, dass die Gesellschaft keinen Vorstand hat (Führungslosigkeit, vgl. § 78 Abs. 1 S. 2 AktG) und ihr gegenüber Willenserklärungen und Schriftstücke zugestellt werden, wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat passiv vertreten.[90]
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Bei Überschreiten der Vertretungsmacht gelten die §§ 177 ff. BGB. Das Handeln eines Vorstandsmitglieds, das entgegen der Gesamtvertretungsbefugnis für die Gesellschaft handelt, kann von den übrigen Vorstandsmitgliedern genehmigt werden.[91] Die zur Gesamtvertretung berechtigten Vorstandsmitglieder können gem. § 78 Abs. 4 AktG einzelne Vorstandsmitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften bevollmächtigen.
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Die Gesamtvertretungsberechtigung in § 78 Abs. 2 AktG ist dispositiv. Einzelnen Vorständen kann Einzelvertretungsbefugnis in der Satzung oder nach entsprechender Satzungsermächtigung durch den Aufsichtsrat übertragen werden. Auch die Vertretung gemeinsam mit einem Prokuristen (unechte Gesamtvertretung) ist möglich. Nicht ausdrücklich erwähnt in § 78 Abs. 3 AktG, aber möglich, ist die gemeinschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch zwei oder mehrere Vorstandsmitglieder.[92] Nicht zulässig ist eine unechte Gesamtvertretung, wenn sie dazu führt, dass die Gesellschaft nicht allein von einem oder mehreren Vorständen vertreten werden kann. Dies wäre z.B. der Fall, wenn die Gesellschaft nur einen Vorstand hat und dieser nur gemeinsam mit einem Prokuristen handeln können soll. Eine solche Einschränkung wäre mit § 82 Abs. 1 AktG und dem Grundsatz der organschaftlichen Vertretung nicht zu vereinbaren.[93]
5 › II › 3. Das Aufsichtsorgan
3. Das Aufsichtsorgan
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Art. 40 Abs. 1 SE-VO bestimmt, dass das Aufsichtsorgan die Führung der Geschäfte durch das Leitungsorgan überwacht und dabei nicht berechtigt ist, die Geschäfte der SE selbst zu führen. Diese Regelung entspricht § 111 Abs. 1 und 4 S. 1 AktG. Weitergehende Regelungen finden sich in der SE-VO nicht, sodass über Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO das deutsche AktG weitgehend Anwendung findet. Der deutsche Gesetzgeber hat in dem Bestreben einen möglichst weitgehenden Gleichlauf mit dem nationalen Aktienrecht zu schaffen, nur sehr wenige Regelungen zum Aufsichtsorgan im dualistischen System in das SEAG aufgenommen. Diese Regelungen entsprechen weitgehend dem deutschen Aktienrecht.[94]
3.1 Zahl und Zusammensetzung
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Um den weitestgehenden Gleichlauf zwischen der SE-VO und dem nationalen Aktienrecht zu gewährleisten, entspricht § 17 SEAG auf der Grundlage des Art. 40 Abs. 3 SE-VO den Regelungen in § 95 AktG.[95] Nach § 17 Abs. 1 SEAG besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern, sofern die Satzung nicht eine höhere Zahl festlegt. Die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt bei Gesellschaften mit einem Grundkapital bis zu 1,5 Mio. EUR neun, bei einem Grundkapital von mehr als 1,5 Mio. EUR bis 10 Mio. EUR fünfzehn. Die Höchstzahl beträgt 21 Mitglieder. Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder muss gem. § 17 Abs. 1 S. 2 SEAG durch 3 teilbar sein. Die Vereinbarkeit von § 17 Abs. 1 S. 2 SEAG mit Art. 40 Abs. 3 S. 2 SEVO ist umstritten.[96] Ob das sog. Dreiteilungsgebot uneingeschränkt gilt, ist umstritten. Bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats sind die Beteiligungsrechte nach dem SEBG gem. § 17 Abs. 2 SEAG zu wahren,[97] was zu einer teleologischen Reduktion des Dreiteilungsgebots führen können soll, weshalb auch das LG Nürnberg-Fürth eine in der Beteiligungsvereinbarung geregelte Aufsichtsratsgröße von zehn für zulässig hält.[98] Die Aufassung des LG Nürnberg-Fürth ist abzulehnen, da sie gegen die Satzungsautonomie verstößt und in die Organisationskompetenz der Hauptversammlung eingreift.[99] Bestehen Zweifel an der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, sind über Art. 9 I c ii SE-VO die Vorschriften über das Statusverfahren gem. §§ 97 f. AktG auf die SE mit Sitz im Inland anzuwenden. Im Statusverfahren wird rechtsverbindlich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats i.S.d. § 96 AktG festgestellt. Ist der Vorstand der Auffassung, dass der Aufsichtsrat nicht nach den maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen und bei der SE zusätzlich nicht entsprechend dem Verhandlungsergebnis (arg.e. § 25 Abs. 1 S. 1 SEAG) zusammengesetzt ist, gibt er gem. § 97 Abs. 1 AktG das seiner Meinung nach anwendbare neue Mitbestimmungsmodell im Bundesanzeiger СКАЧАТЬ